Der Papst und das neue Galaxy S4 von Samsung besitzen magische Anziehungskräfte. Über den Götzendienst in unserer digitalen Gesellschaft.
Editorial
Zwei Phänomene sind es derzeit, die uns die Antwort auf Goethes zeitlose Frage geben, was die Welt im Innersten zusammenhält: Der Papst und das derzeit technologisch führende Smartphone Samsung Galaxy S4. Beides sind Produkte, die auf Überirdisches und damit Transzendentes verweisen. Beide ziehen Massen und Medien in ihren Bann. Beide Global Player mobilisieren Menschen über Kontinente und Länder hinweg, und beide agieren auf ganz unterschiedlichen Ebenen, die früher und auch heute noch in einem Zusammenhang stehen: Religion und Technik.
Journalisten aus aller Welt reisten vergangene Woche nach New York, wo Samsung in der ehrwürdigen Radio City Music Hall mit einem unübertroffenen Spektakel zur Präsentation seiner neue Wunderwaffe Galaxy S4 bitten lies. Beim Public Viewing am Time Square verfolgten die Menschen außerdem live die Inauguration eines Smartphones, das uns vor Augen führt: Ein Leben ohne Smartphone ist möglich, aber sinnlos. Der BBC-Journalist Alex Riley hat in seiner Dokumentation »Secrets of the Superbrands« die religionsähnlichen Mechanismen beschrieben, die bei Nutzern von Apple oder Facebook ähnlich wirken wie bei Gläubigen, die mit Symbolen ihrer Religion konfrontiert werden.
Technologie übernimmt in unserer säkularen und digitalisierten Gesellschaft mehr und mehr die Rolle einer Ersatzreligion. Man muss kein konfessionell gebundener Beobachter sein, um über den Sinn und Unsinn eines technischen Hilfsmittels nachzudenken, dem die Industrie zu einem herausgehobenen Stellenwert verholfen hat. Es langt bisweilen, in einem kleinen Gedichtbändchen zu blättern. In der Sammlung »Menschheitsdämmerung« ist das Gedicht »Der Spruch« des leider allzu früh im Ersten Weltkrieg verstorbenen Dichter Ernst Stadler zu finden. Der Appell in der letzten Zeile lautet: »Mensch, werde wesentlich!«.
Mit den besten Grüßen
Martin Fryba
CRN-Chefredakteur