Wettbewerbswidriger Verhaltensweisen von Herstellern und Markeninhabern kosten Tausende Onlinehändler die Existenz. Das prangert jetzt der Bundesverband Onlinehandel an und stellt eine Liste mit den Herstellern und Marken ins Netz, die beim Handel besonders schlecht wegkommen.
Tausende kleiner und mittelständischer Onlinehändler stehen in Deutschland und anderen europäischen Ländern vor dem Aus. Ihre Existenz steht auf dem Spiel, weil sie Opfer wettbewerbswidriger Verhaltensweisen von Herstellern und Markeninhabern sind, so der Vorwurf des Bundesverbands Onlinehandel.
Allein in Deutschland macht rund ein Fünftel der Onlinehändler aufgrund dieser Beschränkungen einen jährlichen Verlust von mehr als 25 Prozent. Fast 50 Prozent der deutschen Händler beklagen sich über Umsatzverluste durch Herstellerbeschränkungen. Vor allem die Verbote auf Online-Marktplätzen zu verkaufen, nehmen zwölf Prozent der befragten Onlinehändler den wichtigsten Vertriebskanal. Zu diesem Ergebnis kommt eine im Auftrag des Bundesverbands Onlinehandel (BVOH) durchgeführte Erhebung mit europaweit rund 7.000 Unternehmen. »Beschränkungen haben nicht nur negative Folgen für den Handel«, sagt BVOH-Präsident Oliver Prothmann. Auch die Verbraucher werden seiner Ansicht nach erheblich durch die Vertriebsbeschränkungen geschädigt und zahlen häufig deutlich mehr für Produkte, als sie es bei einem funktionierenden Wettbewerb müssten. Das darf nicht so bleiben. »Der Schaden beträgt Jahr für Jahr Milliarden Euro«, ist Prothmann überzeugt. Nach Schätzungen des Verbandes mussten bereits mehr als 10.000 Unternehmen Mitarbeiter entlassen.
Laut dem Verband sind Vertriebsbeschränkungen, darunter auch illegale, heute in der Europäischen Union über alle Sortimentsbereiche weit verbreitet. Sie machen den Onlinehändlern, die ohnehin in einem grenzüberschreitenden Wettbewerb stehen, das Leben schwer. So haben die Händler in der Umfrage 2.000 Hersteller und Marken benannt, die – branchenübergreifend – den Verkauf via Internet beschränken. Zu den benannten Marken gehören unter anderem Apple, Adobe, Sony und Nikon. Allein 29 Prozent der von den Händlern genannten Marken sprechen Marktplatzverbote aus. Die Ergebnisse der Umfrage inklusive aller genannten Hersteller und Marken stellt der Verband online zur Verfügung.
Der Verband hat eine Liste mit den gängigsten Vertriebsbeschränkungs-Methoden von Herstellern und Markeninhabern zusammengestellt. So ist der Händler beispielsweise bei unzulässigen Vertriebsbeschränkungen nicht frei in der Gestaltung seiner Verkaufspreise; ihm werden Nachteile angedroht, wenn er sich nicht an die Vorgaben wie beispielsweise unverbindliche Preisempfehlung hält. Bei Marktplatzverboten untersagt der Hersteller beziehungsweise die Marke dem Händler die Nutzung von Online-Marktplätzen für den Weiterverkauf von Produkten. Bei Blockaden von Internationalem Handel wird dem Händler verboten international also über europäische Grenzen hinweg zu verkaufen. Bei Blockaden von Marketingaktivitäten wird dem Händler vom Hersteller beziehungsweise Markeninhaber verboten, seine Produkte beispielsweise auf Preisvergleichsportalen einzustellen oder mit der Marke zu werben. Lieferverweigerung nennt sich die Weigerung des Herstellers, sein Sortiment in Teilen oder komplett an Onlinehändler zu liefern. Serviceverschlechterungen bedeuten, dass der Verbraucher bei online erworbenen Artikeln schlechteren Service – etwa bei der Garantie – erhält als bei stationär gekauften Produkten.
Der BVOH fordert ein entschlossenes Vorgehen gegen wettbewerbswidrige Vertriebsbeschränkungen, unter denen besonders kleine und mittelständische Onlinehändler leiden. Das Internet dürfe nicht zum exklusiven Spielfeld von Handelsriesen und Großkonzernen werden, heißt es. Es muss auch für kleine und mittelständische Händler offenbleiben, da die Vielfalt des Handels lebt gerade von den Einfällen und Investitionen dieser Unternehmen lebt.
BVOH-Präsident Oliver Prothmann hat sich nun an die 630 Abgeordneten aller Fraktionen im Deutschen Bundestag gewandt und stellt die Ergebnisse der Studie vor. Ziel ist es, die Folgen der Hersteller-Beschränkungen im Bewusstsein der Volksvertreter zu verankern. Zudem hat der Verband eine Liste mit Forderungen an die Politk zusammengestellt. Demnach sollen im Dialog mit der Industrie die Hersteller und Markeninhaber für ein kartellrechtskonformes Verhalten sensibilisiert werden. Darüber hinaus fordert der Verband unter anderem auch, die Teilnahme an Hardcore-Kartellen und andere schwerwiegende Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht unter Strafe zu stellen und mit bis zu fünf Jahren Haft zu ahnden.