Digitalisierung im Sport
Technisch perfekt, emotional tot
Fortsetzung des Artikels von Teil 1
Mit Digitalisierung kein Wembley-Mythos
Nicht falsch verstehen, um nichts in der Welt würde ich mein altes Rad gegen den neuen Renner eintauschen. Nur überkommt einen beim Pedalieren nun dasselbe Gefühl wie vor dem Fernseher, wenn die großen Rundfahrten übertragen werden. Seit Jahren werden die Rennen — trotz verstärkter Dopingkontrollen — immer vorhersehbarer. Profis kennen ihre Leistungszahlen genau und statt zu attackiern, was auch mal in die Hose gehen kann, wird streng nach Wattzahlen gefahren. Hauptsache nicht vor dem Ziel explodieren und den Sieg verschenken. Dazu kommt der Teamfunk, der dafür sorgt, dass alle Fahrer jederzeit über die aktuelle Rennsituation informiert sind. Fast immer werden Ausreißer auf den letzten 100 Metern einer Flachetappe eingeholt und der Abschnitt im Sprint entschieden. Eigentlich nicht schlimm, wenn man es nicht schon vorher wissen würde.
Ebenso sorgen beim American Football, Tennis und Cricket zahlreiche Hochgeschwindigkeitskameras dafür, dass Fehlentscheidungen — diesmal seitens der Schiedsrichter — minimiert werden. Doch darunter leidet der Spielfluss und damit die Spannung sowie das Interesse der Zuschauer. Und jetzt mal ehrlich: So schmerzlich das berühmte Wembley-Tor für den deutschen Fußballfan noch immer sein mag, hat nicht gerade diese Fehlentscheidung den Mythos Wembley erst begründet und sorgt auch heute noch für leidenschaftliche Diskussionen? Was wäre sonst von diesem Endspiel in Erinnerung geblieben, wäre alles fehlerlos über die Bühne gegangen?
Nach der Torlinientechnik, die das erste Mal bei der EM 2016 zum Einsatz kam, wird es nicht mehr lange dauern, bis in der Bundesliga auch Abseits und Foul von der Technik analysiert werden, um Fehler gänzlich auszuschließen. Der Fußball würde so wichtiger Überraschungsmomente beraubt. Irgendwann wird auch die Bundesliga so digitalisiert sein, dass zwar keine Fehler mehr gemacht werden, dafür alle Spiele so vorhersehbar sind wie schon heute die Partien des FC Bayern. Als Fan kann man dann dem Fußball auch abschwören und seinem Computer zusehen, wie er gegen sich selbst eine Runde Schach spielt.
- Technisch perfekt, emotional tot
- Mit Digitalisierung kein Wembley-Mythos
