Was noch vor wenigen Jahren als versnobte Spinnerei galt, erobert sich heute zusehends einen festen Platz im Alltag: videogestützte Mobilkommunikation. Dank kostenlosem Skype-Service zunächst im privaten Bereich populär, entdecken nun verstärkt auch Unternehmen den Mehrwert der bewegten Bilder auf mobilen Geräten für bessere Teamarbeit, effiziente Entscheidungsprozesse und gesteigerte Produktivität. Auf dem Tablet-PC stehen heute sogar Livebilder in HD-Qualität zur Verfügung.Video ist innerhalb weniger Jahre von einer medialen Einbahnstraße zum interaktiven Massenphänomen avanciert. Rund drei Milliarden abgespielte Clips pro Tag - allein bei Youtube - sprechen eine klare Sprache. Nicht zuletzt die Vernetzung solcher reinen Videoplattformen mit Social-Media-Diensten wie Facebook sorgt dafür, dass Videokommunikation noch lange Zeit für exponentielles Wachstum des Datenverkehrs in den Übertragungsnetzen sorgen wird. Eine Vernetzung mit sozialen Medien wiederum gehört heute zum Standard jedes Smartphones. Damit wird Video auch auf mobilen Geräten immer mehr Alltag.
Tablet-PCs als ideale Plattform
Der durchschlagende Erfolg, der mit dem Ipad eingeführten neuen Generation von Tablet-PCs, hat diesen Trend noch erheblich verstärkt. Mit den Tablets wurde Videokommunikation auf mobilen Geräten Business-tauglich. Die im Vergleich zu den Smartphones deutlich größeren Bildschirme erlauben nicht nur ein realistischeres Präsenzerlebnis, es lassen sich auch optische Details besser darstellen und Zusatzfunktionen leichter handhabbar umsetzen. Die Spanne der Display-Größen reicht derzeit von sieben bis elf Zoll (Diagonale), während selbst die größten Smartphones unter fünf Zoll bleiben - die meisten Modelle liegen im Bereich zwischen drei und vier Zoll. Die technische Basis moderner Tablet-PCs wie beispielsweise dem Motorola Xoom mit echtem Multitasking, Tabbed Browsing, Unterstützung von Adobe Flash Player und Integration der Google-Mobile-Services eignet sich auch ideal zur Darstellung von Videoinhalten.
Unternehmen bilden heute sowohl in puncto Prozesse als auch Mitarbeiter extrem dynamische Gebilde, und es gilt, diese Dynamiken im Sinne des Geschäftsmodells bestmöglich zu nutzen. Mit am deutlichsten trifft dies sicher auf die geografische Präsenz zu: Sogar kleine und kleinste Unternehmen können heute dank Internet und Telekommunikation als globaler Player auftreten. Immer mehr Unternehmen nutzen diese Chance, was schnell zu einem wachsenden Anteil mobiler Mitarbeiter im Personalstamm führt. Meist ist damit eine stärkere geografische Verteilung fester Niederlassungen, Geschäftsstellen und Home Offices verbunden - Letztere zusätzlich als Folge generell flexibilisierter Arbeitsbedingungen. So gibt es laut IDC weltweit inzwischen mehr als eine Milliarde Telearbeiter. Mobility ist damit eindeutig ein Faktor, mit dem sich jedes Unternehmen in der einen oder anderen Form auseinandersetzen muss, und Tablet-PCs à la Ipad werden dabei neben dem klassischen Laptop eine immer wichtigere Rolle spielen.
Neben zahlreichen weiteren Funktionen dient das Tablet zunehmend als das Mittel der Wahl, um mit seinem Team Kontakt zu halten und um bei Besprechungen an den richtigen Entscheidungen mitzuwirken. Video ist dafür unverzichtbar, wie sich inzwischen millionenfach bei stationären Videokonferenzsitzungen bestätigt hat. Neben den zusätzlichen Möglichkeiten, die sich durch Video im Vergleich zur reinen Audiokonferenz ergeben, sorgt das Livebild auch für eine verbesserte Effizienz. Zum einen sind Mimik und Gestik in die Kommunikation einbezogen, zum anderen konzentrieren sich die Teilnehmer stärker auf die Konferenz, denn die bei Audiokonferenzen oft üblichen "Nebenbeschäftigungen" entfallen.
Reisen und damit verbundene Kosten lassen sich so auch für mobile Mitarbeiter signifikant senken, auch wenn dieses Argument auf den ersten Blick widersinnig scheinen mag - schließlich sind mobile Mitarbeiter gewissermaßen per definitionem auf Reisen. Allerdings - und hier liegt der feine Unterschied - sind diese meist unterwegs zum Kunden und nicht auf dem Weg zu einem der zahllosen Meetings, die wahrscheinlich auch in Zukunft zum Alltag eines Unternehmens gehören. In der durch mobiles Video-Conferencing gewonnenen Zeit kümmern sie sich ums Geschäft. Damit amortisieren sich die vergleichsweise geringen Investitionskosten für mobile Videokommunikation in der Regel bereits mit wenigen Anwendungen.
Für ein gutes Präsenzerlebnis muss die Übertragung von Bild und Ton in einer nach den Maßstäben der menschlichen Wahrnehmung überzeugenden Qualität erfolgen. Auf Videoseite hat sich in diesem Zusammenhang das Kürzel HD (High Definition) als Garant für die Erfüllung hoher Ansprüche eingebürgert. Es herrscht jedoch eine große Verunsicherung, was dieser Begriff eigentlich genau bedeutet. Der Grund liegt wohl darin, dass HD aus der TV-Welt kommt und dort wesentlich komplexere Gesetzmäßigkeiten (wie beispielsweise unterschiedliche Farbmodulations- und Bildaufbauverfahren, fest definierte Seitenverhältnisse etc.) zum Tragen kommen als bei der Videoübertragung in der Computerwelt. In Letzterer bezieht sich die Bezeichnung HD meist allein auf die Bildauflösung, wo in Anlehnung an die TV-Welt 720 und 1.080 Bildzeilen (Vertikalauflösung) als hochauflösend gelten. Zum Vergleich: Ein Fernsehbild in Standardauflösung verfügt bei den in Europa verbreiteten Farbmodulationssystemen PAL und Secam über 576 Zeilen.
Auch die Bildübertragungsrate (nicht zu verwechseln mit der Bildwiederholfrequenz, mit der manche Highend-Fernseher bei Werten von bis zu 200 Bildaufbauten pro Sekunde und mehr jegliches Flimmern eliminieren) liegt mit meist 28 bis 30 Bildern pro Sekunde zunächst auf TV-Niveau (gilt sowohl für Standard-TV als auch HD-TV). Einige Video-Conferencing-Lösungen verwenden diesen Wert jedoch dynamisch als Stellschraube, falls es mit der zur Verfügung stehenden Bandbreite einmal enger wird. Durch Reduktion der Bilderzahl lässt sich auch die benötigte Bandbreite verringern. Das Verhalten in diesem Punkt sollte freilich durch den Benutzer steuerbar sein, auch auf mobilen Geräten.
HD auch für mobile Anwendungen
Während der Ausbau der Mobilfunkinfrastruktur in 3G- (UMTS) und 4G-Netzen (LTE) für eine immer bessere und stabilere Funkabdeckung bei wachsenden Datenraten sorgt, sind die Bandbreitenanforderungen von Videoübertragungen durch verbesserte Codierungseffizienz in den letzten Jahren ständig gesunken. Waren für Videoübertragungen mit 1.080 Bildzeilen nach MPEG-2/H.263 noch bis zu 19 MBit/s pro HD-Kanal erforderlich, ließ sich der Bandbreitenhunger mit neueren Standards wie MPEG-4/H.264, H.264 High Profile und H.264 SVC inzwischen deutlich unter die 2-MBit/s-Marke drückten - bei 720 Bildzeilen sogar bis knapp 1 MBit/s (jeweils 30 Bilder pro Sekunde). Die von einer Reihe von Herstellern bereits für stationäre Videokonferenzsysteme entwickelten Verfahren für die Wiederherstellung von bei der Übertragung verlorener Datenpaketen (Packet Loss Recovery - PLR) sind natürlich auch bei den Lösungen für mobile Geräte essenziell, helfen sie doch entscheidend, schwankende Bandbreiten softwaretechnisch zu stabilisieren.
Auch dem H.264-Protokollzusatz SVC (Scalable Video Codec) wird gerade in mobilen Anwendungen eine hohe Bedeutung zukommen. Er beschreibt ein Verfahren, wie Video-Sessions auch deutlich schwankende Bandbreiten mit Auswirkungen, die sich durch PLR-Techniken nicht mehr auffangen lassen, ohne Abbruch wegstecken können. Das Geheimnis liegt dabei in einer in Echtzeit gesteuerten Anpassung der Bildqualität an die verfügbare Bandbreite. Dies stellt eine Eigenschaft dar, die in Netzen ohne garantierte Service-Qualität - und dazu zählen die Mobilfunknetze in ganz besonderem Maß - Gold wert ist. Aktuell ist SVC noch nicht sehr weit verbreitet, die Standardisierung der Zusammenarbeit von SVC mit dem für Echtzeitkommunikation im Internet zuständigen RTP-Protokoll (Real-Time Protocol) Anfang Mai 2010 hat jedoch eine wesentliche Akzeptanzhürde beseitigt.
Die Frage, ob HD erforderlich ist oder nicht, verliert angesichts dieser Entwicklungen immer mehr an Relevanz, der Trend geht ganz klar in Richtung allgegenwärtigem HD mit intelligenter Flusssteuerung. In manchen Anwendungen gestaltet es die Kommunikation einfach nur reicher und lebendiger, in anderen Fällen existieren auch wichtige sachliche Gründe für die HD-Übertragung. Ein Beispiel ist etwa der medizinische Bereich: Ärzte können sich per HD-Videokonferenz über ein Tablet mit medizinischen Experten austauschen, damit telemedizinische Bewertungen verbessern, Sofortdiagnostik erstellen und so eventuell entscheidend dazu beitragen, Leben zu retten.
"Echtes" und "falsches" SIP
Im Rahmen ihrer videogestützten Kommunikationslösungen haben inzwischen mehrere wichtige Hersteller auch mobile Anwendungen für sich entdeckt. Als eines der größten Probleme für die Nutzer könnte sich herausstellen, dass viele davon ihre für stationäre Videokommunikation eingeführten, proprietären Protokolle auch auf die mobile Welt übertragen, um so die Fesseln für eine exklusive Herstellerbindung zu stärken. Das Problem stellen dabei weniger die ausgewiesenen Zusatzprotokolle dar wie etwa das Telepresence Interoperability Protocol (TIP) von Cisco oder das Real-Time Video (RTV) von Microsoft, die immerhin Schnittstellen für andere Hersteller bieten, um sich dort einzuklinken.
Es geht vielmehr um die Basis, und die heißt heute eindeutig SIP (Session Initiation Protocol). Die Herausforderung für Videotelefonie besteht darin, die zum Teil mehrere tausende zählenden Funktionen einer TK-Anlage beziehungsweise eines UC-Servers mit den vergleichsweise wenigen Funktionen des SIP-Protokolls abzubilden.