Die Zukunkt der Software

3. Februar 2005, 0:00 Uhr | Werner Fritsch

Die Zukunkt der Software. Webservices-Technologien werden sich in diesem Jahr weiter ausbreiten und die Anwendungssoftware besser modularisieren. Neben operativen Programmen rücken nun auch analytische ins Rampenlicht.

Die Zukunkt der Software

Die Idee, Software-Funktionalität wie Wasser oder Strom nach Bedarf auf Knopfdruck über eine Leitung zu beziehen, ist bestechend. Die Erfahrungen mit traditionellem Hosting und auch mit Application Service Providing waren nicht überwältigend, doch wird unter Bezeichnungen wie Grid, Utility oder On-Demand Computing an dieser Vision weitergearbeitet. Eine wesentliche Rolle spielt dabei Virtualisierung: Sie soll Software von der Hardware unabhängig machen und eine ökonomischere Nutzung der vorhandenen Ressourcen erlauben. Solange in den Rechenzentren nicht alles vollautomatisch vonstatten geht ? was sich nicht am Horizont abzeichnet ?, wird außerdem einiges an Dienstleistung für Entwicklung und Betrieb der Anwendungen benötigt. Die Zeit der Reife ist noch fern.

WEBSERVICES DURCHDRINGEN ALLES
Den bedeutendsten Software-Trend in der näheren Zukunft bilden die Technologien der Webservices und die Konzepte serviceorientierter Architekturen (siehe Titelgeschichte in Heft 19/20 2004). Waren es anfangs ausschließlich individuell erstellte Anwendungen, in denen die neuen Mittel erprobt wurden, so strukturieren mittlerweile auch die Applikationsanbieter ihre vorgefertigten Programme auf breiter Front um. Auf Standards beruhende Middleware-Produkte (in erster Linie Java-Applikationsserver) liefern die Basis für eine neue Generation von Software-Bausteinen. Für Hersteller und Anwender führt an Webservices kein Weg mehr vorbei. Der Konsens der großen Anbieter, allen voran IBM und Microsoft, war die Voraussetzung für den beginnenden Erfolg. Neben leichterer Integration von Anwendungen innerhalb des Unternehmens sollte auch die softwaretechnische Verbindung mit Geschäftspartnern, Kunden und Zulieferern in Zukunft einfacher werden.
Weitere Verbesserungen versprechen Technologien wie Dynamic HTML und Javascript. In absehbarer Zeit dürften sie es ermöglichen, die komfortablen grafischen Bedienungsmöglichkeiten aus der Client-Server-Ära, etwa Drag-and-Drop, auch im Internet-Zeitalter auf schlanken Web-Frontends zu nutzen. Gute Aussichten für die Endanwender also.

VIELE WORTE UM GESCHÄFTSPROZESSE
Nach einer aktuellen Umfrage, die das Marktforschungs- und Beratungshaus Gartner bei 1300 IT-Chefs in mehr als 30 Staaten durchgeführt hat, steht auf Platz eins der Prioritäten-Liste in diesem Jahr die Verbesserung der Geschäftsprozesse. Dazu kann Software beitragen. Das Marktsegment der Werkzeuge zur Modellierung von Geschäftsprozessen ist merkwürdigerweise sehr klein geblieben, obwohl die Produkte durchaus ausgereift sind. Der Marktführer kommt aus Deutschland: IDS Scheer. Auch die Business-Process-Reengineering-Welle, die im vergangenen Jahrzehnt einer angesagten Management-Lehre auf dem Fuß gefolgt war, hatte keinen nachhaltigen Schub gebracht.

INTEGRATION BLEIBT EINE HERAUSFORDERUNG
Im Zusammenhang mit Integrationsprojekten und -produkten (Enterprise Application Integration, EAI) wird heute ebenfalls auf die höhere Ebene der Prozesse Wert gelegt, der die Verbindung von Applikationen und die Zusammenführung von Daten schließlich dienen sollen. Das einschlägige Akronym heißt BPM und steht für Business Process Management. Im Zusammenhang mit den Webservices gibt es interessante Ansätze, Software-Bausteine im Einklang mit sich ändernden Anforderungen flexibel zu kombinieren, namentlich die Business Process Execution Language for Web Services (BPEL). Der Weg zum breiten Einsatz in der Praxis ist noch weit. Gleichwohl ist zu erwarten, dass die leichtere Kombinierbarkeit von Software-Bausteinen, wie sie Webservices-Technologien ermöglichen, der Individualsoftwareentwicklung neuen Schwung verleihen wird. Die IT-Abteilungen können jedenfalls wieder mehr in die eigenen Hände nehmen und den Fachabteilungen Anwendungen liefern, die deren Bedürfnissen besser dienen. Die Anpassung und Modifikation vorgefertigter ERP-, CRM- oder SCM-Applikationen ist bis heute aufwendig, teuer und unbefriedigend geblieben. Die für die nächsten Jahre geplante Zerlegung in Webservices lässt in absehbarer Zeit auf Besserung hoffen.

BUSINESS INTELLIGENCE WIRD WICHTIGER
Besonders gefragt ist der Gartner-Umfrage zufolge heuer außerdem Business-Intelligence-Software. Nachdem die Abwicklung der operativen Geschäfte nahezu flächendeckend mit IT unterstützt wird, rücken nun offenbar informierende und entscheidungsunterstützende Anwendungen ins Rampenlicht. Neben den bekannten Spezialanbietern für Business Intelligence und Data Warehousing wie Business Objects, Cognos, Informatica, NCR Teradata oder SAS Institute offerieren große Applikationsanbieter mittlerweile analytische Software-Pakete, die auf die eigenen operativen Programme ausgerichtet sind. Neben dem Primus SAP ist vor allem Oracle zu nennen, nach der Übernahme des Wettbewerbers Peoplesoft, der wiederum vorher J. D. Edwards geschluckt hatte, weltweit nun die unbestrittene Nummer zwei auf dem Markt der kaufmännischen Anwendungssoftware. In Deutschland bleibt Oracle bei den Applikationen weiterhin erstaunlich schwach.
Das Schlagwort Business Performance Management (BPM), das im vergangenen Jahr häufig zu hören war, weist darauf hin, dass Business-Intelligence-Techniken nicht auf die Auswertung von Daten beschränkt sind, sondern genutzt werden können, um das operative Geschäft anzuschieben und die Prozesse zu verbessern (siehe Titelgeschichte Heft 13/14 2004). Hier gibt es noch viel Potenzial für die kommenden Jahre.
Weit oben in der Liste der CIO-Prioritäten steht laut Gartner auch in diesem Jahr wieder das Thema Sicherheit. Ein ganzes Arsenal von Werkzeugen stellt die erforderlichen Funktionen bereit. Das Thema Open Source findet sich zwar nicht in den Top Ten der IT-Chefs, aber auch damit werden sie sich heuer bestimmt beschäftigen: als Möglichkeit, die Kosten zu senken und in Gestalt von Linux die Abhängigkeit von Microsoft zu verringern.

RELATIONALE SYSTEME UNTERSTÜTZEN XML
Neben den Programmen, die Verarbeitungsschritte ausführen, bilden die Daten die zweite Grundkategorie der Software-Welt. Traditionell stehen Zahlen im Zentrum, die in Tabellen abgelegt und in relationalen Datenbanken verwaltet werden. Zu den dominierenden Herstellern IBM, Oracle und Microsoft (sowie NCR Teradata beim Warehousing) haben sich inzwischen Open-Source-Anbieter gesellt, etwa MySQL, die sich auf häufig gebrauchte Grundfunktionen beschränken. Innovationen bei relationalen Datenbanksystemen betreffen häufig die Unterstützung der Beschreibungssprache XML, die auch für Webservices eine wesentliche Rolle spielt. Ferner arbeiten die drei großen Anbieter daran, Verwaltungsvorgänge zu automatisieren, um die Administratoren zu entlasten. Auch die Skalierbarkeit wird weiter erhöht. Oracle bietet in der aktuellen Version 10g seines Datenbanksystems außerdem die Möglichkeit, Daten in Clustern und Grids intelligent zu verwalten.

KOMPLEXE INFORMATIONEN WERDEN VEREINT
Der größere Teil der Informationen liegt jedoch in Form von Texten, Bildern und anderen komplexen Formaten vor. Der Trend geht dahin, alle diese Inhalte einheitlich zu handhaben. Das Schlagwort lautet Enterprise Content Management (ECM). Seit einigen Jahren schon sind die größeren Hersteller von Software zur Verwaltung von Dokumenten sowie von Web Content dabei, ihr Portfolio entsprechend zu erweitern. Hinzu kommen oft noch Workflow-Funktionen sowie Module, die die Kommunikation und die Zusammenarbeit unterstützen und teilweise in Konkurrenz treten zu Groupware- und E-Mail-Systemen wie IBM Lotus Domino Notes und Microsoft Exchange. Ende 2004 war es nach Meinung der Gartner-Analysten dann so weit: Neben den bislang führenden Herstellern Documentum (inzwischen Teil des Storage-Riesen EMC), Filenet und IBM haben zahlreiche weitere Anbieter das Ziel erreicht und sich zum ECM-Marktführer gemausert: namentlich Open Text (unterdessen fusioniert mit dem deutschen Archiv-Spezialisten Ixos), Vignette, Stellent, Interwoven und Hummingbird. Microsoft und Oracle rechnen sich aufgrund ihrer strategischen Bedeutung im Software-Markt ebenfalls noch Chancen aus. Die Anwender halten sich mit Investitionen noch sehr zurück: Meist hat es keine hohe Priorität, alle Informationen einheitlich zu verwalten ? so attraktiv dies konzeptionell sein mag. Bis auf weiteres herrschen hier taktische und punktuelle Lösungen vor (siehe InformationWeek 13/14 2004, Seite 36).
Besonderes Interesse finden bei potenten Anbietern wie IBM, Oracle, Microsoft und Google seit einigen Monaten Verfahren, in Texten nach Informationen zu suchen. Das übergeordnete, ebenfalls dokumentenbezogene Thema Wissensmanagement ist hingegen in der Versenkung verschwunden. Die Software-Branche bleibt indes dynamisch, und mit Revivals ist zu rechnen.


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