E-Business on Demand sprengt Unternehmensgrenzen

19. Februar 2004, 0:00 Uhr |

E-Business on Demand sprengt Unternehmensgrenzen. Ende 2002 deklarierte Sam Palmisano E-Business on Demand als neues unternehmensweites Motto von IBM. Ariane Rüdiger sprach mit Andreas Wolbrodt, Direktor IST Solutions, über die Umsetzung der Strategie.

E-Business on Demand sprengt Unternehmensgrenzen

"E-Business on Demand ermöglichst schnellere Geschäftsprozesse", Andreas Walbrodt, Direktor IST Solutions, IBM Deutschland

Foto: IBM

Herr Walbrodt, wofür genau ist Ihr Bereich, ITS, zuständig?

Wir gehören innerhalb der IBM Deutschland zum Bereich Global Services und erwirtschaften etwa die Hälfte aller Umsätze des Global-Services-Sektors. Im Gegensatz zum Consulting-Bereich, der außerhalb von Global Services angesiedelt ist und branchenspezifisch anwendungsbezogene Konzepte für unsere Kunden entwickelt, sind wir für infrastrukturnahe Dienstleistungen zuständig. Also zum Beispiel für die Entwicklung eines Security- oder eines Storage-Konzepts.

Wie wird der On-Demand-Gedanke bei IBM umgesetzt?

Es gab Whitepapers zu jeder Industrie und Branche. Wir haben Transition-Teams in jedem Land gebildet, zu denen jeweils Mitglieder aller Geschäftsbereiche gehören. Wir setzen alle Medien ein: Web-Training, Face-to-Face-Kurse und natürlich Learning by Doing. Wir bilden Teams, die gemeinsam zu den Kunden gehen und dort die Argumente für E-Business on Demand vorbringen: Was bedeutet das neue Paradigma für seine Anwendung, für sein Geschäftsmodell? Das virtuelle On-Demand-Team, welches ich leite, besteht aus einer dreistelligen Zahl von Mitarbeitern. Direkt sind mir weniger Mitarbeiter unterstellt. Gemeinsam versuchen wir, die On-Demand-Komponenten in Projekten zu konzipieren und umzusetzen. Es gibt bereits viele Projekte, die solche Komponenten enthalten.

Wie genau definiert Ihr Unternehmen E-Business on Demand?

Wir verstehen darunter eine durchgängige Strategie bei der Integration von Geschäftsprozessen, die über Unternehmensgrenzen hinweg wirksam wird.

Das ist eine sehr weite Definition. Üblicherweise denkt man dabei eher an bedarfsgerechte Bereitstellung be-stimmter Ressourcen.

So wird dieser Begriff oft gebraucht, aber das ist uns zu eng. Warum soll man On Demand nur auf Ressourcen, also zum Beispiel Speicher oder Verarbeitungseinheiten im Grid-Computing, beziehen? Genau so geht es doch um die zeitnahe Bereitstellung von Prozessen: Denken Sie ans Bankgeschäft. Früher dauerte es mindestens sechs Wochen, ein neues Banking-Produkt zu implementieren. Wenn in dieser Zeit die Konkurrenz Wind davon bekam und etwas Ähnliches machte, war der Wettbewerbsvorteil, kaum gewonnen, schon wieder dahin. Wenn man dank On-Demand-Orientierung der IT-Infrastrukturen und Geschäftsprozesse dasselbe Produkt schneller entwickeln kann, ist das unter Umständen ein gewaltiger Vorteil.

Bedeutet Ihre Vorstellung vom On-Demand-Business nicht, dass Sie sich sehr tief in die IT des Kunden verzahnen müssen und dass dieser dann wieder abhängig von einem Hersteller wird, weil er alles von Ihnen beziehen muss? Zunächst holt er sich branchenspezifischen Rat von Ihren Consultern, dann setzen Sie das Ganze um, und zwar am besten mit IBM-Lösungen - die alten Mainframe-Zeiten lassen grüßen!

Das würde ich nicht so sehen. Viele Kunden wollen, dass Beratung und Implementierung aus einem Haus kommen. In diesem Fall, und genau das ist bei uns auch üblich, übernimmt nämlich der Implementierer die Verantwortung für die Aussagen der Consulter, wenn der Kunde das wünscht. Der Kunde kann sich so darauf verlassen, dass zugesagte Verbesserungen durch neue IP-Prozesse auch tatsächlich eintreten, und wenn sie es nicht tun, hat das negative Folgen für den Anbieter. Werden Consulting und Implementierung von vollkommen unterschiedlichen Akteuren übernommen, ist das erheblich schwieriger. Zum anderen bieten wir unseren Kunden branchenspezifisches Consulting oder Implementierungskonzepte natürlich als unabhängige Bausteine an, unabhängig davon, ob er Produkte bei uns einkauft oder bereits eine IBM-Infrastruktur hat. Natürlich freuen wir uns, wenn er es tut, aber das ist nicht Voraussetzung.

Ist On-Demand-Business, wie IBM es versteht, nicht zwangsläufig mit der Auslagerung von Kernprozessen verbunden?

Nein. Der Kunde entscheidet selbst, wer die Hoheit über Produkte, Prozesse und Ressourcen hat. Da sind sehr verschiedene Abstufungen denkbar: Der Kunde kann eine ganze Fabrik samt aller Anlagen etc. an einen Externen abgeben, was dann natürlich zu den hohen Vertragsvolumina führt, die in Berichten über Outsourcing häufig zitiert werden. Er kann auch nur bestimmte Prozesse, etwa SAP, auf externen Rechnern betreiben lassen, er kann Prozesse im eigenen Haus und damit unter eigener Kontrolle belassen, sich aber einen Dienstleister für den Betrieb dieser Prozesse ins Haus holen oder er kann auch nur einen Highend-Abrufvertrag für bestimmte Ressourcen abschließen, demzufolge er bei Bedarf die Zahl der beanspruchten Server oder Megabytes bedarfsgesteuert erhöht oder verringert. Letzteres entspräche wohl am ehesten dem klassischen On-Demand-Begriff, ist aber eigentlich nur eine Art Highend-Leasing.

Wie reagieren die Kunden auf die neuen Angebote?

Es gibt derzeit kaum einen Großkunden, der sich damit nicht auseinandersetzt. Die Early Adopters implementieren bereits oder haben implementiert, in vielen anderen Unternehmen gibt es Vorstudien. Manche haben auch schon kleinere Projekte aufgesetzt. Ein Beispiel dafür, wie On-Demand Geschäftsmodelle verändert, ist die medizinische Bildbearbeitung: In der Medizin fallen immer mehr Bilder an, die sehr viel Speicherplatz verschlingen. Siemens Medical ist dazu übergegangen, die Storage hinter dem Bilddaten-Erfassungs- und Darstellungssystem nicht mehr selbst anzubieten, sondern zusammen mit IBM. Über eine definierte Schnittstelle werden die Bilddaten bereitgestellt. Was hinter dieser Schnittstelle speichertechnisch passiert, interessiert Siemens Medical nicht mehr. Der Kunde zahlt nur, was an Speicherraum verbraucht wird. Das hat große Vorteile: Kunden können immer von der neuesten Speichertechnik profitieren, müssen sich aber selbst nicht mehr um den aufwendigen Aufbau der diesbezüglichen Infrastruktur kümmern.

Wie groß muss ein Unternehmen sein, um von E-Business on Demand zu profitieren?

Die Auswirkungen dürften hinunterreichen bis zur kleinsten Ich-AG. Die großen Unternehmen werden dabei Kristallisationspunkte der Implementierung werden. Von da aus dürfte die Technologie auch die kleineren Unternehmen erreichen, weil diese sich wahrscheinlich erhoffen, durch ihre Nutzung als Anbieter näher an ihre größeren Kunden heranzurücken und so mehr Geschäft zu generieren.

Die letzten großen Änderungen in den Geschäftsprozessen fielen mit dem E-Business-Boom zusammen, nun sollen sich die Anwender schon wieder auf etwas Neues einstellen. Das dürfte vielen nicht leicht fallen, zumal ja längst nicht alle Business-Process-Reengineering- und E-Business-Projekte ein Erfolg waren. Oft haben sich nur die Berater bereichert.

Natürlich ist Innovation immer mit gewissen Wachstumsschmerzen verbunden. Man könnte sogar sagen: Je innovativer das System, desto mehr Umstellungsprobleme. Denn jede Veränderung bringt nun einmal Verunsicherung mit sich. Dafür wird der Innovator aber, wenn sein Projekt gelingt, mit einem Vorsprung belohnt. Es ist auch richtig, dass viele Beratungsprozesse in Innovationsprozessen nicht das erwünschte Ergebnis gebracht haben. Das liegt primär daran, dass die Berater meist nicht an den praktischen Umsetzungserfolgen ihrer Konzepte gemessen werden konnten, denn dafür waren sie ja nicht mehr verantwortlich. Wir wollen beides: Dem Kunden so viel Innovation bieten, wie er möchte - und das zu möglichst guten Konditionen. Weil bei uns Konzept und Implementierung aus einer Hand kommen, können unsere Kunden kontrollieren, ob unsere Systeme auch halten, was wir versprochen haben.


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