In den USA wird die Social Media-App Tiktok als nationales Sicherheitsrisiko betrachtet. Nun fordert die EU-Kommission ihre Mitarbeiter auf, Tiktok von ihren Smartphones zu entfernen. IT-Sicherheitsexperten von Tanium warnen vor Kampagnen aus China, die Wähler im Westen beeinflussen könnten.
Mitarbeitende der EU-Kommission müssen die Social-Media-App Tiktok wegen Sicherheitsbedenken auf ihren Dienstgeräten löschen. Zudem müsse die zu einem chinesischen Konzern gehörende Video-App bis zum 15. März von privaten Geräten entfernt werden, auf denen Apps der EU-Kommission genutzt werden, bestätigte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde am Donnerstag. Grund für die Entscheidung seien Bedenken mit Blick auf die Cybersicherheit. In den USA sorgt sich die Regierung schon lange vor Apps chinesischer Anbieter in den Stores von Google und Apple (ICT CHANNEL berichtete).
Der EU-Sprecherin zufolge handelt es sich um eine vorläufige Maßnahme, die regelmäßig überprüft werden soll. Der Rat der Mitgliedstaaten wird nach Angaben eines EU-Beamten ähnliche Maßnahmen ergreifen. Tiktok kritisierte den Schritt. „Wir sind von dieser Entscheidung enttäuscht, die unserer Meinung nach fehlgeleitet ist und auf grundlegenden Missverständnissen beruht“, sagte eine Sprecherin. Man habe sich mit der EU-Kommission in Verbindung gesetzt, um dies richtigzustellen. Der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner befürwortete die Maßnahme dagegen. „Deutsche Behörden sollten dem Schritt folgen und ebenfalls die China-App von allen deutschen Diensthandys so schnell wie möglich bannen“, forderte Körner.
Tanium-Manager: „personalisierte psychologische Einflusskampagnen“
Hintergrund der Maßnahme sind Befürchtungen, dass Tiktok gezwungen werden könnte, chinesischen Geheimdiensten Zugang zu Daten gewähren zu müssen. „Die Taktiken der chinesischen Geheimdienste sind auf längerfristige Ziele ausgerichtet und werden durch die kontinuierliche Sammlung von Daten vorangetrieben. Die immense Sammlung von Nutzerdaten, zu denen inzwischen auch Handelsinformationen, biometrische Daten und andere Online-Aktivitäten gehören, liefert detaillierte Informationen über eine Vielzahl an Nutzern“, sagt Chris Vaughan, VP Technical Account Management vom US-amerikanischen IT-Sicherheitsanbieter Tanium. Die Daten könnten genutzt werden, „um gezielte und oft personalisierte psychologische Einflusskampagnen gegen Einzelpersonen oder Gruppen von Bürgern durchzuführen.“ Bei Wahlen und anderen politisch brisanten Ereignissen wurden solche Manipulationen bereits beobachtet.
Das jüngste Tiktok-Verbot ist Folge sicherheitspolitischer Überlegungen in den USA und verbündeter Staaten, die nicht nur die Technologie- und Internetbranche betreffen. Wie viel chinesischer Einfluss auf die nationale Infrastruktur wie Telekommunikationsnetze und das tägliche Leben gilt als akzeptabel? „In den letzten Monaten hat die Besorgnis im Westen zugenommen, in deren Folge der Einsatz chinesischer Überwachungstechnologie eingeschränkt wurde. Es gab auch zahlreiche Berichte über chinesische Bemühungen, Politiker durch Lobbyarbeit und Spenden zu beeinflussen und die Öffentlichkeit über soziale Medien und die gezielte Verbreitung von Desinformationen zu beeinflussen“, berichtet Tanium-Manager Vaughan.
Alle Fälle dieser Art müssten laut Vaughan von den westlichen politischen Führern direkt angegangen werden. „Sie sollten auf Regierungsebene entschieden dagegen vorgehen, anstatt die Verantwortung einzelnen Organisationen zu überlassen“.
Tiktok legt Umbauplan für US-Geschäft vor
Der zum chinesischen Bytedance-Konzern gehörenden Internetplattform Tiktok wird schon lange unzureichende Datensicherheit und ein Mangel an Schutz junger Nutzerinnen und Nutzer vorgeworfen. Tiktok weist bisher alle Befürchtungen zurück, dass der chinesische Staat Zugriff auf Tiktok-Daten haben könnte.
In den USA hatte der damalige Präsident Donald Trump vor einigen Jahren mit einem Verbot von Tiktok gedroht. Er verwies auf die Sorge, dass chinesische Behörden mit Hilfe von Tiktok-Daten Informationen über Amerikaner sammeln könnten. Auch Joe Bidens Regierung übt Druck auf den Dienst aus. Das „Wall Street Journal“ berichtete zuletzt, Tiktok habe Washington einen Plan zu einem weitreichenden Umbau des US-Geschäfts vorgelegt, um in den USA aktiv bleiben zu können.
(dpa und eigene Materialien)