Trends bei IP-Überwachungskameras

Unbemannte Pforten unter Kontrolle

24. März 2011, 12:42 Uhr | Willi Fischer, Elektromeister und Inhaber von Netzwerkservice-Fischer, Buchbach

Netzwerkkameras sind aus unserem Leben kaum noch wegzudenken: Sie überwachen in hochauflösender Bildqualität Zufahrten, Eingangsbereiche und Baustellen oder liefern als Web-Cams Panoramabilder in netzwerkoptimierter Auflösung. Immer öfter kann der Anwender die Live-Streams sogar an die Anforderungen seines Smartphones anpassen. Die Hersteller nutzen die integrierte CPU der Kameras zur Aufbereitung der Bilder und für Zusatzfunktionen. Im Trend liegen derzeit IP-Kameras mit Voice-over-IP- und Message-Funktion sowie Schaltausgängen. Sie dienen so als unbemannte Pforten oder Gegensprechanlagen.Meist kommen IP-Kameras als Überwachungskameras zum Einsatz. Viele Bauträger nutzen sie auch zur Baustellendokumentation. Sie montieren die Kameras auf benachbarten Gebäuden oder Masten und erhalten per Livezugriff einen guten Überblick über den Stand der Bautätigkeit. Mit einer hochauflösenden Kamera im Megapixel-Bereich kann der Anwender über eine Zoom-Funktion auch aus großer Distanz Details erkennen. Bei der Wahl der Auflösung sollte der Anwender jedoch beachten, dass er bei Auflösungen über 1,3 Megapixel zwar sehr klare Bilder erhält, dabei aber die Bilddatenrate oft drastisch abnimmt. Dies führt zu ruckartigen Bewegungen auf dem Video. Legt der Anwender Wert auf flüssige Bilder, sollte er nicht über 1,3 Megapixel hinausgehen. Wer hochauflösende Systeme für Einfahrten oder den Außenbereich von Gebäuden einsetzt, muss zudem darauf achten, dass er nicht in die Privatsphäre der Nachbarn eingreift und die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften einhält. Heute benötigen die meisten Kameras lediglich einen LAN?, Festnetz-(DSL-) oder Mobilfunkanschluss (UMTS). Auch Lösungen mit WLAN-Schnittstelle sind auf dem Markt. Ist kein Stromanschluss vor Ort, lässt sich die Kamera mit Power over Ethernet (PoE) über das Netzwerkkabel versorgen. Der Kamerahersteller Mobotix etwa ermöglicht mit seinem Mx2wire-System sogar PoE-Verbindungen via Zweidrahtleitung (siehe Test in LANline 10/2009). Das System eignet sich zum Beispiel für bis zu 500 Meter lange Klingeldraht- oder Koaxialverbindungen. Zur Aufzeichnung der Videodaten bieten eine Reihe von Herstellern mittlerweile Kameras mit integrierten SD-Karten (Secure Digital Memory Card) an. Alternativ kann der Anwender auch einen gängigen NAS-Server zur Speicherung der Daten einsetzen. Der Speicherplatz sollte bei einer Kameraanlage in der Größenordnung von 4 bis 8 TByte liegen, wenn hochauflösende Bilder im Vollbildmodus aufgezeichnet werden sollen. Im Gegensatz zu Analogsystemen bieten die meisten Digitalkameras Gegenlichtfestigkeit. Sie berechnen die Bilder pixelweise und liefern selbst bei schwierigen Lichtverhältnissen kontrastreiche Bilder. Wichtig ist dies zum Beispiel, wenn die Baustellenkamera auf eine große weiße Fläche gerichtet ist, die von der Sonne voll angestrahlt wird. Kameras in Einfahrten oder Tankstellen benötigen ebenfalls gegenlichtfeste Kameras, da sie nachts oft Fahrzeugscheinwerfern ausgesetzt sind. Ereignisgesteuert Bei Überwachungsaufgaben interessieren den Anwender in der Regel besondere Vorkommnisse. Deshalb bieten einige Kameras die Möglichkeit, dass das System nur dann aufzeichnet, wenn es Bewegungen registriert. Dies spart Speicherplatz und vereinfacht die Arbeit für den Wachmann. Stellt das System eine Bewegung fest, erhält der Anwender eine Nachricht, die meist das Bild des auslösenden Ereignisses enthält. Bei vielen Systemen kann die benachrichtigte Person sofort remote auf die aufgezeichneten Videos zugreifen und nachvollziehen, was geschehen ist. Oft ist es zudem möglich, über eine Zoom-Funktion einen Bildausschnitt mit hoher Auflösung zu vergrößern. So lassen sich Details wie Nummernschilder oder entfernte Personen besser erkennen. Systeme von Mobotix beispielsweise speichern die Videos mit hoher Auflösung als Vollbilder ab. Der Anwender kann aber sowohl die Aufzeichnungen als auch die Livebilder angepasst an das verwendete Netz in deutlich geringerer Auflösung betrachten. Interessiert ihn ein Detail im Bild besonders, klickt er es an und lässt sich den betreffenden Bildausschnitt in höherer Auflösung anzeigen. Gegensprechanlagen Besonders gefragt sind derzeit Netzwerkkameras mit Voice-over-IP-Funktion und Steuerausgängen. Damit lassen sich unbemannte Pforten und Gegensprechanlagen für Gebäude realisieren. Mobotix zum Beispiel brachte 2010 die hemisphärische IP-Videotürstation T24 auf den Markt. Das Fisheye-Objektiv stellt die Szenerie vor der Linse als 360°-Vollbild dar und speichert es als solches auch auf der integrierten Speicherkarte oder dem angeschlossenen NAS-System ab. Der Anwender erhält in der Liveansicht jedoch ein entzerrtes Panoramabild in der jeweils eingestellten Auflösung. Sobald jemand klingelt, baut die Station eine Verbindung zu einem vorher festgelegten Smartphone oder PC auf. Der Empfänger kann sich die Livebilder von jedem beliebigen Ort aus ansehen, mit den Personen an der Tür sprechen und gegebenenfalls eine Öffnung der Tür veranlassen. Da die Kommunikation über IP läuft, benötigt der Anwender lediglich ein Empfangsgerät mit Netzverbindung. Andernfalls hat der Besucher die Möglichkeit, eine Videonachricht zu hinterlassen. Das System zeichnet das Geschehen vor der Tür oder dem Tor mit lippensynchronem Ton auf. Die Lösung eignet sich in dieser Konfiguration zum Beispiel für Wohnhäuser, Bürogebäude oder Industrieanlagen. Unbemannte Pforten Der Anwender kann aber auch eine PIN- oder RFID-basierte Zugangskontrolle integrieren, über die sich der Türöffner ansteuern lässt. Dann wäre folgendes Szenario realisierbar: Eine Person betätigt die Zutrittskontrolle an einem entfernten Tor des Firmengeländes oder am Eingang einer Filiale. Die dort installierte Türstation aktiviert die Kamera und informiert einen Mitarbeiter an der zentralen Pforte. Dieser erkennt, wer an der Pforte steht, kann mit der Person sprechen und zum Beispiel die Türöffnung sperren, wenn ihm auf dem Video etwas seltsam vorkommt. Das Unternehmen spart das Personal für die entfernte Pforte und kann sie dennoch sicher betreiben. Bei Pforten, die nicht immer besetzt sind, lässt sich die Türstation über eine Zeitschaltuhr aktivieren. In Hotels, Altenheimen oder Krankenhäusern müsste dann jemand vom diensthabenden Personal den Pförtnerdienst mitübernehmen. Diese Person sieht und spricht mit den Besuchern und kann sie auch einlassen. Wurde zum Beispiel ein Notarzt ins Altersheim gerufen, kann sie ihm den kürzesten Weg zum Zimmer des Kranken erklären. Industrieanwendungen Im industriellen Bereich existieren darüber hinaus zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten für IP-Kameras. Die LAN-Kameras dokumentieren beispielsweise Produktionsabläufe und können bei definierten Ereignissen automatisch schalten (etwa abschalten). Auch eine Anbindung an ein Automatisierungssystem ist realisierbar. In diesem Fall kommt der Impuls für den Schaltbefehle entweder von der zentralen Steuereinheit (SPS) oder von einem I/O-Modul an der Anlage. Ein typisches Einsatzszenario stellen außerdem Waschstraßen dar: Dort haben die Betreiber immer wieder Probleme mit Kunden, die Beschädigungen am Auto feststellen und den Betreiber der Waschstraße dafür haftbar machen wollen. Hat der Betreiber in der Waschstraße die jeweils passende Kamera geschickt platziert, können nur fünf Kameras alle kritischen Punkte des Waschvorgangs inklusive Ein- und Ausfahrt sicher überwachen. Außerdem löst ein Schaltausgang an einer Kamera automatisch die Toransteuerung aus. Kunde und Betreiber haben im Schadensfall so die Möglichkeit, den Waschvorgang aus allen relevanten Blickwinkeln nachzuvollziehen. Dies bringt Klarheit bei Haftungsfragen und vermeidet unnötigen Ärger. IP-Kameras lassen sich heute für praktisch jede Umgebung ausstatten: Der Hersteller kann sie wasserfest, für bestimmte Temperaturbereiche oder sonstige raue Umgebungsbedingungen auslegen und vor Vandalismus schützen. Selbst Kameras mit "Ex"-Schutz für explosionsgefährdete Umgebungen sind realisierbar. Der Markt bietet IP-Kameras mit langer Brennweite und kleinem Öffnungswinkel ebenso an wie hemisphärische 360°-Kameras, mit denen sich ganze Räume überblicken lassen. Hinzu kommen die zahllosen Zusatzfunktionen und Ansteuerungsmöglichkeiten IP-basierter Systeme. Schon aufgrund der Vielfalt an unterschiedlichen Modellen und technischen Möglichkeiten ist es sinnvoll, bei der Planung eines Überwachungsprojekts einen Fachmann zu Rate zu ziehen. Entscheidend bei der Wahl des Dienstleisters sind dessen praktische Erfahrungen mit IP-basierten Überwachungssystemen und der handwerkliche Ausbildungsstand des Personals. Denn für diese Projekte ist handwerkliches Installations-Know-how mindestens so wichtig wie Erfahrung in der aktiven Netzwerktechnik. Vor allem bei Überwachungslösungen für private Liegenschaften denken Anwender oft, mit dem Kauf der Kamera hätten sie bereits die vollständige Lösung. Sie vergessen dabei, dass die Kamera auch installiert und vernetzt werden muss sowie eine Stromversorgung und eventuell einen passenden Router für den Internet-Zugang benötigt. Je nach Größe des Objekts kommt noch ein NAS-Server für Aufzeichnungen hinzu. Die beschriebene Türstation beispielsweise liegt preislich in der Größenordnung von 800 Euro. Für ein fachgerecht montiertes System bezahlt ein Anwender letztendlich jedoch etwa 2.000 Euro und ist damit sogar günstig "gefahren".

Die T24-IP-Videotürstation von Mobotix eignet sich für Gegensprechanlagen sowie unbemannte Pforten. Der Wohnungsbesitzer oder Pf

Fünf Kameras überwachen alle kritischen Punkte einer Waschstraße und erlauben zudem eine automatische Toransteuerung. Bild: Net

Die IP-Kameras von Mobotix speichern Vollbilder mit höchster Auflösung ab (links: hemisphärisches Vollbild). Der Anwender erhält
LANline.

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