In den USA tobt eine heftige Debatte um das Abhören von Internet und Telefon. Das US-Parlament hat sich gegen die Forderung von Präsident Bush ausgesprochen und die geforderte Immunität für die amerikanischen TK- und Internetgesellschaften abgelehnt. Dabei geht es darum, dass diesen Straffreiheit zugesichert werden soll, wenn sie auf Anordnung der Regierung Telefongespräche oder Internetnachrichten ohne richterliche Anordnung abhören.
Die Diskussion über den US-Abhörskandal wird bislang kaum in Deutschland verfolgt, da man das Problem für eine rein inneramerikanische Angelegenheit hält – doch das ist weit gefehlt. Nahezu der gesamte internationale Telefon- und Internetverkehr geht durch die USA. Und die amerikanischen Telcos und Internet Service Provider (ISP) sind ausdrücklich angewiesen, bei entsprechenden Abhöranordnungen auch den durchgeleiteten Traffic zu überwachen. Es gibt zwar keine genauen Zahlen darüber, wie viel internationale Kommunikation über die USA läuft, doch es gibt eindeutige Hinweise darauf, dass es sehr viel sein muss. Beispielsweise fielen nach dem 11. September 2001 auch die Verbindungen von Europa nach Afrika, Südamerika und sogar nach Asien aus, weil der Telco-Megahub New York ausgefallen war. Gerade in Lower Manhattan bündelt sich der Traffic, da dort die Glasfaserkabel aus Europa, Afrika und Südamerika enden.
Auch dass der größte Teil des Datenverkehrs von Europa nach Ostasien über die USA läuft, merkte man deutlich vor einem Jahr, als ein Seebeben vor der Küste von Taiwan die Seekabel von Kalifornien nach Korea, Taiwan und Hong Kong beschädigte. Damit kam auch die Kommunikation von Europa nach Asien weitestgehend zum Erliegen.
Dass die USA das internationale Switchboard für Telefon und Internet sind, hat einfache logistische und historische Gründe. In jedem Logistikseminar lernt man, dass es bei einem freien Verteilungsprozess am günstigsten ist, wenn alle Waren zunächst an einem Punkt gesammelt werden, um sie dann von dort aus zu den Empfängern zu versenden. Und so ist es auch beim Telefon: Eine Telefongespräch von Deutschland nach Südafrika ist über den Glasfaser-Megahub in New York einfach günstiger, als wenn man von jedem Land zu jedem Land aufwändige Kabel verlegen würde.
Doch die über die USA geschickten E-Mails, Dokumente und Telefongespräche genießen kein "freies Geleit" – im Gegenteil: Die US-Regierung und das FBI haben immer wieder darauf hingewiesen, dass sie auf ihr Hoheitsrecht bei den internationalen Kommunikationsverbindungen bestehen. Folglich sollten die Europäer die Änderungen an der US-Rechtslage sorgfältig beobachten.
Bei der gegenwärtigen Diskussion um die Preisgabe von Informationen geht es in den USA darum, dass die Regierung bei Verdacht auf terroristischen Hintergrund ohne richterliche Anordnung beliebige Telefongespräche und Internetübertragungen überwachen will. Dieses fand in der Vergangenheit bereits intensiv statt. Verschiedene Bürgerrechtsgruppen wollen jetzt gegen diejenigen Telcos klagen, die dem "Regierungswunsch" nachgekommen sind, da diese ohne rechtliche Grundlage gehandelt haben. Doch die Bush-Regierung will keine solchen Prozesse und fordert eine Amnestie und Immunität für die betroffenen Gesellschaften.
Doch die Mehrheit der Democrats im Parlament hat den Vorstoß der Regierung vorerst gestoppt. Experten rechnen jedoch damit, dass im weiteren Hin und Her mit der Regierung das Parlament letztlich nachgeben wird: "Je näher die nächste Wahl kommt, desto weniger möchte ein Abgeordneter in den Ruf eines Terroristenunterstützer kommen", so der Vorsitzende des US-Justizausschusses, der Democrat Patrick Leahy.
Denn genau das ist die Argumentation der Regierung – zumal dem FBI selbst das noch nicht reicht, was bislang gängige Praxis war: "Wir benötigen eine sehr weitreichende Entscheidungsfreiheit im Kampf gegen den internationalen Terrorismus – aufwändige Bürokratie ist der Gehilfe unser Feinde", sagt Valerie Caproni, Spitzenanwältin des FBI.
Diese Diskussion zeigt deutlich, dass die IT-Chefs manchmal besser beraten sind, teure Satellitenverbindungen zu nutzen, als sich immer nur auf einfache und kostengünstige Glasfaserlösungen via USA zu stützen. Zwar kann man davon ausgehen, dass ein normales Unternehmen keine terroristischen Aktivitäten zu verheimlichen hat – aber über das Abhören könnten auch wichtige Konkurrenz- oder Akquisitionspläne in die falschen Hände geraten. "Niemand kann garantieren, dass die einmal an eine Regierungsstelle weitergeleiteten Informationen kein Eigenleben bekommen und plötzlich ganz woanders auftauchen", sagt Cindy Cohn, Chefanwältin der Electronic Frontier Foundation, eine Bürgerechtsgruppe für das Internet.
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Harald Weiss/wg