Vibe Coding: Schneller Code mit Risiko
Vibe Coding verspricht eine schnellere Softwareentwicklung durch den Einsatz generativer KI. Doch dieser Ansatz birgt auch erhebliche Risiken für die IT-Sicherheit und Compliance. Unternehmen müssten Vorkehrungen treffen, um potenzielle Schwachstellen zu identifizieren und zu mitigieren.

Stellen wir uns vor, wir betreten eine Küche, in der man nur Rezepte zurufen muss und ein Roboter sofort ein Gericht kocht. Man verlangt nach Pasta und wenige Minuten später steht ein dampfender Teller voller Nudeln mir leckerer Tomatensoße vor einem. Geschwindigkeit und Komfort sind beeindruckend – aber wenn man nie prüft, welche Zutaten verarbeitet wurden, läuft man Gefahr, etwas Ungesundes zu essen.
Genau so fühlt sich Vibe Coding an. Anstatt sorgfältig Zeile für Zeile Code zu schreiben, beschreiben Entwickler in natürlicher Sprache, was sie benötigen, und KI-Assistenten generieren den Code. Automatisierte Tools wie Copilot, ChatGPT, Claude und andere KI-gestützte Helfer, die sich nahtlos in VS Code integrieren lassen, haben diese Praxis rasant populär gemacht. Die Produktivitätsgewinne sind offensichtlich: Anwendungen, die früher Wochen brauchten, können nun in wenigen Tagen skizziert werden. Auch Menschen ohne klassischen Entwickler-Background können funktionierende Prototypen bauen. Aber wie bei dem Roboter-Koch gilt: Geschwindigkeit und Komfort können ernsthafte Risiken verdecken, wenn man nicht aufpasst.
Die Faszination von Vibe Coding
Vibe Coding ist der neue Hype in der Software-Entwicklung. Statt sich in Syntaxfehlern und endlosen Debug-Schleifen zu verlieren, kann sich ein Entwickler auf das „Was“ konzentrieren, während die KI das „Wie“ übernimmt. Für Unternehmen ermöglicht das schnellere Innovation, vermeintlich weniger Flaschenhälse und die Möglichkeit, rasch zu experimentieren.
Kein Wunder also, dass Organisationen diese Entwicklung begrüßen. Die Lücke zwischen Geschäftsidee und funktionierendem Code wird kleiner. Doch man zahlt einen Preis dafür: Je schneller man entwickelt, desto größer die Gefahr, essenzielle Sicherheitsmaßnahmen zu überspringen und in der Cybersecurity führen Abkürzungen fast immer zu teuren Konsequenzen.
Zentrale Cybersecurity-Risiken von Vibe Coding
Funktionierender, aber unsicherer Code: KI-generierter Code sieht oft sauber aus. Er läuft (bei weniger komplexen Anforderungen) und liefert das gewünschte Feature. Doch unter der Oberfläche verbergen sich unsichere Defaults, schwache Input-Validierung oder veraltete Verschlüsselung. Das ist wie ein Auto mit glänzendem Lack, aber abgefahrenen Bremsen. Wer kein Experte ist – oder auch ein gestresster Profi – bemerkt die Schwächen oft erst, wenn Angreifer sie ausnutzen.
Datenexposition im Entwicklungsprozess: KI-Assistenten analysieren in der Regel das gesamte Verzeichnis, welches im Code-Editor rsp. IDE geöffnet ist. Das heißt, sie können mehr einsehen als nur die Datei, an der man gerade arbeitet. Befinden sich im Projektordner sensible Daten, Zugangsdaten/API-Keys oder gar Produktionsdaten mit PII für Tests, kann all das im fürs Vibe Coding genutzten LLM landen. Damit entweichen geistiges Eigentum oder Kundendaten unter Umständen sprichwörtlich die Vordertür.
Überberechtigte Tools: Viele Vibe-Coding-Plugins verlangen weitreichende Berechtigungen – manchmal bis hin zum vollen Zugriff auf Repositorien oder Cloud-Infrastruktur. Das gleicht dem Szenario, einem Gast nicht nur den Haustürschlüssel, sondern auch die Tresorkombination, den Garagentoröffner und die Bank-PIN zu geben – und gleichzeitig die Kontoauszüge offen auf dem Küchentisch liegen zu lassen. Wird das Tool kompromittiert oder der Anbieter geknackt, können Angreifer umfassenden Zugriff auf die Assets erhalten.
Supply-Chain-Angriffe durch halluzinierte Dependencies: KI halluziniert manchmal Software-Pakete, die es gar nicht gibt. Wenn man dem vorgeschlagenen Namen vertraut und danach in öffentlichen Repositorien sucht, haben Angreifer leichtes Spiel. Sie registrieren Fake-Versionen dieser erfundenen Libraries z. B. auf Github oder PyPi, versehen sie mit Malware und locken Entwickler so in die Falle – mit Backdoors direkt in der Anwendung. KI-System können auch Tippfehler reproduzieren und so auf Bibliotheken mit Schad-Code verweisen (z. B. die Python-Bibliothek „requests“ für HTTP-Aufrufe könnte durch eine manipulierte Bibliothek namens „reqeusts“ ersetzt werden). Man spricht in diesem Zusammenhang vom Typo- und Slopsquatting.
Der Human Factor und Skill-Gaps: Vibe Coding senkt die Einstiegshürde. Das ist spannend – bedeutet aber auch, dass Personen mit wenig Security-Erfahrung Code für Produktionsumgebungen schreiben und pushen. Wer die KI wie einen unfehlbaren Lehrer behandelt, übersieht leicht kritische Aspekte wie Authentifizierung, Autorisierung oder sichere Fehlerbehandlung. Selbst erfahrene Entwickler können in diese Falle tappen, wenn sie annehmen, die KI wisse es besser, und Code-Reviews überspringen.
Compliance- und Governance-Blindspots: In regulierten Branchen geht es nicht nur um Funktionalität. Es braucht Audit-Logs, Schutzmechanismen für Datenverarbeitung und klare Verantwortlichkeiten bei Design-Entscheidungen. KI-generierter Code erschwert diese Pflichten massiv. Wer trägt die Verantwortung für eine unsichere Funktion, die niemand explizit geschrieben hat? Für CISOs kann diese fehlende Nachvollziehbarkeit schnell zum Governance-Albtraum werden.
Reale Konsequenzen jenseits digitaler Systeme: Nicht alle Anwendungen bleiben virtuell. In Fertigung, Gesundheitswesen oder Transport kann unsicherer Code physische Risiken erzeugen. Stellen wir uns eine subtile, KI-generierte Änderung an einer 3D-Druckdatei für ein Flugzeugteil vor. Ein winziger, unsichtbarer Fehler könnte die Stabilität des Bauteils beeinträchtigen. Was wie ein kleiner Coding-Bug wirkt, kann Leben gefährden.
Best Practices für sicheres Vibe Coding
Die Risiken sind real, aber kein Grund, Vibe Coding und KI-Codetools pauschal abzulehnen. Wie beim Cloud-Einsatz oder dem Work-from-Anywhere-Modell gilt es, Innovation zu nutzen, ohne neue Security-Blindspots zu schaffen.
Security-bewusste Modelle und Prompts nutzen: Verwenden Sie, wenn möglich, KI-Tools, die für sichere Entwicklung konzipiert oder konfiguriert sind. Schreiben Sie Prompts so, dass sie Validierung, Verschlüsselung oder sichere Defaults explizit berücksichtigen.
Den Mensch im Loop behalten: KI sollte wie ein Junior Developer behandelt werden. Sie spart Zeit und erledigt Routinen – aber kein Code darf ohne Review live gehen. Integrieren Sie Peer Reviews, automatisierte Tests und Security-Scans vor dem Deployment. Menschliche Augen entdecken Red Flags, welche die KI übersieht, und Tools erkennen gängige Schwachstellen konsistent.
Sichtbarkeit der KI begrenzen: Teilen Sie nicht mehr Informationen als nötig. Halten Sie sensible Dateien, Zugangsdaten oder Produktionsdaten aus den Verzeichnissen fern, die Sie mit KI öffnen. Testen Sie nur mit bereinigten oder synthetischen Daten. Prüfen Sie stets die angeforderten Berechtigungen – und gewähren Sie nur, was zwingend erforderlich ist („Need to know“).
Dependencies konsequent prüfen: Jede von der KI vorgeschlagene Bibliothek ist verdächtig, bis das Gegenteil bewiesen ist. Stellen Sie sicher, dass sie existiert, prüfen Sie ihren Ruf und lassen Sie sie durch Security-Scanner laufen. Dependency-Management ist schon heute ein kritischer Faktor – Vibe Coding verschärft das Problem eher, als es zu lösen.
Security in die Dev-Pipeline einbauen: Setzen Sie automatisierte Code-Scanner ein, die nach unsicheren Funktionen, offengelegten Secrets und Fehlkonfigurationen suchen. Sie wirken wie Leitplanken auf einer Bergstraße: Sie verhindern gefährliche Abweichungen, wenn Sie schnell unterwegs sind.
Kontinuierlich trainieren und schulen: Auch im KI-Zeitalter bleiben Secure-Coding-Skills unverzichtbar. Entwickler, Analysten und sogar Business-Teams, die mit Vibe Coding experimentieren, müssen die Basics von Input-Validierung, Access Control und sicherer Datenhandhabung verstehen. Am Ende bleibt der Mensch hinter der Tastatur verantwortlich.
Stimmen aus der Praxis
Vibe Coding wird in vielen Kanälen intensiv und kontrovers diskutiert. Es beschleunigt die Code-Generierung, verschiebt aber den Aufwand in die Qualitätssicherung. Vier Stimmen aus Praxis und Forschung:
- Observe, Inc. (2025): „Claude Code hat fröhlich mein gesamtes Codebase refaktoriert – und dabei die Hälfte meiner Tests kaputt gemacht. Es dauerte Stunden, um Regressionen zu finden, nach denen ich nie gefragt hatte.“
- A Vibe Coder‘s Journal (2025): „Manchmal dauert es länger, die KI-Lösung zu reparieren, als das verdammte Ding selbst zu schreiben.“
- arXiv-Studie (2025): „Der Großteil der Aktivitäten der Studierenden bestand darin, den generierten Prototypen zu debuggen und zu testen. … der Debugging-Overhead blieb erheblich.“
- Resolve.ai (2025): „Vibe Coding mag die Auslieferung beschleunigen, aber die operativen Aspekte werden schlimmer: Fehlerdiagnosen, Performance-Probleme oder unerwartetes Verhalten werden zum eigentlichen Flaschenhals.“
Fazit
Vibe Coding ist kein kurzfristiger Trend – es verändert, wie Software entwickelt wird und wer sie entwickeln kann. Wie jedes starke Werkzeug birgt es jedoch Chancen und Risiken. Für CISOs und Security-Profis geht es dennoch nicht darum, Vibe-Coding abzuwehren, sondern, es zu steuern und sinnvoll einzusetzen.
Der schnelle Code-Gewinn wird oft durch ansteigende Debugging- und Testkosten relativiert. Bemerkenswert ist auch eine Aussage von Peter Diamandis, dem Mitgründer der Singularity University im Silicon Valley: „Programmierer verschwinden im Moment nicht. Aber es ist ziemlich klar, dass Junior-Programmierer verschwinden … Diese Systeme brauchen sehr erfahrene Informatiker/Ingenieure, die sie beaufsichtigen.“
Mit Wachsamkeit, geeigneten Programmen zur Echtzeitüberwachung von KI-generierten Tools und den richtigen Best Practices können Unternehmen die Geschwindigkeit von KI-Codetools und Agenten nutzen, ohne massive Probleme mit der Betriebssicherheit zu riskieren. Cyber-Sicherheit dient auch hier als Business Enabler, weil sie von Beginn an sicherstellt, dass Innovationen zuverlässig zum Einsatz kommen können.
