»Dem Volke dienen«, dieser Propaganda-Spruch aus Maos Tagen steht auf einer Marmorwand des Bürgeramtes von Rongcheng. Yu Ganqing wartet in der hohen, offenen Halle umgeben von Säulen und Computern. Die Beamtin am Schalter sucht seinen Namen im Computer und druckt den Nachweis aus: 1.000 Punkte. Stufe A. Das bedeutet: Er ist ein »guter Bürger«, hat sich nichts zuschulden kommen lassen.
Yu Ganqing hat nicht gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen. Er zahlt seine Rechnungen. Politisch ist er nicht aufgefallen. So muss er auch nicht fürchten, im Punktesystem nach unten zu rutschen.
»Da ich verheiratet bin, muss ich auch den Bewertungsbogen für meine Frau ausdrucken lassen.« Sonst gibt es kein Darlehen.
»Es macht zusätzlich Arbeit«, klagt Yu Ganqing. Aber das Register stellt er nicht in Frage. Ob es die Leute besser macht? »Ich weiß es nicht. Vielleicht«, sagt der 30-Jährige, greift seine Papiere und eilt davon.
Lange galt das Internet als Gefahr für Diktaturen, weil Menschen sich breit informieren und sich zusammentun könnten. Doch Chinas Führer nutzen inzwischen die Datenmassen - Big Data - zur Überwachung. Mehr noch. Mit den neuen digitalen Möglichkeiten sollen die Menschen erzogen werden. »Es ist zweifellos das ehrgeizigste orwellsche Vorhaben der Menschheitsgeschichte«, sagt Sebastian Heilmann, Direktor des China-Instituts Merics in Berlin.