CRN: Welche Änderungen kommen möglicherweise im Arbeitsrecht auf uns zu?
Das ist schwer zu beantworten. Die Frage ist eher was müsste geändert werden muss, um Deutschland nach vorne zu bringen. Viele der heutigen Arbeitsgesetze gehen zurück auf die 60er Jahre und früher. Die heutigen Marktmechaniken stehen schon lange im Gegensatz zu den rechtlichen Rahmenbedingungen. Die Anforderungen der Arbeitswelt 4.0 sind heute nicht mehr oder nur schwer vereinbar mit dem bestehenden Arbeitsrecht und den Arbeitsschutzstandards. Beispielhaft, gerade auch mit Blick auf den Koalitionsvertrag sind zu nennen: die Regelungen bei der Teilzeitbefristung, der Beschränkung der befristeten Arbeit, Förderung der mobilen Arbeit, Beschäftigtendatenschutz, aber auch Unternehmensmitbestimmung, Regelungen bei der Internationalisierung und dem Betriebsverfassungsgesetz, Regelungen bezüglich Arbeitszeit und Arbeitsort. Daneben gibt es die Gesetze über psychische Gefährdungsbeurteilung, Entgelttransparenzgesetz, nebenbei noch die DSGVO. Die Liste wäre noch weiter fortzusetzen.
Explizit erwähnen möchte ich aber all die eingeführten Limitierungen und verschärften Regulierungen in der Zeitarbeit und die faktischen Einregulierungen bei der Frage der Selbstständigkeit. In einer Zeit in der die Selbstständigkeit eines der relevantesten Arbeitsmodelle der Zukunft ist, werden bei der Deutschen Rentenversicherung 1.200 neue Prüfer eingestellt um Selbstständige jeglicher Größenordnung, undifferenziert nach den ursprünglichen Beweggründen, mit geradezu brutaler Gewalt und ohne jegliche Rück- oder Weitsicht in die abhängige und pflichtversicherte Beschäftigung zu zwingen.
Die Erfahrung in Deutschland zeigt aber leider nachdrücklich, dass man glaubt alles regulieren und noch weiter regulieren zu müssen. Damit wird alles nur noch komplizierter und kann nicht anders als kollabieren. Der Weg muss zwingend über den Mut zur intelligenten aber konsequenten Deregulierung gehen.
CRN: Was muss sich im Bildungsbereich ändern, damit »Arbeiten 4.0« gelingen kann?
Greis: Wir brauchen schon seit langem eine sehr konsequente und radikale Reform des Bildungssystems und Bildungswesen. Fast alle Berufsbilder der Zukunft verfügen über einen signifikanten Anteil an IT-Kompetenz. Ohne IT sinkt die Arbeitsmarktfähigkeit dramatisch. Damit gehören IT-Lerninhalte früh zu einem wichtigen Lern-Bestandteil.
Die notwendige Re-Qualifizierung der Menschen wird vorwiegend durch die Unternehmen getrieben. Öffentliche Ausbildungssysteme können auf den neuen Bildungsbedarf nicht schnell genug reagieren. Neue, spezialisierte Unternehmen aus dem Sourcing-Kontext übernehmen hier eine zentrale Rolle. Der Wettbewerb auf Unternehmensebene wird zum zentralen Treiber der Re-Qualifizierung.