Nachdem es im Elektronischen Softwarevertrieb (ESD) keine Echtheitszertifikate in Form von COAs oder mehr gibt, ist die originale Key-Card von Microsoft oft der einzig verbleibende handfeste Herkunftsnachweis für Käufer. Eines der wichtigsten Merkmale, um dubiose Angebote erkennen zu können, ist daher meist der unrealistisch niedrige Preis. »Wenn ein Händler eine Lizenz von Microsoft Office Professional für weniger als beispielsweise 80 Euro anbietet, sollte jeder Interessent aufhorchen. Denn diese wird von Microsoft nur im Rahmen von Volumenlizenzverträgen und speziellen Sonderprogrammen für Händler und Entwickler vertrieben und hat einen Marktwert (UVP) von ca. 500 Euro«, so Gronau.
Einige der Händler begründen diese enorme Preisdifferenz damit, dass es sich um gebrauchte Software handeln soll. Eine fadenscheinige Begründung. Denn selbst seriöse Gebrauchtsoftware-Händler weisen immer wieder darauf hin, dass auch sie solche Preise für unmöglich halten. »Die unglaublich niedrigen Angebotspreise sollten Anwender eigentlich stutzig machen, aber die unseriösen Anbieter werden – beispielsweise durch den Missbrauch von Shopsiegeln – immer findiger«, führt Boris Vöge, Vorsitzender des europäischen Verbands der Gebrauchtsoftwareanbieter EUREAS gegenüber CRN aus. Bei mittelständischen und großen Firmen mit einem professionellen Lizenzmanagement sehe er hier weniger eine Gefahr. »Aber bei Selbständigen, kleinen Betrieben und privaten Kunden übersteigt der Wunsch, Betriebsmittel wie Software so kostengünstig wie möglich einzukaufen die Erkenntnis, dass an den Discountpreisen etwas faul sein muss. Diese Kunden haben dann sehr günstig – oder besser sehr teuer – nichts gekauft«, befürchtet Vöge.
Darüber hinaus wirft die Vermischung illegaler und gebrauchter Lizenzen auch auf seriöse Anbieter gebrauchter Software erneut zu Unrecht ein äußerst schlechtes Licht. Ein Umstand, der Microsoft trotz der damit verbundenen möglichen Komplikationen für Kunden nicht ganz unrecht zu sein scheint. Seit Jahren sperrt sich das Unternehmen dagegen, gemeinsam mit dem Gebrauchtsoftwarehandel sichere Lösungen für die Kunden zu finden, legale Angebote einfach identifizierbar zu machen. Schließlich will man sich und seinen Partnern keine Konkurrenz im eigenen Hause machen.