Grundsätzlich muss zuerst im Einzelfall entschieden werden, ob eine »überlegene Marktmacht« vorliegt. Dazu wird der Beschuldigte anhand vieler Kriterien mit kleinen und mittleren Wettbewerbern aus dem Markt verglichen. In den Vergleich fließen beispielsweise die Finanzkraft, die Sortimentsbreite, aber auch der Zugang zu den Beschaffungsmärkten ein. Dabei kann eine überlegene Marktmacht auch vorliegen, wenn neben dem Beschuldigten noch größere Marktteilnehmer existieren. Wichtig ist in dem Fall nur der Vergleich zwischen dem Beschuldigten und kleineren Konkurrenten.
Weiterhin fallen nur auf Dauer angelegte Preisunterbietungen unter die Verbotsnorm. Kurzfristige Werbeaktionen wie Einführungspreise bei Geschäftseröffnung oder vereinzelte Lock- und Sonderangebote sind als gelegentliche Niedrigpreisangebote nicht verboten. Doch auch hier lässt sich nicht pauschal beantworten, wie häufig »nur gelegentlich« ist. Denn auch da kommt es auf den Einzelfall an und es müssen Angebotsdauer, Regelmäßigkeit des Angebots sowie die Höhe der daraus entstehenden Wettbewerbseinschränkungen überprüft werden. Waren, die unter Einstandspreis als Sonderaktionen jeweils am Wochenende über mehr als drei Wochen angeboten werden, stuft das Bundeskartellamt beispielsweise nicht mehr als nur gelegentliche Werbeaktionen ein.
Der Begriff des »Einstandspreises« ist gesetzlich nicht definiert, wird aber durch Auslegungsgrundsätze umschrieben, die das Bundeskartellamt 2003 veröffentlicht hat. Dabei wird vom Listenpreis des Lieferanten (ohne Mehrwertsteuer) ausgegangen, von dem alle preiswirksamen Konditionen wie Mengenrabatte, Werbekostenzuschüsse sowie Verkaufsförderungsentgelte zwischen Lieferanten und Abnehmer abzuziehen sind. Der Einstandspreis darf nicht mit dem Einkaufspreis verwechselt werden, da letzterer die Kosten für die Beschaffung außer Acht lässt. Am Ende gilt es, im Einzelfall zu entscheiden, ob für die Niedrigpreise eine sachliche Rechtfertigung vorliegt. Das ist insbesondere der Fall, wenn verderbliche Ware im Lebensmittelhandel oder technisch überholte Ware im IT-Sektor schnell abgesetzt werden muss. Auch Tiefstpreise bei drohender Insolvenz sind laut Bea Brünen gerechtfertigt. Ebenso kann der Markteintritt eines Unternehmens zur Einführung Angebote unter dem Einstandspreis sachlich rechtfertigen und so rechtliche Sanktionen verhindern.
Eine Milliarde Euro Bußgeld möglich Das Bundeskartellamt hat zwei Möglichkeiten, gegen illegale Niedrigstpreise vorzugehen. Im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens darf es anordnen, das beanstandete Verhalten zu beenden. Im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens kann es zudem Bußgelder verhängen. Diese betragen im schlimmsten Fall bis zu einer Milliarde Euro. Bestimmte Verstöße können weiterhin mit einem Bußgeld von bis zu zehn Prozent des Jahresgesamtumsatzes geahndet werden. Bei der Festsetzung der Bußgeldhöhe wird sowohl die Schwere des Verstoßes als auch dessen Dauer berücksichtigt.