Social Software für das Wissens-Management

Bloggen und tweeten fürs Business

31. März 2010, 7:00 Uhr | Dr. Wilhelm Greiner

Social Media und Social Software - Lösungen zum Informationsaustausch auf Basis von Web-2.0-Technik - haben insbesondere bei den großen, endkundenorientierten Markenherstellern schon starke Verbreitung gefunden: Hier nutzt man Social Software gerne zur Ansprache externer Communities für Marketing- oder Support-Zwecke. Bei fortschrittlichen Unternehmen reicht der Dialog mit den Communities bis zur Einbeziehung der Kunden in Verkauf und Produktentwicklung. Im Fokus stehen damit neben einer direkteren und intensiveren Kundenansprache die Senkung der Support- und Produktentwicklungskosten.

Social Media und Social Software – Lösungen zum Informationsaustausch auf Basis von
Web-2.0-Technik – haben insbesondere bei den großen, endkundenorientierten Markenherstellern schon
starke Verbreitung gefunden: Hier nutzt man Social Software gerne zur Ansprache externer
Communities für Marketing- oder Support-Zwecke. Bei fortschrittlichen Unternehmen reicht der Dialog
mit den Communities bis zur Einbeziehung der Kunden in Verkauf und Produktentwicklung. Im Fokus
stehen damit neben einer direkteren und intensiveren Kundenansprache die Senkung der Support- und
Produktentwicklungskosten.

Auch beim unternehmensinternen Einsatz verspricht Social Software Fortschritte insbesondere für
die Zusammenarbeit sowie das Wissens-Management über Team- und Abteilungsgrenzen hinweg (siehe dazu
"Vom Web 2.0 zum Intranet 2.0", LANline 9/2009, Seite 10 bis 12). Denn die meist einfach zu
bedienenden Tools wie Blogs, Chats, Wikis und Microblogging (à la Twitter) sind schnell erlernt und
zumindest einem Teil der Mitarbeiter aus dem Privatleben vertraut, nicht zuletzt durch Communities
wie Xing oder Facebook. Hier kann Social Software den Ideen- und Inhaltsaustausch zum Beispiel bei
häufig wechselnden Projektteams beschleunigen oder auch Schulungskosten senken.

Der Bedarf an Werkzeugen für den Web-2.0-Dialog interner und externer Communities hat einen
schwunghaften Markt geschaffen, den anfänglich vorrangig Spezialanbieter wie Jive, Lithium,
Atlassian, Socialtext oder Leverage bedienten. Doch längst haben etablierte IT-Anbieter wie IBM,
Microsoft, EMC, Open Text, Novell oder Cisco diesen Markt für sich entdeckt (siehe "Der lange Weg
der Sozialisierung", LANline 12/2009, Seite 22 bis 25) – ganz abgesehen von Open-Source-Angeboten
wie Drupal oder Openwiki.

Viele Unternehmen näherten sich dem Thema allerdings zunächst zögerlich, auf Einzelprojektbasis
und teils schlicht per "Trial and Error". Dies hat zu Social-Software-Landschaften geführt, die oft
nur mangelhaft in die bestehenden Wissens- und Kommunikationsstrukturen der Unternehmen eingebunden
sind: Blogs, Chats und Tweets laufen parallel zum E-Mail-Verkehr, und von den
Social-Software-Profilen der Mitarbeiter landet kein Input im HR-System. Die Folge, wie leider so
oft in der IT: Insellösungen, Wildwuchs und Komplexität statt Vereinfachung.

Mangelnde Integration

"Social Media ist heute für viele Unternehmen ein strategisches Thema. Aber es hat sich
verselbstständigt und wurde oft in Form zusätzlicher Content-Silos für Wikis, Blogs etc.
implementiert", so Matthias Tausendpfund, Solution Consultant bei Open Text. "Wesentlich nützlicher
ist es, wenn Social-Media-Projekte auf den klassischen Prozessen eines Unternehmens aufbauen und
damit das vorhandene Intranet anreichern und erweitern oder helfen, vorhandene Assets wie Dokumente
besser zu nutzen."

Laut einer Umfrage von Forrester unter 170 I&KM-Entscheidern (Information- and
Knowledge-Management) stehen für die Unternehmen beim ECM und im WCM
(Enterprise-/Web-Content-Management) vor allem Verbesserungen bei der Inhaltssuche, dem Information
Sharing sowie Compliance im Fokus ("Collaboration, Search, and Complaince Drive 2010 ECM
Investments", 8.12.2009). Als wichtigsten Treiber für Investitionen nannten die Befragten das "
Content Sharing", also die gemeinsame Nutzung von Inhalten. Im Wettbewerb mit den
Social-Software-Spezialisten werben die Enterprise-IT-Ausrüster vor diesem Hintergrund sehr stark
mit der Integrierbarkeit der Web-2.0-Kommunikation in bestehende Strukturen und Prozesse. Dies gilt
für Collaboration-Anbieter (IBM/Lotus, Microsoft) ebenso wie für ECM-Größen wie Autonomy, EMC, Open
Text und Oracle. Letztere fokussieren zudem auf die Auswertbarkeit der Inhalte über Content-Silos
hinweg.

ECM-Anbieter betonen Integrierbarkeit

Ein Beispiel liefert der kanadische ECM-Konzern Open Text. Durch Eigenentwicklung und nicht
zuletzt über Zukäufe wie zuletzt die Akquisition von Vignette im Sommer 2009 verfügt Open Text
heute über ein umfangreiches Set von Lösungen für ECM und WCM, das auch Social Computing umfasst.
Die ECM Suite der Kanadier umfasst Extended Collaboration als Ergänzung zum Dokumenten- und
Content-Lifecycle-Management, zudem Communities of Practice (vormals Livelink) als
Standalone-Lösung für den Aufbau von Communities gemäß Best Practices. Das im Juli 2009
vorgestellte OTSM (Open Text Social Media) zielt als Social-Collaboration-Plattform auf die
schnelle Implementierung für relativ stark geschlossene Communities. Die kürzlich akquirierte
Vignette Collaborative Application wiederum ist für externe Communities konzipiert und bietet mit
VCS (Vignette Collaboration Services) ein Framework für individuell erstellte Social-Anwendungen.
Alle Lösungen können laut Open Text via Enterprise-Library-Services auf eine gemeinsame
Infrastruktur zugreifen.

OTSM umfasst mit dem Ziel "Social Workplace out of the box" ein Standard-Template für Personal
Dashboards ebenso wie Blogging und ein Wiki mit Wysiwyg-Editor. Zur Profilerstellung lassen sich
laut Open Text Active-Directory- oder LDAP-Inhalte einspielen. Dokumente, Bilder und Video sind im
Social-Software-Kontext nutzbar, die Lösung unterstützt zudem Social Search und den Zugriff per
Iphone und Blackberry. Ranking- und Rating-Funktionalität soll folgen.

"Die Open Text Lösungen decken heute bereits sämtliche Ausprägungen von Social-Plattformen ab",
wirbt Open-Text-Mann Tausendpfund, "ob dokumenten-, prozess- und berechtigungszentrierte
Zusammenarbeit im Unternehmen, freie Collaboration und Vernetzung im ,Social Workplace? oder den
Aufbau eines Social Webs mit externen Communities." Auf Basis der ECM Suite seien sämtliche
Strategien und Ziele umsetzbar.

Allerdings steht bei Open Text in puncto Funktionsumfang und Integration der Lösungen noch
einiges auf der Roadmap: 2010 wollten die Kanadier OTSM in Version 1.1 tiefer in die ECM Suite
integrieren, ein neuer Wiki-Editor ist geplant. Zudem will man künftig ein Widget-Framework
etablieren und Social-Media-Analyse ebenso hinzufügen wie die Einbindung externer Applikationen.
Auch Open Text Web Solutions 10.1, geplant für das erste Halbjahr 2010, soll umfangreiche
Social-Media-Funktionalität mitbringen.

Suche über mehrere Repositories hinweg

IT-Schwergewicht EMC ist nicht nur für Storage, Security, Archivierung und Virtualisierung
bekannt, sondern ist mit Documentum auch ein wichtiger ECM-Player. Für EMCs Documentum Content
Server gibt es seit Ende November 2009 mit Centerstage eine neue Client-Generation, die in ihrer
Ausprägung Centerstage Pro zahlreiche Social-Software-Features mitbringt: Der Client unterstützt
Wikis, Blogs, Diskussionsforen und RSS-Feeds; er bietet neben Tagging auch Such- und
Discovery-Werkzeuge sowie Zugriff von Smartphones aus. Auch Centerstage kann zur Profilerstellung
AD- und LDAP-Daten übernehmen. Das Management erfolgt rollenbasiert. Die drei Community-Rollen
Administrator, Contributor und Consumer sind ab Werk hinterlegt; so lassen sich in die Communities
auch externe Benutzer eingliedern, ohne dass diese im LDAP erfasst sein müssen. Für die
Strukturierung der Inhalte und Spaces bringt Centerstage eine Reihe Best-Practice-Vorlagen mit.

EMC betont bezüglich Centerstage die Vorteile des Brückenschlags zwischen dem traditionellen
Dokumenten-Management und der Web-2.0-Welt: "Documentum ermöglicht eine automatische thematische
Klassifizierung, sowohl von Informationen, die im Repository gehalten und gepflegt werden, als auch
dank Federated-Search-Services von Informationen, die in externen Informationsablagen vorliegen,"
so Stefan Weiß-Weber, Presales Manager CM & A bei EMC Deutschland. Aus Repository-Sicht seien
Blogs oder Wikis lediglich Objekttypen, was eine granulare Zugriffssteuerung erlaube: "Berechtigte
Benutzer, beispielsweise Administratoren, legen auf Objektebene fest, welche Rechte welcher
Benutzer für ein bestimmtes Objekt besitzt. Diese Rechte sind siebenstufig und hierarchisch
gestaltet."

Beim Anlegen digitaler Assets erzeugt Documentum automatisch Thumbnails, und via
Transformation-Services ist es laut EMC möglich, zum Beispiel ein Wiki als PDF-Report zu
exportieren. Das erleichtert zum Beispiel die Projektdokumentation. Zum Vorgänger Eroom ist
Centerstage nicht kompatibel, ein Abgleich der Repositories ist laut Weiß-Weber aber per
Third-Party-Tool Bulldozer möglich. Eine Expertensuche bietet Centerstage noch nicht, sie soll in
Version 1.5 folgen.

Noch näher am Social Computing als ECM-Anbieter ist der WCMS-Markt
(Web-Content-Management-System). Hier trifft man neben den ECM-Playern auch Spezialisten wie Day
Software. Days Plattform CQ5 – aktuell in der brandneuen Version 5.3 – vereint laut CTO David
Nüscheler WCM, Digital-Asset-Management und Social Collaboration. Die Social Features seien damit
über die gesamte Website verteilt, statt einen separten Bereich und Datensilo zu bilden. Als voll
dynamisches System, das komplett zustandslos arbeitet, sei CQ5 deshalb sehr gut für die
bidirektionale Web-2.0-Kommunikation geeignet. Das Problem des Rückspielens User-generierter
Inhalte ins Content Repository löst Day durch "Reverse Replication". Tags werden dem Benutzer per
Click-Stream-Cloud zugeordnet. Änderungen an der Site erfolgen laut Nüscheler einfach per Drag and
Drop, zudem habe Day mit CQ 5.3 die Social-Media-Verwaltung und das Social Calendaring aufgebohrt.
Ein neues Modul kombiniert Personalisierung, Segmentierung und Targeting für das
Online-Marketing.

Caveat: die Unternehmenskultur

Da Social-Software-Tools bequem und formlos bedienbar sind, können sie den Dialog zwischen
Mitarbeitern, Kunden, Partnern sowie Lieferanten beschleunigen und vereinfachen. Insbesondere Wikis
mauserten sich allmählich zu "Inline-Office-Umgebungen", so Nikos Drakos, Research Director bei
Gartner, im LANline-Interview. Aber gerade durch diese Formlosigkeit und Dialogorientierung eignet
sich Social Software nicht für jedes Unternehmen gleich gut – gerade die hier geforderte Offenheit
und Dialogbereitschaft erweist sich oft als Hürde bei der Social-Software-Nutzung.

Zum Beispiel ist das Knowledge-Management in manchen Firmen ein Sammelsurium kleiner
Wissenskönigreiche, die eisern verteidigt werden. "Hier gilt es, die Angst vor der
Wissensweitergabe zu überwinden", betont Oliver Tuszik, CEO und Vorstandsvorsitzender von
Computacenter. "Statt ,Wissen ist Macht? muss die Maxime lauten: ,Ich gewinne Reputation dadurch,
dass andere mein Wissen nutzen?." Diese Einstellung könne man aber nicht erzwingen. "Hier muss der
Chef ein Vorbild geben und die Bereitschaft zur Weitergabe von Wissen honorieren", fordert Tuszik.
Dem stimmt Weiß-Weber von EMC zu: "Als Mittel für die Motivation zur Teilnahme am Social Network
hat sich das Vorbild auf hoher Hierarchieebene bewährt: Der Vorgesetzte oder der Mitarbeiter an
einer Schlüsselstelle sollte mit gutem Beispiel vorangehen."

"Motivierend für die Nutzung wirken sich oft ganz praktische Dinge aus", ergänzt Tausendpfund
von Open Text. "Muss ich mir ein neues Passwort merken? Ist es kompliziert, die Social Software
anzuwenden? Erkenne ich bei der Teilnahme meinen persönlichen Benefit? Eine extrinsische Motivation
– also etwa Preise für das beste Blog – sind hier nicht langfristig zielführend. Wichtig ist, dass
der Anwender Hilfestellung für die Verbesserung seiner Arbeit ebenso erhält wie positives Feedback
für seine Mitarbeit."

Voraussetzung für den Social-Software-Erfolg ist das Denken in Teamstrukturen: "Der Wert der
Zusammenarbeit muss erkannt sein. Dafür müssen die Führungskräfte die geeignete Wertestruktur im
Unternehmen schaffen", so Computacenter-Chef Tuszik. Andernfalls könne es passieren, dass die
Bereitschaft, die neuen Tools zu nutzen, weit hinter den Erwartungen zurückbleibt: "Im Web gibt es
das verbreitete Phänomen, dass Menschen wildfremden Mitmenschen helfen, zum Beispiel bei
Computerproblemen. Dennoch wäre es ein großer Fehler anzunehmen, dass ein Forum, Blog oder Wiki im
Unternehmen genauso ?brummen? wird wie die Katzenfreunde-Website im Internet."

Zur häufig beschwerlichen Mitarbeitermotivation gesellt sich als zweites Problemfeld der
rechtliche Rahmen, in dem sich Unternehmen bewegen: "Compliance-Anforderungen erzeugen beim
Social-Software-Einsatz in Unternehmen ein Spannungsverhältnis", so Tuszik, "einerseits ein
manchmal schon fast fatalistischer Vertrauensvorschuss der Digital Natives, andererseits die
rechtlichen Verpflichtungen der Unternehmen etwa zum Datenschutz."

Als Best Practice gilt hier die Einführung von Richtlinien für das Social
Computing.

So wichtig es ist, über sinnvoll formulierte Richtlinien Hilfestellung zu geben: Allzu große
Reglementierung kann Mitarbeiter demotivieren oder gar gänzlich vor der Social-Software-Nutzung
zurückschrecken lassen. Day-Software-CTO David Nüscheler empfiehlt deshalb schlicht: "Nur
eingreifen, wenn es Probleme gibt." Man sollte die Mitarbeiter motivieren, den gesunden
Menschenverstand zu gebrauchen und nichts zu schreiben, was man nicht auch anderweitig – etwa der
Konkurrenz gegenüber – öffentlich kundtun würde. Den Rest, so betont Nüscheler, erledigt eine
mächtige Workflow Engine für die zeitnahe Moderation, denn anstößige Beiträge müsse man natürlich
schnell zurückziehen können. Dann unterhält man sich mit dem Mitarbeiter darüber, und wenn dies
trotzdem öfter vorkommt, wird der Account eben gesperrt. Dieses Vorgehen ist laut Nüscheler
effektiver als ein umfangreiches Regelwerk.


Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Lampertz GmbH & Co. KG

Matchmaker+