Bereits seit vielen Jahren gibt es für Kältemaschinen im Winter und in Übergangszeiten Unterstützung durch freie Kühlung. Diese unterscheidet sich von der kompressorbasierenden Kühlung insofern, dass entweder ein riesiges Lüftungssystem kalte Außenluft ins Rechenzentrum transportiert (direkte freie Kühlung) oder ein Wasser-Glykol-Gemisch über Rückkühler ohne Kompressorenergie abgekühlt wird. Diese Arten der Kühlung sind wesentlich effizienter als Kältemaschinen mit Kompressorbetrieb. Nur ist der ganzjährige Betrieb eines Rechenzentrums mit freier Kühlung in Deutschland wegen der hohen Außentemperaturen im Sommer oft schwierig zu realisieren. Um jedoch so viel wie möglich die Kraft der Natur nutzen zu können, legen die Betreiber die Kaltwassertemperatur immer höher aus.
Die Folge ist eine Erhöhung der Lufttemperatur im Kalt- und Warmgang. Dies bedeutet kürzere Reaktionszeiten im Störfall der Kühlung und eine erhöhte Beanspruchung des Server-Materials auch bei neuerer Prozessortechnik. Darüber hinaus benötigen Batterie- und USV-Räume eine Extrakühlung, um die geforderte Raumtemperatur von 20°C zu gewährleisten. Um diesem Effekt entgegenzuwirken, muss die Differenz zwischen Lufttemperatur und Wassertemperatur sinken, was die Leistung von Klimaschränken und In-Rows schmälert. Die Konsequenz daraus ist, dass die Innengeräte größer werden oder mehr Geräte Verwendung finden müssen, was wiederum höhere Investitionen und weniger Aufstellfläche für Racks nach sich zieht.
Um diesem Phänomen entgegenzuwirken, haben die Betreiber die adiabatische Kühlung als Methode der RZ-Kühlung wiederentdeckt: Dabei wird die Außenluft durch Hinzugabe von Wasser künstlich befeuchtet und somit abgekühlt. Das Wasser verdampft, und bei dieser Aggregatszustandsänderung kühlt sich die Luft ab. Die Lösung scheint abgesehen vom Wasserverbrauch und erhöhtem Wartungsaufwand perfekt. Wie man es jedoch betrachtet: Der Ressourcenverbrauch ist enorm, und die vorhandene Wärme verpufft meist.
Kühlung für die Wärmewende
Laut der Definition des AGFW (Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK, ehemals Arbeitsgemeinschaft für Wärme und Heizkraftwirtschaft oder Arbeitsgemeinschaft für Fernwärme) ist Rechenzentrumswärme Abwärme, also „Wärme, die in einem Prozess entsteht, dessen Hauptziel die Erzeugung eines Produkts oder die Erbringung einer Dienstleistung (inklusive Abfallentsorgung) oder einer Energieumwandlung ist, und die dabei als ungenutztes Nebenprodukt an die Umwelt abgeführt werden müsste“ (Dr. Stark, Uthoff und Miller, 2020). Wie diese Abwärme zu nutzen ist, steht bereits seit geraumer Zeit zur Diskussion. Erfolgt die Kühlung des Equipments über Luft und die Wärme wird auf Wasser übertragen, lassen sich Wassertemperaturen bis maximal 35°C erzielen. Direkte Prozessorkühlung mit Wasser – die Heißwasserkühlung – erreicht Temperaturen bis 60°C.
Es geht also um Temperaturniveaus, die für die Wiederverwertung nicht optimal sind. Denn nicht jeder kann sich ein Gewächshaus oder eine Algenfarm auf das Rechenzentrum bauen. Des Weiteren stehen viele Rechenzentren in Ballungsgebieten wie Frankfurt, Berlin oder München. Genau dort kommt der Ansatz der Wärmepumpe ins Spiel. Energieversorger betreiben ihre Fernwärmenetze zwischen 90°C und 140°C vorwiegend in Ballungsgebieten und suchen dort nach neuen Wärmequellen. Industrielle Abwärme mit mehr als 90°C, sogenannte „Eh-da“- oder „Sowieso-Wärme“ (Dr. Stark, Uthoff und Miller, 2020), ist in diesen Gebieten oft nicht ausreichend vorhanden. Großwärmepumpen können diese Lücke sehr gut schließen.
Wer bei Wärmepumpen nun an Kleinwärmepumpen im Einfamilienhaus denkt, der ist technisch nicht weit entfernt. Jedoch unterscheiden sich Industriewärmepumpen, die es schon seit mehr als einhundert Jahren auch in größeren Ausführungen gibt, gewaltig von den Geräten zu Hause. Großwärmepumpen bewerkstelligen je nach Ausführung Austrittstemperaturen von über 90°C und erreichen dabei Leistung mit einem Aggregat zwischen einem und zwanzig Megawatt. Diese Maschinen sind auch keine Erzeuger, sondern vielmehr Energieverschieber, die Wärme bereitstellen und sich aus einer Niedrigtemperatur-Quelle bedienen.
Dabei kühlen sie die Wärmequelle weiter ab. Klassisch kommen Luft, Gewässer oder Geothermie zum Einsatz. Ideal sind alle Quellen, die eine Temperatur über 0°C erreichen. Also auch Abwärme von Rechenzentren mit ihrem Kaltwasser von 20 bis 30°C. Diese sind optimal für Wärmepumpen, um auf Temperaturen von 90°C zu kommen und damit den Rücklauf von Fernwärme zu speisen. Eine Anhebung auf über 100°C ist möglich, aber ineffizienter. Um solch hohe Temperaturen zu erreichen, sind natürliche Kältemittel geradezu ideal. Mit Ammoniak erreicht man COPs (Coefficient of Performance, der das Äquivalent zum EER darstellt) zwischen drei und sechs. Dies bedeutet: Bei einem COP von sechs stellt das System mit einem Kilowatt elektrischer Energie sechs Kilowatt Heizenergie bereit.