Trends und Möglichkeiten der Abwärmenutzung

Der RZ-Faktor in der Wärmewende

26. November 2021, 7:00 Uhr | Oliver Rosteck/jos

Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Rechenzentren und Fernwärme

Zusätzlich ist mit der gleichen elektrischen Energie noch eine Kühlung möglich. Daraus ergeben sich Gesamtwirkungsgrade COPHeizen+Kühlen von bis zu neun. Dies übertrifft häufig die Effizienz von adiabatischer Kühlung. Zugegeben: Diese Rechnung ist wissenschaftlich nicht unbedingt strikt. Aber die Wirkungsgrade von Heizkesseln und Kältemaschinen sind gewöhnlich getrennt angegeben und somit ist rechnerisch auch die Bestimmung eines Gesamtwirkungsgrads möglich. Wozu benötigt jemand im Sommer die Wärme von Rechenzentren? Fernwärme dient nicht ausschließlich zur Beheizung von Gebäuden, sondern auch zu Wärmebereitstellung von Industrieprozessen. Dies waren im Jahr 2019 immerhin 595 Milliarden kWh (BDEW - Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, 2021).

Eine Einspeisung in die Fernwärme ergibt also durchaus Sinn. Die Herausforderung besteht weit weniger in der Abnahme oder der Bereitstellung von Kälte für Rechenzentren durch die Energieversorger, sondern vielmehr in der Planbarkeit der Wärme aus dem einzelnen Rechenzentrum. Fernwärme benötigt Verlässlichkeit. Selbstverständlich sind Wärmepumpen nach Bedarf regelbar, jedoch ist das System wesentlich langsamer als bei herkömmlichen Kühlmethoden. Und gerade Energieversorger müssen langfristig planen. Technisch stellen die Lösungen keine besonderen Herausforderungen dar, lediglich das Vertrags-Management muss exakter ausgearbeitet sein.

Technische Umsetzung

Die Abwärme lässt sich einerseits direkt über die Fernwärme zur Verfügung stellen. Dabei steht die Wärmepumpe meist im RZ oder in einem Maschinenhaus in der Nähe des Rechenzentrums. Bei Leistungen bis zwei Megawatt können dies auch Contai-nerlösungen sein. Ein Übergabe-Wärmetauscher sorgt für die notwendige hydraulische Trennung und die Messbarkeit der Leistung. Wo keine Fernwärme vorhanden ist, kann eine Umsetzung über ein kaltes Nahwärmenetz erfolgen.

Nahwärme

Im Unterschied zur Fernwärme beschreibt der Begriff „Nahwärme“ allgemein kleine, dezentrale Wärmenetze (Prof. Dr.-Ing. Sterner , Prof. Dr. Stadler und Eckert, 2017, S. 774). Kalt bedeutet eine Temperatur zwischen 7°C und 30°C, wobei eine einheitliche Definition in der Literatur nicht beschrieben ist.

Ähnlich wie die Fernwärme stehen diese Leitungen vielen Haushalten oder Abnehmern zur Verfügung. Jeder dieser Abnehmer hat sein eigenes Wärmepumpensystem und kann individuell Wärme entnehmen und auf seine gewünschte Temperatur bringen. Geothermie oder Rückkühler sorgen für ein stabiles Temperaturniveau. Diese Methode ist häufig bei neuen Quartierslösungen anzutreffen.

Redundanz

Auch wenn das Rechenzentrum mit Großwärmepumpen arbeitet, darf man nicht die Redundanz vergessen. Im Unterschied zu luftgekühlten Kaltwassersätzen gibt es auch dort eine nachhaltige Lösung. Oft ist eine zweite Quelle an die Wärmepumpe angeschlossen. Diese kann Abwasser, Geothermie oder Vergleichbares sein. Bei einem Ausfall der Wärmepumpe kann diese Quelle als Naturalkühlung dienen und im Fall zu geringer Last im Rechenzentrum zusätzliche Energie zum Heizen bereitstellen.

Vorteil für den Rechenzentrumsbetreiber

Im Entwurf der neuen Richtlinie für die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze, kurz BEW, locken satte Förderungsmöglichkeiten. Das Papier stellt 40 Prozent Förderung bei der Investition und maximal sieben Cent/kWh für zehn Jahre Betriebskosten in Aussicht, sofern eine Jahresarbeitszahl von 1,25 per anno nachgewiesen ist. Leider wird diese Förderung nur bereitgestellt, wenn die Anlage im Besitz des Netzbetreibers steht.

Dies muss jedoch kein Nachteil sein. Als Nutzer spart sich der RZ-Betreiber aufwendige Investitionskosten und hat die Möglichkeit, seine Abwärme unkompliziert der Gemeinde oder der Stadt zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus sorgt der Energieversorger für die notwendigen Wartungen und Sicherheitsmaßnahmen. Inwieweit diese die mögliche Förderung weitergeben, muss sich zeigen. Jedoch bieten Wärmepumpenlösungen im Zusammenspiel mit anderen nachhaltigen Techniken zahlreiche Vorteile. Vorstellbar wäre es, dass ein Rechenzentrum mit einer solchen Wärmerückgewinnungslösung nach geltenden Umweltstandards zertifizierbar ist. Dies muss der Betreiber im Einzelfall prüfen.

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© LANline

Fazit

Das Potenzial für Rechenzentren, sich an der Energiewende zu beteiligen, ist enorm. Wenn der IT-Bedarf – und davon ist auszugehen – weiter im derzeitigen Tempo wächst, dann werden moderne Betreiber nicht nur für die IT-Infrastruktur sorgen, sondern auch zu Energieversorgern einer Region heranwachsen. Gleichgültig, wie die Anreize einer zukünftigen Bundesregierung aussehen werden: Der Bedarf nach klimaneutraler Datenverwaltung und die Möglichkeit, umweltfreundlich im Internet zu surfen, wird steigen. Die Wärmerückgewinnung mit Großwärmepumpen hilft den Markteilnehmern, diese Nachfrage zu erfüllen und reduziert durch ein modernes Energie-Sharing-Prinzip die Investitions- und Betriebskosten. Große zukunftsorientierte Akteure wie MVV Energie und Vattenfall Wärme haben dies bereits erkannt und schauen auf interdisziplinäre Lösungen der Infrastruktur.

Oliver Rosteck ist Business Development Manager Large Heatpumps and District Heating bei Johnson Controls Systems & Service.


  1. Der RZ-Faktor in der Wärmewende
  2. Freie Kühlung
  3. Rechenzentren und Fernwärme

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