Modulare Klimatisierung und Stromversorgung

Effizienz in jeder Ausbaustufe

21. August 2012, 6:00 Uhr | Joachim Astel/jos, Vorstand der Noris Network AG.

Das Beispiel des neuen Nürnberger Rechenzentrums NBG6 von Noris Network soll zeigen, wie sich die Effizienz von Rechenzentren steigern lässt. Während klassische Architekturen nur in einem eng definierten Bereich optimaler Auslastung wirklich effizient arbeiten, sind im NBG6 Klimatisierung und Stromversorgung modular aufgebaut und lassen sich mit Auslastung und IT-Load skalieren.

Deutschlands einziges Testcenter für die Evaluation von Oracle Exadata Database Machines läuft in Nürnberg. Dass der RZ-Dienstleister Noris Network sich in seinem Hochverfügbarkeitsrechenzentrum NBG6 mit einem solchen "Formel-1"-Kunden schmücken kann, hat nach eigenem Bekunden etwas mit dem innovativen Konzept für Klimatisierung und Stromversorgung zu tun. Eine IT-Load von bis zu 18,1 kVA pro Rack fordert die Exadata Specs sowie eine Kühlleistung von 63.630 kJ/h. Im NBG6 ist das laut Betreiber problemlos an jedem beliebigen Stellplatz verfügbar, ohne dass hierfür spezielle High-Density-Zonen einzurichten wären. Wie jedoch lassen sich diese Werte erreichen? Ist dazu die Infrastruktur für den "normalen" IT-Betrieb hoffnungslos überdimensioniert?

Beim Bau eines Rechenzentrums müssten die Planer die Dynamik bei Server-Hardware, CPU- und Speicherbedarf für die nächsten fünf bis zehn Jahre vorhersehen können. Dies aber gelingt den Betreibern nur selten, weshalb man heute in Hochleistungsrechenzentren außerhalb von speziellen High-Density-Flächen beispielsweise keine voll besetzten Racks antrifft. Die IT-Load hat sich dynamischer entwickelt als beim Bau der Rechenzentren vorhergesehen und die für volle Racks notwendige Leistung und Kühlung kann nicht bereitstehen.

Das ideale Rechenzentrum müsste sich also in seiner Infrastruktur der in der Zukunft benötigten IT-Load anpassen und nicht umgekehrt. Dies war eine der Vorstellungen, die man bei Noris Network für die Planung des neuen Rechenzentrums konsequent verfolgte. Das neue Rechenzentrum sollte skalierbar sein und auch ohne Wasserkühlung hohe IT-Loads bewältigen können - einfach weil in den Augen der Techniker Wasser auf IT-Flächen nichts zu suchen hat.

Mitwachsende Versorgung

Was der Rechenzentrumsbetreiber Ende 2011 in Nürnberg eröffnete, war der erste Bauabschnitt eines Rechenzentrums, das auf 11.000 m² Grundfläche entsteht. Die Gesamtfläche in Bauabschnitte zu unterteilen, war ein naheliegendes und bekanntes Vorgehen. Innovativ ist nach eigenen Angaben allerdings, dass der Ausbau auch innerhalb dieser Bauabschnitte schrittweise mit der zunehmenden Nutzung vonstatten geht. Möglich werde dies durch standardisierte, autark arbeitende und damit flexibel zuschaltbare Kühl- und Stromversorgungszellen.

Diese Zellen sind räumlich getrennt zwischen den IT-Flächen und der seitlichen Gebäudeaußenwand untergebracht. So sind die Doppelzellen ohne Einfluss auf den laufenden RZ-Betrieb entsprechend dem Energie- und Kühlungsbedarf nachrüstbar. Der Einbau erfolgt komplett von außen, und zwar nach dem Tier-3-Redundanzprinzip n+1, also immer mindestens eine Einheit mehr als benötigt.

Eine Klima- und eine Energiezelle wechseln sich jeweils ab, immer auf zwei Etagen auf einer Grundfläche von 7,5 m × 12 m. Jede Energiezelle mit Anschluss an zwei unabhängige Stromleitungen umfasst einen Trafo, eine Schaltanlage sowie eine USV-Anlage mit sechs 200-kVA-Modulen und einen Dieselgenerator. Die redundante Versorgung der Server erfolgt über Stromschienen in der Decke. Dabei ist die Versorgung verlustoptimiert konzipiert: Zwischen Stromquelle und Verbraucher liegen nie mehr als 20 Meter.

Rotierende Wärmetauscher

Rechenzentren entstehen üblicherweise mit Doppelboden mit 80 bis 120 cm Abstand. In diesem Zwischenraum ist die Kaltluft unter hohem Druck zu den Racks geführt und strömt dann aus Gittern oder Bodenöffnungen an den Racks vorbei nach oben. Das NBG6 dreht dieses Prinzip. Dort strömt die gekühlte Luft direkt auf die IT-Fläche, und die Warmluft ist über eine doppelte Decke abgeführt. Die IT-Flächen sind drei Meter hoch, der Abluftbereich in der Decke darüber jedoch nochmals 3,5 Meter. Hinter diesem Konzept verbirgt sich schlichte Physik: Die Wärmetransportleistung errechnet sich aus den Faktoren Temperaturspreizung und Volumenstrom. Bei kleiner Spreizung ist ein höherer Volumenstrom nötig.

Genau darin soll der Vorteil des Kühlkonzepts im NBG6 bestehen. Jede Kühlzelle bewegt bis zu 200.000 m³ Luft in der Stunde. Dank des freien Strömungsquerschnitts auf der IT-Fläche und in der Decke fließt diese große Luftmenge fast ungehindert. Da sich die sanft bewegte kühle Luft auf der IT-Fläche wie das Wasser in einem Swimmingpool vermischt, kann jede Klimazelle jede andere ersetzen oder ergänzen. Die Kühlzellen schaffen so jeweils 850 kW Kühlleistung.

Das Funktionsprinzip der Zellen nennt sich Kyoto Cooling. Ein radförmiger Wärmetauscher aus Aluminium mit einem Durchmesser von sechs Meter dreht sich horizontal auf Höhe der Zwischendecke mit gemächlichen drei bis zehn Umdrehungen pro Minute. Er ist zugleich die einzige Verbindung zwischen zwei Räumen: Im RZ-zugewandten Raum ziehen drei Ventilatoren die warme Abluft aus dem Bereich über dem Server-Raum ab, drücken sie durch die Rippen des Kyoto-Rads, woraufhin sie abgekühlt im unteren Teil wieder zurückströmt.

Im der Außenwand zugewandten Teil saugen ebenfalls drei Ventilatoren Frischluft an, dann geht sie durch das Rad, um die im anderen Raum aufgenommene Wärmeenergie abzuführen. Dies bedeutet, dass für die Kühlung keine Außenluft ins Rechenzentrum gelangt. Um deren Feuchtigkeit oder Staubgehalt muss man sich im RZ nicht sorgen.

Effizient in jeder Phase des Ausbaus

Die Eröffnung des Rechenzentrum war Ende 2011 mit zwei Klima-/Energie-Modulen, im Endausbau werden es 18 für jeden der drei Bauabschnitte sein - also auch 18 Kyoto-Räder, 18 autarke USV-Anlagen und 18 Notstromdiesel. Dass die Ausstattung immer nach dem Prinzip n+1 ausgebaut wird (optional 2×n+1), heißt jedoch nicht, dass n Zellen auch laufen müssen. Kühlung wie auch Stromversorgung lassen sich nach Bedarf zuschalten.

Über spezielle Transferschalter sind die Systeme unterbrechungsfrei zwischen Zellen umschaltbar. Auf diese Weise können die einzelnen Energiezellen - bis auf die letzte zugeschaltete - jeweils im optimalen Betriebspunkt arbeiten. Dies ist unabhängig davon, wie viele Rechner und wo diese bereits im Rechenzentrum stehen. Es bedeutet auch, dass die Skalierbarkeit in beide Richtungen besteht: Sollte der Energiebedarf durch energieeffizientere Hardware geringer wachsen als erwartet, bleiben Versorgungsmodule einfach ungebaut oder ungenutzt und die Betriebskosten sinken.

Die bisherigen Erfahrungen bestätigen das Konzept. Zum einen ist das Kyoto Cooling sehr wirkungsvoll. Die Techniker gehen derzeit davon aus, dass das Kühlkonzept im Schnitt an über 330 Tagen im Jahr ohne jede Kompressorkühlung auskommt. In konventionellen Hochverfügbarkeitsrechenzentren sind oft bis zu 50 Prozent des Energiebedarfs für die Klimatisierung nötig. Mit der beschriebenen Technik braucht die Kühlung nur noch etwa zehn Prozent des Energiebedarfs. Dies wirkt sich direkt auf die Betriebskosten aus. Das neue Kühlkonzept bringt auch dem Nutzer mehr Flexibilität und eine Kostenersparnis.

Ein Problem bei der bisherigen Kühlung durch den Boden ist, dass sie nachträglich kaum regelbar ist und bei hoher IT-Load eine hohe Temperaturspreizung oder starke Ventilatoren benötigt. Effizient ist dieses Prinzip nur in einer gewissen Spanne an IT-Load beziehungsweise Wärmeentwicklung. So bleibt bei wachsender Wärmeleistung der Server pro Höheneinheit nur die Wahl, in den Racks viel Platz zwischen den Geräten zu lassen. Aktuell sind Racks in vielen Rechenzentren nur bis zu 25 Prozent bestückt. Die Alternative: Die Anwender mieten speziellen High Density Rack Space an, in dem die zusätzlich benötigte Kühlleistung durch eine Wasserkühlung realisiert ist.

Im neuen Nürnberger RZ kann dagegen durch die freie gleichmäßige Kühlung die gesamte Fläche als High Density Rack Space dienen - und dies bei sehr guten Effizienzwerten. Der Power-Usage-Effectiveness-Wert (PUE) des NBG6 liegt bereits heute unter 1,2 - obwohl die IT-Fläche so kurz nach der Eröffnung noch eher dünn belegt ist. Für durchschnittliche moderne Rechenzentren sind Werte zwischen 1,5 und 1,8 gute Benchmarks, bei Hochverfügbarkeitsrechenzentren sind es derzeit Werte knapp unter 2.

Der Vergleich zeigt, dass das Rechenzentrum bereits bei geringer Auslastung sehr effizient arbeitet. Doch das Kühl- und Energiekonzept über flexibel zubaubare und zuschaltbare Kyoto- und Energiezellen bietet nicht nur einen Zugewinn an Energieeffizienz, sondern auch an Flexibilität in der Nutzung der Flächen.

Das Rechenzentrum erhält seinen Strom durch autarke Energiezellen. Jede Energiezelle verfügt über mehrfach redundante Notstromanlagen, hier ein Dieselgenerator.

Blick in das neue Rechenzentrum NBG6 der Noris Network AG am Standort in Nürnberg.

Revolutionäres Kyoto-Cooling-Konzept: Über langsam drehende Kyoto-Räder (grün) erfolgt eine indirekte, hocheffiziente Luftkühlung - nur durch interne Umwälzung und ohne Einleitung von Außenluft.
LANline.

Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Wi-Fi Alliance

Matchmaker+