Der erste "IBM Quantum System One", der sich außerhalb eines IBM-Forschungslabors befindet, wurde in Ehningen bei Stuttgart der Öffentlichkeit präsentiert. Er steht Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Universitäten ab sofort für anstehende Projekte und Aufgaben zur Verfügung.
Quantencomputing gilt derzeit als eine der interessantesten Entwicklungen in Europa und weltweit. Durch die Partnerschaft von IBM und Fraunhofer soll das neue System dabei helfen, Know-how und Kompetenzen auf dem Gebiet der Quantentechnologie auszubauen und eine Experten-Community in dieser aufstrebenden Thematik zu schaffen.
Ganz hürdenfrei verlief der Aufbau des Quantencomputers allerdings nicht, berichtet Katia Moskvitch auf dem IBM Think Blog. Grund: Die Corona-Pandemie behinderte die Montageplanung, der Zusammenbau musste remote erfolgen. Aufgrund der Pandemie konnte das US-Team nicht nach Deutschland fliegen. Stattdessen griffen die IBM-Experten auf von der NASA inspirierte Techniken der Fernmontage zurück. Aus mehr als 6.400 Kilometern Entfernung arbeitete das US-Team mit den deutschen Ingenieuren des lokalen IBM-Entwicklungslabors zusammen, um den Kryostaten, ein Kühlsystem mit speziellen Zirkulationsrohren für kryogene Flüssigkeiten und den IBM Falcon Quantenprozessor, ein extrem empfindliches mikroelektronisches Gerät, zu installieren. Eine der Versandkisten wurde speziell vibrationsisoliert. Sie enthielt stoßdämpfendes Material und Halterungen, die sich verschrauben ließen, so dass sie nicht umkippen konnte. Alle Belange der Quantum System One-Installation liefen bei dem IBM-Team in Deutschland zusammen, es fehlte aber die Erfahrung im Zusammenbau des gesamten Systems. Also entwickelten die Amerikaner einen ausführlichen Kurs in Quantenmontage für die deutschen Ingenieure.
Noch sei Fraunhofer der einzige Standort außerhalb der USA, der ein IBM Quantum System One besitzt,so Moskvitch. Doch das Interesse an Quantentechnologien sei in den vergangenen zehn Jahren stetig gestiegen. Auf fast allen Kontinenten gebe es mittlerweile Quantencomputing-Start-ups, und neben IBM machen auch andere Tech-Giganten Fortschritte auf diesem Gebiet. Insgesamt könnte sich der globale Markt für Quantentechnologien in Kürze auf nahezu 22 Milliarden US-Dollar belaufen.
Und auch der Fachkräftemangel mache der Branche in diesem Bereich zu schaffen, so Moskvitch weiter: "Es gibt aber auch ein paar Hürden, die überwunden werden müssen. Denn auch wenn Investitionen in die Forschung und die Forschung selbst extrem wichtig sind, werden sie nicht ausreichen, um die Diskrepanz zwischen der Entwicklung des Quantencomputings und einer groß angelegten Kommerzialisierung zu überwinden. Nur ein Bruchteil der Unternehmen ist derzeit in der Lage, eine derartige Technologie sinnvoll zu nutzen. Den meisten Unternehmen fehlt es an den geeigneten Mitarbeitern, die Quantencomputer nutzen, irgendeine Art von Quantenprogrammierung durchführen können oder auch nur eine Vorstellung davon haben, wie ein Quantencomputer ihnen helfen könnte. Es gibt nur wenige konkrete Quantentechnologie-Trainings oder -Weiterbildungsoptionen und nur wenige Stellen, in denen Quantencomputer-Kenntnisse gefordert werden."
Die IBM-Quantencomputer können laut IBM bereits heute vielversprechende Anwendungen in verschiedensten Branchen und Wissenschaftsbereichen vorweisen. Sie sind darauf ausgelegt, die komplexesten Probleme unserer Welt zu lösen, bei denen heutige Supercomputer an ihre Grenzen stoßen und die sie auch nie lösen werden. Die Fähigkeiten von Quantencomputern – der Software und auch der Hardware – hätten das Potenzial, künftig eine zentrale Rolle bei der Bewältigung großer gesellschaftlicher Herausforderungen wie Nachhaltigkeit, Klimawandel und öffentliche Gesundheit zu spielen.
Arvind Krishna, CEO and Chairman IBM: "Ich freue mich sehr über den Start des IBM Quantum System One in Deutschland, dem leistungsstärksten Quantencomputer in Europa. Dies ist ein Wendepunkt, von dem die deutsche Wirtschaft, Industrie und Gesellschaft stark profitieren wird. Quantencomputer versprechen, völlig neue Kategorien von Problemen zu lösen, die selbst für die leistungsstärksten konventionellen Computer von heute unerreichbar sind."