Das Rechenzentrum, das im April in Lupfig bei Zürich die Pforten öffnete, ist nicht nur deshalb ein "grünes" RZ, weil der Betreiber "Green" heißt oder weil es auf der grünen Wiese entstanden ist. Vielmehr setzt der Betreiber auf Gleichstromtechnik von ABB und passende Proliant-Server von HP. Dies soll den Stromverbrauch wie auch die Kosten deutlich senken. Der Hype um das Thema Green IT, das vor der Finanzkrise in aller Munde war, ist längst abgeebbt. Doch der Druck, im RZ Strom zu sparen, bleibt. So lag das weltweite Datenaufkommen laut IDC 2011 bei 1,8 ZBytes, für dieses Jahr erwarten die Marktforscher 2,7 ZBytes ("IDC Predictions 2012"). Diese Daten zu verarbeiten verursacht enorme Energiekosten. Damit wird es für RZ-Betreiber interessant, sich mit Gleichstromversorgung zu befassen, die zwar in der Telko-Welt verbreitet, in der IT aber ein Exot ist.
"Gleichstromtechnik im RZ spart gegenüber Wechselstrom zehn Prozent Energie, da die Umwandlung von Wechselstrom zum Gleichstrom für den Server-Betrieb entfällt", so Tarak Mehta, Executive Vice President der Low Voltage Products Division beim Industrieausrüster ABB, "und dies bedeutet zugleich weniger Kühlungsaufwand." Statt fünf Schritten für die Stromwandlung seien nur noch zwei nötig, zudem spare man die USV: Notstrombatterien könne man direkt an die Gleichrichter anschließen, die den Hochspannungs-Wechselstrom des Energieversorgers in 380-Volt-Gleichstrom wandeln. Dies senke den Platzbedarf im RZ um 20 Prozent.
Vor diesem Hintergrund haben sich schon mehrere RZ-Betreiber für Gleichstrom entschieden, darunter Facebook in Oregon oder auch SAP für sein RZ im kalifornischen Palo Alto. Nun geht mit Green auch ein europäischer Provider diesen Weg. Green - der Name hat übrigens nichts mit "Green IT" zu tun, sondern rührt daher, dass man ursprünglich IT-Services für die Landwirtschaft lieferte - offeriert heute an vier Schweizer Standorten Datacenter- und Internet-Services sowie Web-Hosting. 2008, so Green-Chef Franz Grüter, habe man den Plan gefasst, in Lupfig ein neues RZ auf der sprichwörtlichen "grünen Wiese" zu errichten, 2010 habe der Bau begonnen. Im Dezember 2011 war das erste von drei geplanten Modulen fertig. Nach dem Abschluss der Testläufe im April 2012 konnte das RZ den Betrieb aufnehmen. Das Modul A bietet nun auf 3.300 Quadratmetern Stellfläche für bis zu 1.100 Racks. Zwei weitere Module sind geplant, sodass das RZ auf rund 10.000 Quadratmeter Fläche kommt. Hinzu gesellen soll sich ein Office-Gebäude, das Green mit der RZ-Abwärme beheizen will. Die Gesamtkosten beziffert Grüter mit 100 Millionen Schweizer Franken.
Das Datacenter Zürich West, so Green-CEO Grüter, sei das erste Tier-III-zertifizierte RZ in der Schweiz und erreiche einen PUE-Wert (Power Usage Effectiveness) von 1,4. Das RZ benötigt also insgesamt nur die 1,4-fache Strommenge wie für den eigentlichen IT-Betrieb erforderlich - viele Rechenzentren schaffen gerade einmal den PUE-Wert 2. Green nutzt Wärmetauscher und Wasserspeicher, deren Wärme nachts über freie Kühlung auf dem RZ-Dach abgeführt wird. In den Server-Räumen lässt Green Temperaturen von 30 Grad zu, bevor man aktiv kühlt, es gibt aber auch Kaltgangeinhausungen. Sieben Glasfasern sorgen für hochverfügbare Anbindung, fünf 2.000-kVA-Dieselgeneratoren springen bei Stromausfällen ein, zur Überbrückung dienen Bleibatterien.
Auf Server-Seite kommen HP-Proliant-Maschinen zum Einsatz. Diese lassen sich laut Ron Noblett, Vice President Infrastructure, Industry Standard Servers bei HP, flexibel mit Wechsel- oder Gleichstromnetzteilen bestücken. Für das zweite Halbjahr 2012 seien zudem 380-Volt-Netzteile geplant, sodass sogar die Wandlung von 380 Volt auf 12 Volt entfallen könne.
Wenige Wochen nach der Eröffnung ist das RZ laut Grüter zu 71 Prozent ausgelastet. Zwei Drittel der Server-Bestände arbeiten konventionell mit Wechselstrom, das restliche Drittel - bestehend aus den Servern von HP, ABB und den Green-eignen Maschinen für das Hosting - mit Gleichstrom. Gleichstromtechnik sei weniger komplex und damit verlässlicher, zudem erziele Green 20 Prozent Ersparnis bei Stromversorgung und Kühlung, so Grüter: "Wenn es mehr kostet, nehmen es die Kunden nicht an. Diese Technik bringt Green einen Wettbewerbsvorteil."
Der Autor auf LANline.de: wgreiner