Du weißt, dass der KI-Hype den Gipfel erreicht hat, wenn sogar die „Apotheken Umschau“ das Thema aufgreift. Im Trubel all dieser Gipfelstürmerei verkündet mit HPE ein weiterer Tech-Gigant seinen Einstieg in den KI-Cloud-Markt. Der Konzern betont dabei nicht nur das Potenzial für mehr Produktivität, sondern auch die Nachhaltigkeit seines Angebots.
„Digitaler Arztersatz? Ein Gespräch mit ChatGPT“ titelte kürzlich das erwähnte Fachblatt für den medizinisch interessierten Laien, und schon letztes Jahr: „So könnte KI künftig Krankheiten vorhersagen“. In der Tat gilt künstliche Intelligenz als Hoffnungsträger für die wissenschaftliche Forschung. Längst gibt es erste Erfolge: KI erkennt Parkinson anhand von Veränderungen des menschlichen Atems, lange bevor ein Arzt es könnte; und sie kann Lungenkrebs bei Risikopatienten ein bis sechs Jahre vor Ausbruch der Krankheit vorhersagen.
Im Zentrum gipfelstürmerischen Interesses stehen indes nicht Biomarker-Analysen, sondern generative KIs in Form großer Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs) wie GPT-3 und -4 (Generative Pre-trained Transformer). Denn auf dieser Transformertechnik basiert das Konversations-Add-on ChatGPT – und der Chatbot hat, weit mehr als alle lebensrettende Medizinforschung, der breiten Masse vor Augen geführt, was mit KI alles möglich ist. So könnten sich Forschungsteams mit KI-Zusammenfassungen viel schneller über den globalen Forschungsstand informieren als mit manuellen Mitteln.
Nun arbeiten allerdings die wenigsten Menschen an der Speerspitze medizinischer oder sonst irgendeiner Forschung. Manche interessiert an ChatGPT vielmehr: Man kann Hausaufgaben an einen Bot delegieren! Ebenso das Schreiben von Bewerbungen, Blog- oder Linkedin-Posts etc. Mit passendem Prompt Engineering (geschicktes Verfassen der Vorgaben) dient ChatGPT als Planer von Marketing-Kampagnen oder Souffleur für das nächste Date – Cyrano de BergeracGPT. Findige App-Entwickler haben es sogar ermöglicht, den Chatbot für das Beantworten von WhatsApp-Nachrichten heranzuziehen, wenn der Nutzer dazu intellektuell nicht in der Lage oder schlicht zu faul ist. Das Einsatzspektrum der KI scheint unbegrenzt: Es reicht von grenzenlos hilfreich bis grenzenlos bescheuert.
Neben dem Risiko bequemlichkeitsbedingter Verblödung – als Deutscher und damit amtlich zertifizierter Bedenkenträger fühle ich mich zu diesem Hinweis verpflichtet – birgt generative KI weitere Risiken. Zunächst: ChatGPT halluziniert. Der ChatBot ist eine Konversations- und keine Wahrheitsmaschine. Da die Antworten aber so überzeugend klingen, übernehmen viele Nutzer sie ungeprüft, was der Verbreitung von Falschnachrichten Tür und Browserfenster öffnet. Die unerträgliche Leichtigkeit des Prompts dürfte eine Flut KI-generierter Inhalte bewirken. Die zunehmende Schwierigkeit, KI-generiertes von echtem Material zu unterscheiden, kulminiert wiederum schnell in Misstrauen und Desinteresse. Beides nagt am gesellschaftlichen Zusammenhalt – von gezielten Fake-News-Kampagnen ganz zu schweigen.
Und schließlich: Delegiert der Mensch etwas an Hard- oder Software, steigt stets der Energieverbrauch. Das galt schon für Dampfmaschine und Verbrennermotor, es gilt heute für vollautomatisierte Robotik am Fließband ebenso wie für die vollautomatisierte Fließbandproduktion von Bot-Texten. Hochrechnungen gehen davon aus, dass das Training – wohlgemerkt: nur das Training, nicht die Nutzung – von OpenAIs GPT-3 500 Tonnen CO2 erzeugt hat, das von Metas Konkurrenzmodell OPT hingegen „nur“ 75 Tonnen. Ein Forschungspapier der University of Massachusetts in Amherst ergab 2019: Das Training eines einzigen KI-Modells kann so viel CO2 erzeugen wie fünf Autos über deren gesamten Lebenszyklus hinweg. Fünf US-amerikanische Autos!
Digitale Blechlawine
Ein KI-Modell ist noch kein Problem, ebenso wenig fünf PKW. Diese aber wachsen zur endlosen Blechlawine, wenn Hinz und Kunz anfangen, in jeder Lebenslage KI zu nutzen, zeitgleich mit der Hinz AG und der Kunz GmbH, den Behörden von Hinzenheim und Kunzenhausen sowie natürlich Klein-Hinzchen und Klein-Kunzchen für ihren Schul- und Smartphone-Daddel-Alltag. Dank Cloud skaliert das global: Kunzenhausen ist überall.
Der Kunzenhausener Alltag ist keine ferne Zukunftsmusik mehr: „2023 wird als historische Zeitenwende in Erinnerung bleiben“, sagte Antonio Neri, President und CEO von HPE, jüngst bei seiner Keynote auf HPEs Kundenveranstaltung Discover in der Carbon-Footprint-Hölle Las Vegas. Neri rückte natürlich vor allem die Vorteile der KI für HPEs Unternehmensklientel in den Fokus: „KI schafft Superkräfte für Ihr Business“, sagte er.
Keine Superkräfte ohne Supercomputer. HPE ist seit der Übernahme von Cray 2019 eine große Nummer im Supercomputing-Business: HPEs Frontier-System durchbrach letztes Jahr als erster Großrechner die Exascale-Schallmauer. Frontier, gebaut für das Oak Ridge National Laboratory (ORNL) des US-Energieministeriums, belegt seither Platz 1 der Top500-Liste der supersten Superrechner. Zugleich eroberte er als energieeffizientester Großrechner Platz 1 der Green500-Liste, heute liegt er hier auf Platz 2.