Die vierte industrielle Revolution erfordert leistungsfähige, flexible und vor allem kompakte Anschlusslösungen für die dezentralen Automationsteilnehmer. Der M12-Standard kristallisiert sich in diesem Umfeld immer stärker als Universallösung heraus, denn er bietet Anwendern weltweit eine hohe Zukunftssicherheit.
Das Leitbild "Industrie 4.0" steht für nicht weniger als die Revolution der industriellen Produktion. Ein Kerngedanke dabei ist die Dezentralisierung intelligenter Mess-, Regel- und Steuerungsfunktionen. Umso autarker Automationsteilnehmer wie Sensoren und Aktoren direkt im Feld arbeiten können, desto einfacher und flexibler kann der Betreiber sie an neue Produktionsbedingungen anpassen, und zwar ohne eine Modifizierung der gesamten Kommunikationsstruktur.
Dieser Trend - weg vom großen zentralen Schaltschrank hin zu kompakten dezentralen Komponenten - geht einher mit einem anderen Trend: hin zur leistungsfähigen, flexiblen und kompakten Versorgung der Feldteilnehmer mit Signalen, Daten und Leistung. Für Gerätehersteller, Anlagenbetreiber und Wartungspersonal zählen dabei vor allem Eigenschaften wie Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit.
Die kompakten und dennoch leistungsfähigen Steckverbinder der Baugröße M12 erfüllen diese Anforderungen auf besonders gute Weise. Sie sind seit den 1990er-Jahren als Industriestandard für Signal- und Datenanwendungen weitgehend etabliert. Dank ihrer Zuverlässigkeit und der internationalen Standardisierung sind sie mittlerweile weltweit zum Synonym für die industrielle Feldverkabelung geworden.
Bei der Entwicklung und Weiterentwicklung des M12-Standards hat Phoenix Contact bis heute einen hohen Anteil. Nachdem mit bis zu 17-poligen Ausführungen für Signalanwendungen sowie mit der X-Kodierung für vierpaariges Ethernet nach Kategorie 6A lange Zeit das technisch Machbare erreicht schien, wagte der Hersteller 2010 erstmals den Blick über den Tellerrand hinaus: Warum das Polbild des M12-Steckverbinders nicht auch daraufhin testen, wie viel Leistung sich übertragen lässt? Die Vision dabei: Standardisierte Lösungen für die immer kompakteren Automatisierungsgeräte - und damit ein vollständiges und einheitliches Programm zur Signal-, Daten- und Leistungsversorgung zu etablieren. Erste Tests waren vielversprechend. Die S-kodierten Ausführungen mit vier Polen (3 + PE) waren für bis zu 630 V und 12 A geeignet. Exakt diese Spezifizierung ging 2011 mit der ersten Generation der Familie "M12 Power" auch in die Norm IEC 61076-2-111 ein.
Da die bereits etablierten M12-Rundsteckverbinder für Signale und Daten technisch betrachtet Kleinspannungs-Steckverbinder im unteren Leistungsbereich waren, lag es nahe, parallel auch für diese Anwendungsbereiche ein entsprechendes Polbild zu entwickeln. Das Ergebnis: T-kodierte Steckverbinder für maximal 63 V und 12 A DC. Die Kodierung eignete sich einerseits hervorragend für die Spannungsversorgung üblicher Gleichstromgeräte mit 24 V oder 48 V. Andererseits bot die Spannungsbegrenzung der verstecksicheren Kodierung genug "Sicherheitsabstand", um nicht in Drehstrom- oder Leistungsnetzen eingesteckt zu werden.
Die S- und T-kodierten Rundsteckverbinder deckten damit sowohl das untere als auch das obere Leistungsspektrum ab. Schnell wurde jedoch deutlich, dass Applikationen wie Feldbusmodule, Drehstrommotoren oder Umrichter ganz eigene Anforderungen an die Feldverkabelung stellen. Um - wortwörtlich - noch mehr Power aus dem M12 zu holen, mussten die Techniker das ursprüngliche Polbild daher neu konzipieren. Seit den 1980er Jahren hatten die Buchsenkörper der ursprünglich als Sensoranbindung entwickelten, vierpoligen M12-Steckverbinder einen Durchmesser von 8,2 mm. Die so erzielten Luft- und Kriechstrecken reichten aus, um eine sichere Leistungsübertragung zu gewährleisten. Mit der Erweiterung des Polbildes auf fünf beziehungsweise sechs Kontakte musste der Buchsenkörper jedoch wachsen, um die erforderlichen Luft- und Kriechstrecken auch weiterhin einzuhalten.
Die Buchsenkörper der von Phoenix Contact neu entwickelten und in die Normierung eingebrachten K-, L-, und M-Kodierungen weisen daher durchgängig einen Durchmesser von 8,7 mm auf. Dies ist eine Steigerung von gerade einmal sechs Prozent - mit einer jedoch um mehr als 30 Prozent erhöhten Leistung von bis zu 10 kW. Obwohl der um 0,5 mm vergrößerte Durchmesser eine reduzierte Wandstärke des umgebenden Gewindekörpers aus Zinkdruckguss bis an die Grenze des sinnvoll Machbaren bedingte, bieten die kompakten M12-Anschlüsse alle Sicherheitsmerkmale der großen Industriesteckverbinder - ob rund oder rechteckig: EMV-Schutz mit 360-Grad-Schirmung, voreilende Schutzerde und eine hohe Schutzart bis IP67. Welche Rolle die internationale Normierung für den Erfolg des M12-Standards spielt, zeigt das Beispiel der 7/8-Zoll-Steckverbinder. Selbst in angestammten Märkten wie den USA oder Asien verliert der Quasi-Standard zunehmend an Bedeutung. Seine unvollständige Normierung, das nicht-metrische Kupplungsgewinde sowie die im Vergleich zur übertragbaren Leistung großen Abmessungen führen dazu, dass der zöllige Steckverbinder bei neuen Gerätegenerationen oder Verkabelungskonzepten nach und nach verschwindet.
Dies zeigt auch folgendes Beispiel: Die Nutzerorganisation Profibus and Profinet International (PI) hat L-kodierte M12-Steckverbinder inzwischen als künftigen Standard für die Niederspannungsversorgung von Automatisierungskomponenten mit 63 V und 16 A beschrieben. In Abhängigkeit vom EMV-Konzept des anzuschließenden Geräts sind vierpolige Ausführungen ohne Funktionserde (teilbestückt) oder mit Funktionserde (optisch kodiert, mit grauem Kontakteinsatz) definiert.
Das Beispiel zeigt, wie wichtig das Zusammenspiel aus herstellergetriebener Innovation und übergreifender Normierung ist. Dieses Zusammenspiel bildet einen der Eckpfeiler der vierten industriellen Revolution, denn nur so können neue technische Lösungen und bestehende Industriestandards zusammenwachsen und damit die Basis für eine breite Marktakzeptanz schaffen. Letztlich profitieren Hersteller und Anwender gleichermaßen von der hohen Investitions- und Zukunftssicherheit standardisierter und dennoch maßgeschneiderter Anschlusslösungen.
Dieser Gedanke setzt sich bis in das Gerätedesign fort. Die immer höher werdenden Packungsdichten auf den Leiterplatten elektronischer Geräte erfordern entsprechend kompakte und trotzdem leistungsfähige Schnittstellen zur Feldverkabelung. Auch in diesem Umfeld bietet die einheitliche mechanische Plattform der kompakten M12-Steckverbinder eine effiziente Lösung.
Phoenix Contact hat bereits vor mehr als zehn Jahren die ersten zweiteiligen M12-Steckverbinder für die direkte Leiterplattenmontage entwickelt. Der zweiteilige Aufbau mit einem Kontaktträger-Element und einem separaten, metallischen Gehäuseteil erlaubt einerseits die einfache Integration in automatisierte Pick-and-Place- und Lötprozesse. Andererseits können Anwender mit dem modularen Baukasten alle Polbild-Varianten auf einem identischem Leiterplatten-, Frontplatten- und Gehäuseniveau realisieren. So entfällt der konstruktive und prozessuale Aufwand für die Mischbestückung unterschiedlicher Anschlusslösungen zur Signal-, Daten- und Leistungsübertragung.
Leistungssteckverbinder in der Baugröße M12 ergänzen das durchgängig genormte Steckverbindersystem. Kodierungen für unterschiedliche Leistungsbereiche und Anwendungsgebiete ermöglichen leistungsfähige, flexible und kompakte Anschlusslösungen in der Automatisierungs-, Antriebs- oder Gebäudetechnik sowie in Infrastruktur- und in Outdoor-Anwendungen. Dank der etablierten Gewindegröße können Anwender auch künftig auf einfacher Weise weitere Automatisierungskomponenten in ihre Verkabelungslösung einbinden und so ihre Produktion flexibel an neue Anforderungen anpassen.