Rechenzentrumsbau

Nachhaltigkeit lässt sich planen

12. Juli 2022, 15:28 Uhr | Autor: Herbert Radlinger / Redaktion: Lukas Steiglechner
© Gstockfaces & rasslava / 123rf

Der Rechenzentrumsmarkt wächst stetig, so entstehen in Deutschland viele neue Datacenter. Die Bauvorhaben sind jedoch ressourcen- und energieintensiv, was mit einem nicht zu unterschätzenden CO2-Fußabdruck der Infrastruktur einhergeht. Umso wichtiger ist es, den Prozess möglichst präzise zu planen.

Rechenzentren sind eine wichtige Infrastrukturgrundlage der weltweiten Digitalisierung. Sie stellen sicher, dass 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche E-Mails zugestellt, Videos gestreamt und Daten aus Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung in der Cloud verarbeitet werden können. Und die Zahl der Rechenzentren nimmt kontinuierlich zu, da immer mehr Zeit online verbracht wird und immer neue Technologien entwickelt werden. Der deutsche Rechenzentrumsmarkt wird aktuell auf rund fünf Milliarden Euro geschätzt, bei einer jährlichen Wachstumsrate von 2,3 Prozent. Jedoch verursachen diese so notwendigen Gebäude auch einen enormen Stromverbrauch und CO2-Fußabdruck.

Es bestehen bereits zahlreiche Ansätze, diese Auswirkungen im Betrieb auszugleichen, beispielsweise durch eine effiziente Abwärmenutzung. Doch auch der Bau von Rechenzentren spielt eine wichtige Rolle, wenn Nachhaltigkeitsziele verfolgt werden. Laut des „2021 Global Status Report for Buildings and Construction“ des United Nations Environment Programme entfallen insgesamt 37 Prozent der energiebezogenen CO2-Emissionen weltweit auf Bauprojekte. Denn dort greifen viele ressourcenintensive Prozesse ineinander, die gut geplant und strukturiert sowie auf eventuelle unvorhersehbarere Ereignisse vorbereitet werden müssen.

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Aktuelle Lage der Bauindustrie

Generell sind der Planungsprozess, der Bau an sich und die Wahl der Materialien mitverantwortlich, wie klimaneutral ein Rechenzentrum am Ende ist. Um effizient zu bauen und keine Materialien zu verschwenden, müssen diese drei korrelierenden Aspekte als Gesamtprozess betrachtet werden. Oft nimmt das Bauen jedoch zu viel Zeit in Anspruch und ist in sich nicht stimmig. Bei vielen Prozessen ist erst in der Bauphase erkennbar, dass sie nicht von Anfang bis Ende durchdacht sind. Zum Beispiel werden Schnittstellen nicht klar definiert, Richtlinien missachtet und Ressourcen ineffizient eingesetzt. Dadurch gibt es auf Baustellen immer wieder Peaks und Lows, weil bestimmte Materialien im Überschuss vorhanden sind, während andere fehlen. Die Folge ist ein „Stop and Go“ auf der Baustelle. Idealerweise sollten Bauprozesse aber so aufeinander abgestimmt sein, dass es keine Überschneidungen oder Leerzeiten gibt. Für jeden Arbeitsschritt ist eine gewisse Zeitspanne einzuhalten, bis der nächsten Prozessschritt erfolgt. Je nachdem, wie kurz die Taktzeiten der Prozesse sind, lassen sich mit einer guten Planung 40 bis 60 Prozent an Zeit einsparen.

Höherer Stellenwert für die Planung

Bei einer Taktplanung ist genau festzulegen, welcher Schritt zu welcher Zeit und mit welchem Aufwand an Personal und Ressourcen erledigt werden muss. Die einzelnen Takte müssen gleich groß sein, damit es nicht zu Engpässen oder Leerläufen kommt. Mithilfe spezialisierter Abstimmungssoftware lässt sich beispielsweise berechnen, wie viel Zeit die einzelnen Schritte in Anspruch nehmen und welche Materialien sowie Mitarbeiter zu welchem Zeitpunkt benötigt werden. Auch kurzfristige Änderungen auf der Baustelle sind einkalkuliert, um die Effizienz beizubehalten. Sogenannte Gantt-Charts geben wiederum Transparenz zu abgeschlossenen Schritten und legen gleichzeitig offen, welche noch zu finalisieren sind. So lassen sich im Nachhinein die einzelnen Dienstleister entsprechend abrechnen, da dargestellt wird, wie viel Zeit und Ressourcen in die einzelnen Prozesse gelaufen sind.

Neben der Bauphasenplanung ist auch die Planung des Objekts ausschlaggebend. Bei der Objektplanung ist ein digitales 3D-Modell des Gebäudes im Vorfeld zur Veranschaulichung dienlich. In dem 3D-Modell kann bei jedem Bereich der Baustelle ein Attribut zugeordnet werden. Dieser digitale Zwilling stellt das Rechenzentrum so dar, wie es am Ende aussehen soll. Dabei ist vor allem das „Level of Detail“ (LOD) bedeutend. Das 3D-Modell muss mit detaillierten Informationen zu jedem einzelnen Prozess angereichert werden, um diese detailgetreu darzustellen. Dafür müssen vor allem Schnittstellen zwischen den einzelnen Prozessen klar definiert sein. In speziellen Datenbanken können alle Informationen, beispielsweise zum Materialfluss, gesammelt werden. Diese Daten lassen sich wiederum in das Modell einspeisen. Daraufhin kann durch Augmented Reality ein detailliertes, visualisiertes 3D-Bild geschaffen werden. Mit entsprechender Hardware – wie einer AR-Brille – lässt sich dann veranschaulichen, wie das Objekt am Standort aussehen wird. Auf der anderen Seite lässt sich so während des Bauprozesses vergleichen, ob tatsächlich so gebaut wurde wie geplant.

Die gesamte Lieferkette betrachten

Beim nachhaltigen Bau eines Datacenters spielt auch die gesamte Lieferkette der eingesetzten Materialien eine entscheidende Rolle. Das beinhaltet die Scope-3-Emissionen, die jeder einzelne Rohstoff innehat. Diese machen oft den Großteil der gesamten Treibhausgasemissionen aus und sind nicht vom Unternehmen direkt beeinflussbar. Dazu gehören die Gewinnung, die Produktion, die Lieferung sowie die Verarbeitung und die schlussendliche Entsorgung beziehungsweise Wiederverwendung – also der gesamte Lebenszyklus. Dabei sind neben CO2 auch alle weiteren umweltgefährdenden Stoffe zu berücksichtigen. Um diese Emissionen eindeutig mit einzuberechnen, braucht es Datenbanken. Zu Stahl, Beton und Zement gibt es bereits einige aussagekräftige Daten. Anders sieht es beim Equipment aus, das im Rechenzentrum verbaut wird. Und vor allem diese Daten sind wichtig, um den tatsächlichen CO2-Fußabdruck zu errechnen. Denn bei einem Rechenzentrum entfallen ungefähr 30 Prozent der Emissionen auf die Gebäudehülle, aber 70 Prozent auf die Technik – also die Gebäudeausstattung wie Verkabelung, Kühlsysteme oder auch die Sicherheitstechnik. Die jeweiligen Zulieferer müssen daher Aufschluss darüber geben, welchen Fußabdruck ihre zu verbauende Technik aufweist. Nur so lässt sich ein Gesamtbild des Gebäudes erstellen.

Herbert Radlinger, VP Projects & Solutions bei NDC-Garbe

So bilanzieren sich CO2-Emissionen

Jeder hinterlässt einen ökologischen Fußabdruck, Menschen wie Unternehmen. Aber wie können Unternehmen ihren Fußabdruck erfassen und verstehen? Für diesen Zweck haben mehrere NGOs mit wissenschaftlicher Unterstützung das Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol) entwickelt. Auf diesem Protokoll bauen zudem zahlreiche weitere Standards auf.

Das GHG Protocol unterteilt die verursachten Emissionen in drei Bereiche (Scopes):

  • Scope 1 umfasst alle direkten Emissionen, die aus den Aktivitäten eines Unternehmens resultieren. Dazu gehören Wärme-, Kälte und Dampferzeugung, aber auch Fahrzeuge des Unternehmens.
  • Scope 2 beinhaltet die indirekten Emissionen aus Strom, Wärme und Dampf, die Unternehmen einkaufen. Dieser Bereich wurde im Jahr 2015 mit einer Leitlinie für Unternehmen ergänzt, damit diese akkurat ihre Emissionen in diesem Bereich erfassen können.
  • Scope 3 besteht aus den weiteren indirekten Emissionen, die aus der Lieferkette stammen. Also Emissionen, die einen externen Ursprung haben. Dieser Ursprung können beispielsweise die Herstellung und der Einkauf von Ressourcen, der gesamte Transport sowie die Entsorgung von Abfällen sein – aber auch Geschäftsreisen.

Da die Lieferkette oft sehr weitläufig ist und nicht alle Aspekte immer hundertprozentig transparent sind, ist es besonders schwierig, alle Emissionen zu ermitteln. Für Unternehmen ist zudem nur die Erfassung der Scope-1- und Scope-2-Emissionen Pflicht. Die Scope-3-Emissionen zu dokumentieren, ist ihnen hingegen freigestellt. (LS)

 


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