Die zukünftige Entwicklung von Ethernet

Wachstum in Spitze und Breite

3. Februar 2015, 7:00 Uhr | Hans Lackner/jos

Die Entwicklung von 802.3 Ethernet spielt sich derzeit sowohl in der Spitze wie auch in der Breite ab. Am oberen Ende geht es vor allem um die Hochgeschwindigkeitstechnik bei der optischen Übertragung bis zu 400 GBit/s und den Kupferkabelbereich rund um 40 GBit/s. Anlass genug, die Ergebnisse der IEEE-802-Herbstkonferenz in San Antonio vom November 2014 zusammenzufassen.

Gewiss hatte auch Ethernet einige Höhen und Tiefen. Abgestürzt wie seine ehemaligen Konkurrenten Token Ring und FDDI ist es jedoch nie. Das erste Tief lag vor der 100MBit/s-Technik, deren Entwicklung viel zu lang gedauert hat. Danach ging es rasant weiter bis zu 10 GBit/s. Dann kam das nächste Loch, es fehlte den Entwicklern an Ideen, um die Technik weiter zu bringen. Außerdem war damals die Netzentwicklung ohnehin schneller als die im Server-Umfeld. Folglich schwand das Interesse an weiteren Entwicklungen, was sich nicht nur an den Teilnehmerzahlen an den 802.3-Meetings ablesen lies. Die Ethernet-Gruppen waren von den WLAN-Pendants überholt worden. Diese Talsohle ist nun seit ein paar Jahren durchschritten, und heute befindet sich 802.3 wieder ganz oben. Die Anzahl der 802.3-Ethernet-Teilnehmer übersteigt sogar wieder die von 802.11 WLAN.
Die Entwicklung von 802.3 Ethernet spielt sich heute sowohl in der Spitze wie auch in der Breite ab. In der Spitze sind das vor allem Hochgeschwindigkeitstechniken bei der optischen Übertragung und im Kabelbereich: Optisch sind es die 400 GBit/s, die vor allem bei Providern hohes Interesse wecken. Zudem gab es in diesem Umfeld Diskussionen über eine 50-GBit/s-Technik. Bei den Kupferverbindungen ist die 40-GBit/s-Technik im RZ von großer Bedeutung. Auch in diesem Kontext diskutierten die Experten über eine langsamere Alternative (25 GBit/s).
In die Breite, heißt es bei den Experten von IEEE 802.3, wolle man neue Anwendungen erschließen und neue Medien nutzen. Dazu gehören der Automotive- und der Smart-Home-Bereich, für die vielfach neue Medien nötig sind. Als Beispiel können dort die Koax-Verkabelung (TV) oder POF (Polymere Optical Fiber) dienen.
Nach Einschätzung von Experten ist es sinnvoll, den Reifegrad und den zu erwartende Abschluss der in Entwicklung befindlichen Techniken genauer zu betrachten. Das Bild unten zeigt die gegenwärtige Entwicklungsperiode bis zum März 2017. Dann sollen alle laufenden Arbeitsgruppen bis einschließlich 400 GBit/s abgeschlossen sein und damit ein neuer Gesamtstandard IEEE 802.3-2017 fertiggestellt, der alle gültigen 802.3-Standards seit 1980, dem Gründungsdatum von 802.3, enthält. Die Projekte, die jetzt neu an den Start gehen, werden zunächst als separater Standard veröffentlicht.
In IEEE 802.3, dem LAN- und MAN-Komitee, arbeiten heute zehn Arbeitsgruppen parallel an der Spezifikation neuer Standards. Sortiert nach ihrem geplanten Abschlussdatum sind dies die folgenden Task Groups:
802.3bm: 40&100G Optics, Erweiterung der existierenden 40/10-GBit/s-Standards,
802.3bq: 40GBase-T, 40 GBit/s über vier TP-Leitungen,
802.3bp: 1000Base-T1, 1 GBit/s über ein Adernpaar,
802.3w: 100Base-T1, 100MBit/s über ein Adernpaar,
802.3br: IET Interspersed Express Traffic, Verkürzung von Durchlaufzeiten,
802.3bn: EPOC, EPON über Coax-(TV-)Netze,
802.3bt: 4PPoE, 4-Pair Power over Ethernet.
802.3bu: PoDL, Power over Data Lines,
802.3bs: 400 GBit/s Ethernet und
802.3bx: 802.3 Standard Maintenance, neues Gesamtwerk.
Study Groups, die einen neuen Standard vorbereiten, existieren gegenwärtig zwei. Außerdem gibt es die beiden erfolgreichen CFIs (Call for Interest), die nach dem Meeting den Auftrag zur Vorbereitung des Standards bekamen:
802.3 GEPOF: Gigabit Ethernet über Polymere Optical Fiber,
802.3 25GE: 25 GBit/s optische Interfaces
und die neuen CFIs
802.3 NGBTA: Next Generation BASE-T Access sowie
802.3 25G-T: 25GBase-T.
Zehn Task Groups entwickeln gegenwärtig neue Standards in 802.3. Die Projekte befinden sich in unterschiedlichen Stadien, dabei befindet sich das erste Projekt bereits auf der Ziellinie.
 
40/100 GBit/s Optics
Am nächsten am fertigen Standard ist die Arbeitsgruppe 802.3bm, die bereits im März 2015 ihre Arbeiten abgeschlossen haben will. 802.3bm beschäftigt sich mit neuen optischen Interfaces:
40GBase-ER4: Singlemode Fiber (Extended Range, 40 km) und
100GBase-SR4: Multimode Fiber (Short Range, 100 m).
Neben diesen neuen Interfaces definiert 802.3bm die Energy-Efficient-Ethernet-Protokolle (802.3az) für existierende Interfaces.
Für 100 GBit/s: 100GBase-ER4, 100GBase-LR4, 100GBase-SR4, 100GBase-SR10 und
für 40 GBit/s: 40GBase-ER4, 40GBase-LR4, 40GBase-FR und 40GBase-SR4.
Mitte 2015 will die Arbeitsgruppe 40G-Base-T ihren Standard vorlegen. Ziel ist die Übertragung über Twisted-Pair-Verbindungen der Class I und II mit Datenraten von 40 GBit/s über eine Entfernung von 30 Metern. Mit der Einigung auf Class I und Class II hat man die schwierigen Differenzen zwischen Amerika und Europa überbrückt und damit hoffentlich die politischen Probleme ausgeräumt. Außerdem sind die technischen Herausforderungen weitgehend gelöst, sodass Insider optimistisch sind, diesen Termin halten zu können.
Allerdings kommt jetzt eine neue Herausforderung auf die Gruppe zu. Die Cloud-Server verlangen nach einer preiswerten 25-GBit/s-Technik. Ein entsprechender Call for Interest hatte zum Ergebnis, dass hohes Interesse an einer 25-GBit/s-Kupferlösung besteht. 802.3bq wurde daher aufgefordert, eine solche Technik als Erweiterung ihres Normungsauftrags (40 GBit/s) zu behandeln.
In der Automobilindustrie ist die Tatsache, dass Gigabit Ethernet nur über vier Paare verfügbar ist, ein großes Hemmnis für die Ethernet-Verbreitung. Die RTPGE-Gruppe (Reduced Twisted Pair Gigabit Ethernet) soll dieses Hindernis beseitigen. Sie entwickelt ein Gigabit Ethernet für Automobil- und Industrieumgebungen, das auch die erweiterten elektromagnetischen und Temperaturanforderungen erfüllt. Der Standard definiert zwei Techniken: für Automotive-Anwendungen eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung über ein Twisted-Pair-Kabel mit maximal vier Steckern über eine Länge von maximal 15 Metern; zudem für Kontrolle, Automation, Transport in Flugzeugen, Eisenbahnen, Bussen und LKWs eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung über ein Twisted-Pair-Kabel mit maximal vier Steckern über mindestens 40 Meter.
802.3bp hat die Grundlage definiert und arbeitet derzeit am Draft D1.1. Der Standard soll im Dezember 2015 fertig sein.
Etwa 20 Jahre nach der Standardisierung von 100Base-T2 (1995) kommt aus der Automotive-Industrie die Forderung nach 100Base-T1 (100 MBit/s über ein Twisted Pair). Um zukünftige Fahrerassistenzsysteme angemessen unterstützen zu können, sind nicht nur Gigabit-Techniken wie 1000Base-T1 (802.3bp) notwendig, sondern auch 100 MBit/s. Wenn man bedenkt, dass heute bereits in jedem Auto eine Vielzahl von Bussen steckt, die immer mehr nach Ethernet tendieren, dann ist leicht vorstellbar, welcher Marktanteil hinter einem solchen Standard steckt. Die Gruppe arbeitet am Draft 2.0 und will Ende 2015 fertig sein.
Ebenfalls aus dem Bereich Automotive kommt die Forderung nach einer reduzierten Latenz. Die Gruppe 802.3br entwickelt daher einen Standard für industrielle Anwendungen, der bei einer Übertragungsgeschwindigkeit von 100 MBit/s die maximale Latenz innerhalb eines Knotens so weit reduziert, dass sie nahe der Zeit für ein minimales Pakets (64 Byte) plus IPG (Inter-Packet Gap) liegt. In der Realisierung bedeutet dies, dass ein längerer Frame für die Übertragung eines IET-Frames unterbrochen werden muss. Die Baseline-Proposals sind akzeptiert. Der erste Draft ist in Arbeit. Die Fertigstellung des Standards ist für März 2016 geplant.
Aktivitäten gibt es auch im Umfeld von Ethernet über Kabel-TV-Netze (802.3bn EPOC). Solche Zugangsnetze wurden bei 802.3 durch passive optische Netze (EPON) realisiert, die in der Sektion 5 des IEEE-802.3-2012-Standards veröffentlicht sind. Zuletzt wurde der Standard zur Erweiterung des passiven Glasfasernetzes EPON (802.3bk) fertig. Diese Glasfasertechnik wollen die Experten nun auf Koax-Kabel übertragen. 802.3bn arbeitet daher an EPOC (EPON over COAX). Die Ziele dieses Standards sind:
ein Zugangsnetzwerk auf Basis des EPON-Protokolls,
Broadcast-Radio-Frequenz-Netze auf aktiven/passiven Koax-Medien,
Punkt-zu-Mehrpunkt-Verbindungen auf Koax/hybriden Kabeln,
symmetrische und asymmetrische Datenrate bei bidirektionaler Übertragung,
Kompatibilität mit 1G und 10G EPON wie im 802.3-Standard definiert,
Operation Administration and Management (OAM),
unabhängige Konfiguration von Upstream- und Downstream-Parametern und
Operation im Kabelspektrum ohne Beeinflussung der originären Services.
Die Gruppe arbeitet heute am Draft D1.1. Augenscheinlich ist das Thema doch komplexer als zunächst angenommen, den Abschlusstermin hat sie um mehr als ein Jahr auf Juli 2016 verschoben.
 
4-Pair Power over Ethernet (802.3bt)
Besonders motiviert durch den Stromverbrauch der Multi-Channel-Interfaces im Funkbereich gilt es, auch die Stromversorgung über Ethernet zu erweitern. Zwei Standards dazu existieren bereits: 802.3af DTE Power und 802.3at Enhanced PoE. Der Energiehunger ist jedoch trotz 802.3az EEE (Energy Efficient Ethernet) noch lange nicht gesättigt und gerade bei WLANs stark steigend. Als Konsequenz arbeitet die Arbeitsgruppe 802.3bt an einem Standard, mit dem sich 49 Watt über vier Paare übertragen lassen Die Grundlagen sind gelegt, und der erste Draft D 0.1 ist in Arbeit. Der Standard soll Anfang 2017 fertig sein.
Auch hinter der Arbeitsgruppe 802.3bu stecken Anforderungen aus dem Automotive-Bereich. Die Stromverteilung soll über die Datenleitungen erfolgen und auch funktionieren, wenn keine Daten übertragen werden. Strom und Spannung sollen für Automotive-, Transport- und Industrial-Control-Anwendungen geeignet sein, insbesondere was EMV und Temperatur betrifft. Wichtig ist dabei eine schnelle Startup-Funktion mit vordefinierten Strom- und Spannungskonfigurationen. Nicht zuletzt steht auch die Kompatibilität zum kommenden 1000Base-T1-Standard (802.3bp) im Fokus. PoDL ("Pudel") ist eine neue Arbeitsgruppe, sie erhielt ihren Normierungsauftrag Anfang 2015. Derzeit arbeitet sie am Draft D 0.2 und will ebenfalls Anfang 2017 fertig sein.
Die 400-GBit/s-Arbeitsgruppe hat erst im Juli 2014 ihren Normierungsauftrag erhalten. Dennoch hatte sie bei der Herbstkonferenz die meisten Teilnehmer innerhalb 802.3. Sie hat ihre Ziele (Objectives) so formuliert:
MAC-Datenrate von 400 GBit/s,
geeignete Unterstützung von OTN (Optical Transport Network) sowie
optional ein 400-GBit/s-AUI-Interface für Chip-Chip- und Chip-Module-Anwendungen.
Definitionen für physikalische Glasfaserschnittstellen soll es geben für:
100 m über Multimode,
500 m über Singlemode,
2 km über Singlemode und
10 km über Singlemode.
Zudem erfolgte ein Antrag, die Arbeit auf 50 GBit/s auszudehnen. Diesem stimmten die Experten auch zu, allerdings soll das Projekt später in eine eigene Arbeitsgruppe übergehen. Derzeit arbeiten die Beteiligten an den Baseline-Proposals. Im Frühjahr 2017 soll der Standard fertig sein.
Die Maintenance Gruppe (802.3bx) integriert die heute separat veröffentlichten und die bis 2017 zu erwartenden Standards in das neue Gesamtwerk IEEE Std 802.3-2017. Dieses soll das heutige Gesamtwerk IEEE Std 802.3-2012 ablösen. Der Umfang des 2017-Standards wir gigantisch sein, Beteiligte rechnen mit über 4.000 Seiten. Heute sind alle Kapitel geplant, die Arbeit konzentriert sich auf den Draft 2.0. Der Zieltermin ist der März 2017.
 
Standards in Vorbereitung
Vor der Entwicklung eines Standards steht ein sogenannter PAR (Project Authorisation Request) an. Einen solchen PAR erarbeiten die Study Groups, von denen es derzeit zwei aktive gibt:
25 GBit/s Ethernet und
Gigabit POF (Plastic [Polymer] Optical Fiber).
Nachdem ein erster Call for Interest schiefgegangen war, hat die Study Group zu 25 GBit/s Ethernet nun die Aufgabe, einen PAR vorzubereiten. Ziele dieses zukünftigen Standards sind neben den üblichen Ethernet-Zielen die Entwicklung eines Single-Lane-25 GBit/s-Interfaces für eine Backplane (entsprechend 802.3bj, Clause 93), Kupfer-Twinax-Kabel mit einer Länge vom maximal drei Metern, einer Variante für maximal fünf Meter Länge und Multimode Fiber entsprechend 802.3bm (Clause 95). Diese Techniken sollen das von der ITU definierte OTN (Optical Transport Network) unterstützen. Project Authorisation Request und Objectives und Criteria for Standards Development (CSD) sind von 802.3 abgestimmt.

Bild 2. Gültige 802.3-Standards.

Bild 1. Übersicht über die laufenden 802.3-Projekte.

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