Beim Datacenter-Betrieb sind die skandinavischen Länder Vorreiter in Hinblick auf Effizienz und Nachhaltigkeit. Zwar sind die lokalen klimatischen Bedingungen dabei ein entscheidender Faktor, dennoch können auch deutsche Betreiber von den Nordics lernen – vor allem in puncto Abwärmenutzung.
Beim Betrieb von Rechenzentren nehmen die Themen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz einen immer größeren Stellenwert ein. In Deutschland verläuft diese Entwicklung aber oft noch schleppend – vor allem im Vergleich zu den nordeuropäischen Ländern. Ob Norwegen, Schweden oder Island – die Nordics haben zahlreiche Datacenter bereits auf erneuerbare Energien, natürliche Kühlung und effiziente Abwärmenutzung getrimmt.
Doch viele Faktoren liegen nicht in den Händen der Betreiber. Die nordischen Länder haben ihre Stromerzeugung und -netze beispielsweise bereits stark auf regenerative Energien ausgerichtet, während fossile Brennstoffe in Deutschland trotz aller positiven Entwicklungen der vergangenen Jahre noch einen bedeutenden Anteil ausmachen. So sei es noch „eine Utopie, Datacenter rein mit Ökostrom zu unterhalten – das gibt der Energiemix hierzulande einfach nicht her“, sagt Michael Endres, Sales Director DACH von Atnorth, einem Rechenzentrumsdienstleister mit Sitz in Island. Das Problem: Während Deutschland bei der Energiewende zu wenig Tempo an den Tag legt, steigt parallel dazu jedoch der Stromverbrauch der Rechenzentren. Beispielsweise auch, weil Branchen wie die Automobil- und die Finanzindustrie zusehends auf High Performance Computing setzen. So werden immer mehr Daten generiert und mit den Hochleistungsrechnern verarbeitet – und der Energiebedarf steigt.
Lokale RZ-Betreiber benötigen vor diesem Hintergrund auch hierzulande innovative Konzepte, um einen nachhaltigen Betrieb zu ermöglichen. Beispiele sind laut Endres Generatoren, die mit E-Fuel oder Wasserstoff arbeiten. Und „auch am Einsatz nachhaltiger Materialien für den Bau von Rechenzentren führt kein Weg vorbei“, so der Sales Director. „Insgesamt gilt es nicht nur Datacenter zu bauen, die möglichst umfassend erneuerbare Energien nutzen, sondern sie müssen auch für die Arbeitslasten von morgen ausgelegt sein und weniger Energie verbrauchen.“
Datacenter nachhaltiger und effizienter zu betreiben, wird zusehends zur gesetzlichen Vorgabe. Schon ab 2024 soll laut dem Entwurf des Energieeffizienzgesetzes beispielsweise eine Abwärmenutzung von 30 Prozent verpflichtend sein, bis 2027 steigt dieser geforderte Anteil auf 40 Prozent weiter an. Laut Michael Endres sei dies – mit Verweis auf eine Stellungnahme der German Datacenter Association (GDA) – allerdings „unrealistisch“. Denn für die GDA steht fest: Entsprechende Konzepte scheitern oft noch an technischen Hemmnissen und der Wirtschaftlichkeit aktueller Lösungen. An Motivation soll es den Rechenzentrumsbetreibern hingegen nicht mangeln.
Konkret ist die Abwärmetemperatur aus Rechenzentren mit 25 bis 35 Grad Celsius zu niedrig für die jetzigen Fernwärmenetze. Sie muss vor dem Einsatz also nochmals erhöht werden. Außerdem sei die Fernwärmenetzinfrastruktur derzeit nicht ausreichend ausgebaut und es mangele an passenden Abnehmern, kritisiert die GDA. „Zielgenaue politische Maßnahmen wären wünschenswert, doch da schießt der Gesetzgeber leider viel zu oft am eigentlichen Ziel vorbei“, unterstreicht auch Endres. Aus Sicht der GDA sollten sich die Verpflichtungen im Rahmen des Gesetzentwurfs daher weniger an die Rechenzentrumsbranche richten, sondern vor allem die Energieversorger in den Fokus rücken, zum Beispiel mit einer Abnahmepflicht.
Kreative Konzepte sind gefragt, wie sie in vielen skandinavischen Ländern bereits umgesetzt wurden – beispielsweise in der Landwirtschaft oder im Zuge der Beheizung von Büro- und Wohnräumen. „Die Abwärme der Rechenzentren kann für die Fernwärmeversorgung von kommunalen Einrichtungen wie Schwimmbädern, für Privatwohnungen und auch Gewerbegebäude eingesetzt werden“, erklärte Bitkom-Präsident Achim Berg im Juli 2022. „Dieses Potenzial sollten wir nicht weiter brachliegen lassen.“
Laut Berechnungen könnten durch Datacenter-Abwärme in Deutschland jährlich rund 350.000 Wohnungen versorgt werden. Die Bitkom-Studie „Rechenzentren in Deutschland“ hat zudem gezeigt, dass die Abwärmenutzung zu den potenziellen Maßnahmen mit dem größten Nachhaltigkeitspotenzial zählt. Dennoch leiten fast drei Viertel der Betreiber die Abwärme ihrer Rechenzentren nicht weiter. Und nur fünf Prozent nutzen mehr als die Hälfte ihrer Abwärme. Begründet wird das abermals mit fehlenden Abnehmern, fehlender wirtschaftlicher Nutzung und im ersten Schritt auch mit zu hohen Investitionskosten.
Auch hier kann Deutschland von skandinavischen Konzepten lernen, obwohl sich die Voraussetzungen in vielerlei Hinsicht unterscheiden und Use Cases stets individuell gefunden werden müssen. So kann Island beispielsweise auf ein großes Vorkommen an heißem Wasser zurückgreifen und benötigt in diesem Bereich keine weitere Energie. Daher brauche es in jedemLand vor allem den individuellen Austausch mit anderen Unternehmen, „um die Möglichkeiten für die Beheizung von Gewächshäusern, Fischzuchtanlagen und anderen Branchen zu erkunden“, betont Endres von Atnorth.
Trotz aller Hürden gibt es aber auch in Deutschland erste spannende Ideen und Modelle. Beispielsweise hat der Betreiber Windcloud in Schleswig-Holstein eine Algenfarm auf das Dach seines Rechenzentrums gebaut, die er mit der Abwärme der IT-Systeme versorgt. Doch wie die Zahlen zeigen, sind die ungenutzten Potenziale aktuell noch gewaltig.