Poker um knappe Halbleiter

Chipkrise erreicht neue Dimensionen

5. August 2021, 11:28 Uhr | Lars Bube
© AON - AdobeStock

Weil sich die Augen der Politik und Öffentlichkeit vor allem auf prominente Beispiele wie die Automobilindustrie und den Hardware-Sektor richten, werden einige eklatante Risiken der Chip-Knappheit bislang fahrlässig unterschätzt.

Die Chipkrise ist in der Öffentlichkeit angekommen. Selbst bei der Tagesschau vergeht kaum mehr eine Woche, in der nicht eindrücklich über stillstehende Bänder in Automobilwerken berichtet wird. Doch so plakativ die entsprechenden Schock-Bilder mitten aus dem Herzen der deutschen Vorzeigeindustrie auch sein mögen, verschleiern sie gleichzeitig die wahre Tragweite des Problems. So sehr es wirtschaftlich schmerzen mag, wenn weniger Autos, Spielkonsolen und Smartphones verkauft werden können als der Nachfrage entspricht, liegen die eigentlichen Risiken an ganz anderer Stelle. Selbst in Teilen der IT-Branche wird die wahre Dringlichkeit der anhaltenden Nachschubprobleme noch immer unterschätzt.

Denn immer dringlicher erreicht die Knappheit inzwischen auch viele kleinere Hersteller zentraler Produkte für digitale Infrastrukturen und Sicherheitslösungen. Diese haben zwar eine deutlich geringere Marktmacht als die großen Elektronik- und Autokonzerne, dennoch sind die drohenden Folgen bei Produktionsausfällen nochmals gravierender. Wenn etwa Zahlungs-, SIM- oder elektronische Identifikationskarten nicht mehr in ausreichender Menge hergestellt werden können, hat das schnell erhebliche Auswirkungen auf weltweite Wirtschafts-, Produktions- und Kommunikationsnetzwerke, das globale Zahlungswesen sowie das gesamte IoT und IIoT. So geht etwa Giesecke+Devrient (G+D) davon aus, dass bei Zahlungskarten schon ein Produktionsausfall von zehn Prozent zu weitreichenden Störungen, unter anderem in Bargeldversorgung und elektronischen Zahlungen führen würde. Genau vor solchen Schreckens-Szenarien warnen nun eindringlich wie einmütig mehrere Verbände wie Eurosmart, die Secure Identity Alliance (SIA) die Smart Payment Association (SPA) und die Trusted Connectivity Alliance (TCA).

Ralf Wintergerst, CEO von Giesecke+Devrient
G+D-CEO Ralf Wintergerst: „Letztlich geht es um die wirtschaftliche Prosperität und soziale Stabilität ganzer Staaten.“
© Giesecke+Devrient

Um entsprechende Katastrophen nachhaltig abzuwenden, fordern sie insbesondere von der Politik ein Umdenken hin zu einer deutlich strategischeren Betrachtung der Ressource Chips. „Es ist Aufgabe der Politik, nicht die lautesten Partikularinteressen zu bedienen, sondern die Stützung der Wirtschaft und ihrer wichtigsten Produktivfaktoren insgesamt im Auge zu haben“, mahnt etwa G+D-CEO Ralf Wintergerst. Um das zu erreichen, müssten Regierung und Verbände gemeinsam mit Banken und anderen Betroffenen in einer konzertierten Aktion gemeinsam dafür sorgen, dass volkswirtschaftlich besonders relevante Stabilitäts- und Wachstumsfaktoren wie der Zahlungsverkehr höchste Priorität beim Bezug von Halbleitern haben. Gleichzeitig liefert diese Situation ein weiteres starkes Argument für den Ausbau der europäischen Chip-Fertigung.


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