Zu Recht muss man nun einwenden, dass der Konsolidierungsdruck in der Distribution keineswegs auf die im Consumer-Bereich agierenden Volume-Distributoren beschränkt. Tatsächlich dezimierten die Konsolidierungswellen der vergangenen Jahren insbesondere die Reihen der Spezialdistributoren und VADs in den Technologiebereichen Security, Netzwerke oder Storage. Viele der lokal aufgestellten Nischenanbieter wurden dabei von den global aufgestellten VAD-Riesen wie Avnet und Westcon oder den Broadlinern, die auf der Suche nach Margen-stärkerem Geschäft in diese Bereiche vordrangen, aufgekauft. Diese Riesen werden nie dieselben spezialisierten Fertigkeiten entwickeln, die ein VAD seinen Kunden biete, ist Tome Spasov, Geschäftsführer des Security-VADs überzeugt. »Spezialdistributoren mit lokalem Expertenwissen werden nach wie vor ihre Daseinsberechtigung haben und als `Èarly Adopter´ neue und komplexe Technologien in den Markt bringen«, ist der Ectacom-Chef überzeugt. Auch Jochen Bless, Kenner des Broadline- wie des Spezialdistributionsmarktes, glaubt an die Zukunft der Nischendistribution: »Spezialdistributoren verfügen häufig über Mitarbeiter, deren Know How und Erfahrung in den gehandelten Produktbereichen meist deutlich höher ist, als das der Broadline-Mitarbeiter.« Dagegen glaubt Tech Datas Marc Müller, lange Zeit verantwortlich für die VAD-Sparte Azlan des Konzerns, dass die Ära der reinen Spezialdistributoren zu Ende geht: »In Tiefe und Breite ist unser Modell den reinen VADs aber auch den Spezialdistributoren überlegen.« Nur in sehr spezialisierten Nischen könnten die VADs überleben.
Um tatsächlich einen vollwertigen VAD-Support in den wachstumsträchtigen Lösungsfeldern anbieten zu können, mussten die Broadliner aber kräftig investieren: Neben den Beratungskompetenzen galt es, entsprechende Service-Kapazitäten aufzubauen. Ingram Micro-Chef Marcus Adä bestätigt: »Wir sehen definitiv den Trend, dass Systemhäuser von unseren Vor-Ort-Service-Angeboten und unserem technischen Support profitieren wollen.« Dies sei insbesondere der Fall, wenn die Reseller den Weg in Richtung Ausbau und Vertiefung ihres Lösungsportfolios gingen, also hin zu einem engeren Zusammenspiel von Server, Storage, Netzwerk, der allgemeinen Infrastruktur und Virtualisierung. »Insbesondere kleinere bis mittelgroße Fachhändler reagieren darauf, indem sie verstärkt Presales- und Consulting-Mitarbeiter der Distribution in ihre Endkundenprojekte einbinden«, meint Adä und fügt hinzu: Dmacht sich der aktuelle Fachkräftemangel bemerkbar. Wollen diese Reseller ihr Team mit technisch versierten IT-Mitarbeitern ausbauen, so ist das für sie oft eine hohe finanzielle Hürde.« Dieser Vor-Ort-Service-Vorstoß der Broadliner kommt erstaunlicherweise just zu einem Zeitpunkt, da einige klassische VADs ihre diesbezüglichen Kompetenzen reduzieren, da sie zu teuer im Unterhalt sind
Auch bei vielen neuen Trends im Lösungsgeschäft überlassen die Distributionsschwergewichte den ersten Schritt nicht mehr den kleinen Lösungsspezialisten. So drängen die Broadliner mit Macht ins Geschäft mit Branchenlösungen. Ingram Micro hat jüngst seine Unternehmensstruktur komplett auf die neue umfassendere Volume-, Value- und Verticals-Strategie ausgerichtet. »Vertikale Märkte, insbesondere der Education- und Healthcare-Bereich, bieten mit ihren ganz spezifischen Anforderungen hohe Wachstumsraten«, ist Michael Wittel, Senior Manager Verticals bei Ingram Micro, überzeugt. Auch im Cloud Computing suchen die Broadliner vermehrt mit eigenen Lösungen eine Neupositionierung, die über die reine Berater- und Vermittlerrolle hinausgeht. Und das, obwohl die tatsächlichen Verdienstmöglichkeiten für die Zwischenhändler noch nicht wirklich geklärt sind: »Einen spürbaren Einfluß der Cloud auf unser Geschäft konnten wir bisher nicht feststellen«, räumt Tech Datas Marc Müller ein.