Jungunternehmen im Silicon Valley, Teil 2

Unternehmensspeicher wandert auf den Chip

1. Februar 2012, 7:00 Uhr | Stefan Mutschler/jos

Ein Trip durch das kalifornische Erfindertal brachte Spannendes bis Sensationelles zu Tage. Im ersten Teil (LANline 1/2012) berichteten wir über Entwicklungen bei Cloud-Management und Mobile-Security. Nun geht es noch um Storage (insbesondere SSD und Speicher-Management) sowie Cloud-Security.

Spätestens seit dem Auftritt von Violin Memory (www.violin-memory.com) ist klar - die Welt der Speichersysteme in Rechenzentren steht vor einem massiven Umbruch. Das 2005 im Silicon Valley gegründete Unternehmen kam 2008 mit einer 4-TByte-Flash-Speicher-Appliance auf den Markt, im September 2010 folgte ein 40-TByte-Flash-Array. Der Clou dabei: Auf Basis des SSD-Speichers (SSD = Solid State Drive) ließen sich im Vergleich zu Festplattensystemen Platz- und Energiebedarf auf ein Fünftel reduzieren, während die Durchsatzleistung gleichzeitig um das Vierfache stieg.

Inzwischen sind sowohl Technik als auch der Markt gereift, und neue Player mischen bei der Etablierung von Flash-Storage als primärer Unternehmensspeicher mit. Zu den interessantesten dürften Pure Storage, Nimble Storage und Solidfire gehören. Mit seiner Idee eines bezahlbaren Speichersystems für Unternehmen rein auf Flash-Basis konnte John Colgrove neben verschiedenen Risikokapitalunternehmen auch Elektronik- beziehungsweise IT-Größen wie Samsung und VMware als Investoren gewinnen (gesamtes Startkapital: 55 Millionen Dollar). Colgrove hat sich seine Sporen als Technikentwickler bei Veritas verdient, heute ist er "Unternehmensvater" und Cheftechnologe bei Pure Storage (www.purestorage.com). Das junge Unternehmen aus Mountain View hatte bereits mit seinen All-Flash-Arrays aus der Betatestphase bemerkenswerte Markterfolge - blieb damit allerdings auf den nordamerikanischen Markt fokussiert. 2012 will Pure seine Europaaktivitäten starten - dort mit dem finalen Serienprodukt.

Im Vergleich zum Pionier Violin Memory hat Pure bei seinen ausschließlich mit Flash bestückten Speicher-Arrays noch eine gute Schippe draufgelegt: Der Faktor für Durchsatzleistung soll ebenso wie der für die Energie- und Platzreduktion bei Zehn liegen - verglichen mit marktüblichen Festplattenspeichern. Der eigentliche "Knaller" ist aber der Kostenfaktor. Während der Preis pro Gigabyte bei Violin ebenso wie bei den meisten anderen Anbietern von Flash-Systemen bei einem Vielfachen entsprechender Festplattenkapazitäten liegt, will Pure Storage mit seinen SSDs unter dem Strich sogar kostengünstiger sein als das rotierende Medium. Wenn sich dies in der Praxis bewahrheitet, wäre das sicher eine Sensation.

Für jeden Einzelfall lässt sich das aber mit Sicherheit nicht behaupten, denn einer der Faktoren, den Pure Storage hier ins Kalkül nimmt, ist die Datenreduktion. Deduplikation und Kompression sind hier fester und immer aktiver Bestandteil der Speicherarchitektur - der Wirkungsgrad soll bei fünf bis 20 liegen. Datenreduktion allein bringt jedoch noch nicht die reklamierten Kostenvorteile. Die erzielt Pure nur, weil das Unternehmen nicht die sonst im Businessbereich üblichen SLC-SSDs verwendet, sondern bislang im Consumer-Markt eingesetzte MLCs. SLCs (Single-Level-Cells) sind im Vergleich zu MLCs (Multi-Level-Cells) häufiger und schneller beschreibbar, dafür aber deutlich teurer.

Der wesentliche Vorteil bei Multi-Level-Speicherung ist die höhere Speicherdichte, da hier mehr als ein Bit pro Zelle abgespeichert wird. "Uns war klar, dass wir größere Marktvolumen nur adressieren können, wenn wir die Kosten von SSDs herunter bringen", erklärt Scott Dietzen, CEO von Pure Storage. "Entscheidendes Ziel unserer Forschung und Entwicklung war es daher, die bei MLCs durch die höhere Speicherdichte erzielbaren Kostenvorteile umzusetzen, gleichzeitig aber deren Nachteile soweit möglich auszumerzen". In konkreten Zahlen heißt dies laut Herstellerangaben: 100.000 IOPS (Inputs/Outputs pro Sekunde) und weniger als eine Millisekunde Verzögerung. Bei den Kosten pro Gigabyte errechnet Pure zusammen mit der Datenreduktion einen Preis von weniger als fünf Dollar.

Die Pure Storage-Arrays verfügen über Funktionen für RAID 3D, Hochverfügbarkeit, Datenintegrität und Flash-Management. Um das Aufsetzen und Managen von RAID muss sich der Anwender dabei nicht kümmern, dies läuft ebenso automatisch wie das Troubleshooting von Performanceengpässen. Auch das Dimensionieren und Verwalten mehrerer Storage-Ebenen entfällt - alles ist Flash. Im ersten Halbjahr 2012 will Pure erst einmal zart seine Fühler in Richtung Europa ausstrecken, ab dem zweiten Halbjahr will man hier vertriebstechnisch richtig Gas geben.

Konvergierter Speicher: Nimble Storage

Während Pure rein auf Flash fokussiert, verbindet Nimble Storage (www.nimblestorage.com) Flash als Primärspeicher mit traditionellen SATA-Festplattensystemen als Backup-Speicher. Allerdings baut Nimble daraus grundlegend anders als klassische Anbieter keine dreistufige, hierarchische Speicherarchitektur, sondern nutzt einen Scale-out-Ansatz, bei dem die Speichereinheiten aus Flash und Disk wie Lego-Bausteine bedarfsgerecht angeschlossen werden. Die Konvergenz von Primär- und Backup-Speicher in einem gemeinsamen Array soll zu einer dramatischen Reduzierung von Kosten und Komplexität führen. Die Realisierbarkeit eines solchen Ansatzes schien lange Zeit aussichtslos. Sehr schnelle Netzwerke (iSCSI auf Basis von 10 Gigabit Ethernet) erlauben es heute jedoch, mehrere Geräte als Einheit zu verwalten. Flash-Speicher, hochdichte Billig-Festplattenlaufwerke und Mehrkern-CPUs zählen ebenfalls zu den Wegbereitern der frei skalierbaren Speicherarchitektur. "Das Datenlayout einer Speicherlösung ist eine Basisentscheidung, die alle weiteren Features maßgeblich bestimmt", so Suresh Vasudevan, CEO bei Nimble (zuvor bei Netapp). "Traditionelle Anbieter wie EMC müssten dafür ihre gesamte Speicherarchitektur ändern, womit all ihre angestammten Vorteile wegfielen und der Entscheidungsprozess beim Kunden neu geöffnet würde. Das ist zu riskant. Ein neuer Player ohne angestammte Kundenbasis kann dies aber tun."

Kern des konvergierten Speichers von Nimble ist eine Technik, die das Unternehmen Cache Accelerated Sequential Layout (CASL) nennt. Ankommende Daten werden innerhalb des Verarbeitungsprozesses auf Flash-Ebene komprimiert und anschließend dynamisch auf Flash und Festplatten verteilt. Für eine effiziente Inline-Kompression unterstützt Nimble Speicherblöcke variabler Größe. Je öfter auf bestimmte Daten zugegriffen wird, desto höher ist die Priorität für den Flash-Sektor. Die Anpassung der Datenverteilung erfolgt permanent und nahezu in Echtzeit. Wenn es etwa um sehr große Datenbanken geht, wandern dabei nicht die kompletten Dateien, sondern nur die tatsächlich häufig genutzten Bereiche daraus (in der Praxis sollen das oft nur drei bis fünf Prozent des Datenbankinhalts sein) in den schnellen Flash.

Innerhalb des Festplattensektors bieten die Nimble-Arrays eine integrierte Sofort-Backup-Funktion, die inkrementelle Snapshots in stark komprimierter Form (der Hersteller nennt den Faktor 20) erzeugt. Diese Backups sollen extrem schnell ablaufen (nur wenige Millisekunden) und keinerlei Unterbrechung des laufenden Betriebs verursachen. Über eine WAN-Verbindung lässt sich dieser Speicherbereich mit einem Remote Array synchronisieren, das damit als Notreserve im Katastrophenfall fungiert.

Bei den Europa-Aktivitäten ist Nimble, dessen neuer Hauptsitz kürzlich in San Jose eröffnet wurde, den Kollegen aus Mountain View um etwa ein halbes Jahr voraus. Im September 2011 begann der Vertrieb im Vereinigten Königreich - für andere europäische Länder (darunter auch Deutschland) suchen die Verantwortlichen aktuell noch geeignete Vertriebspartner.

SSDs für Cloud Service Provider: Solidfire

Die Speicher-Arrays von Solidfire sind wie jene von Pure rein mit SSDs bestückt. Während Pure an Unternehmen verkauft, richtet sich Solidfire an Cloud Service Provider. Die Zahl potenzieller Kunden ist damit sehr überschaubar (daher ausschließlich Direktvertrieb), die Anforderungen sind aber auf höchstem Niveau und in vielen Punkten sehr verschieden von denen, die Pure adressieren musste. So geht es bei Solidfire beispielsweise um eine uneingeschränkte Mandantenfähigkeit seiner Lösungen, hohe Skalierbarkeit und eine an Applikationen knüpfbare Service-Qualität innerhalb einer geteilten Speicherinfrastruktur. Pro Array mit zehn SSD-Laufwerken und insgesamt 12 TByte Nettospeicher (durch Thin Provisioning, Inline-Deduplikation und -Kompression gut für 100 TByte nutzbarem Speicher) liegt der Durchsatz hier bei 5.000 IOPS, also dem Fünffachen von Pure. Bis zu 100 Arrays oder Nodes, wie Solidfire sie nennt, lassen sich in einem Cluster zusammenschließen. Ein solches System käme auf 5 Millionen IOPS mit 1 PByte nutzbarem Speicher. Aktuell verpasst Solidfire seinen im Betastadium befindlichen Produkten den letzten Schliff. Mehrere Pilotkunden unterstützen das Unternehmen dabei. Ab dem zweiten Quartal dieses Jahres soll der kommerzielle Vertrieb beginnen - wobei von vorn herein der gesamte Globus ins Auge gefasst ist.

Der Autor auf LANline.de: ElCorrespondente

"Entscheidendes Ziel unserer Forschung und Entwicklung war es, die bei MLCs durch die höhere Speicherdichte erzielbaren Kostenvorteile umzusetzen, gleichzeitig aber deren Nachteile soweit möglich auszumerzen", so Scott Dietzen, CEO von Pure Storage. Foto: Stefan Mutschler

Die CASL-Technik von Nimble Storage komprimiert ankommende Daten innerhalb des Verarbeitungsprozesses auf Flash-Ebene, bevor sie dynamisch nach Nutzungshäufigkeit auf Flash und Festplatten verteilt werden. Grafik: Nimble Storage

Die SSD-Arrays von Pure Storage bieten 100.000 IOPS (Inputs/Outputs pro Sekunde) und weniger als eine Millisekunde Verzögerung. Bei den Kosten pro GByte errechnet Pure zusammen mit der Datenreduktion einen Preis von weniger als fünf Dollar. Foto: Pure Storage
LANline.

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