CRN-Interview mit André Ruff von Razer

»Virtual Reality könnte Räume der sozialen Interaktion schaffen«

7. August 2015, 11:28 Uhr | Stefan Adelmann
André Ruff ist als OSVR Product Evangelist bei Razer für die Projektleitung der OSVR-Brille verantwortlich
© Razer

Es gibt aktuell noch viele Bedenken gegenüber Virtual Reality. Dabei könnte die Technologie ganz neue Möglichkeiten der sozialen Interaktion schaffen.

CRN-Interview mit André Ruff, OSVR Product Evangelist bei Razer

CRN: Sehen Sie in Virtual Reality-Brillen den nächsten großen Schritt der Games-Industrie? Und wie kann Gaming mit dieser Technologie in Zukunft aussehen?

Ruff: Wir sehen VR als einen der Wege, die Gaming in den nächsten Jahren beschreiten wird, es ist jedoch zu bezweifeln, dass sie innerhalb einer kurzen Zeit zur dominanten Plattform für Gaming-Inhalte wird. Sie wird aber sicherlich dazu beitragen, Gaming noch vielfältiger zu machen und einige derzeitige Technologien in Zukunft ablösen.

CRN: Aktuell gibt es noch einige Bedenken gegenüber der Technologie. Könnten sich die Brillen dennoch zum Massenprodukt entwickeln?

Ruff: Diese Bedenken sind zum Teil auch berechtigt – all das, was wir derzeit erleben, ist eine Pionierleistung und sicherlich sind wir noch nicht am Ende der Fahnenstange angekommen. Die Geräte, die jetzt oder sehr bald in den Handel kommen, sind ein absolutes Enthusiasten-Produkt, in etwa vergleichbar mit Hochleistungsgrafikkarten – hier hat sich die Zielgruppe innerhalb der letzten 10-15 Jahre auch merklich vergrößert.

Einen solchen Effekt erwarten wir ebenfalls beim Thema Virtual- und Augmented Reality, was einer der Hauptgründe für Razer ist, genau jetzt einzusteigen und alles offen und transparent zu lösen: Mit OSVR verringern wir erheblich den technischen Aufwand, um Produkte zu entwickeln und in einer etablierten Umgebung zur Verfügung zu stellen. Und das mit zukunftssicheren Konzepten.

CRN: Wie Begegnen Sie diesen Bedenken bezüglich sozialer Abschottung oder drohendem Realitätsverlust?

Ruff: Solche Bedenken hat es immer wieder bei neu aufkommenden Technologien gegeben. Angefangen mit dem Aufkommen des Buchdrucks, über den Fernseher, den Computer und schließlich Videospiele werden neue Medien stets kritisch betrachtet. Nach und nach können wir aber immer wieder eine Normalisierung in Gebrauch und Umgang feststellen und vor allen Dingen die neuen Möglichkeiten ausschöpfen, die sich dadurch bieten.
So wie wir es bei den klassischen Computerspielen beobachten konnten, sehen wir auch bei VR und AR die Möglichkeit, Räume zur sozialen Interaktion zu schaffen. Gerade wenn diese beiden Technologien enger zusammenwachsen, können diese den Austausch von Menschen auch über große Distanzen hinweg nicht nur ermöglichen, sondern sogar persönlicher und intensiver gestalten.


CRN: Über den Games-Markt hinaus: In welchen Bereichen sehen Sie Virtual Reality im Vorteil und wo wird sich voraussichtlich Augmented Reality durchsetzen?


Ruff:
Durch das OSVR Academia Programm haben wir bereits einige sehr konkrete Vorstellungen von möglichen Anwendungen von VR abseits vom Gaming – insbesondere in den Bereichen Medizin (hier vorrangig im Training), der Architektur, dem Ingenieurwesen, dem Produktdesign, oder auch dem schulischen Alltag von Kindern und Jugendlichen und vielem mehr. Wir rechnen damit, dass es in der Zukunft eine Verschmelzung von VR und AR geben wird.

Viele der Aspekte, die derzeit noch trennscharf zwischen VR und AR Anwendungen stehen, werden in Zukunft mehr und mehr verschwimmen und schlussendlich ein kohärentes und vollständiges Konzept offenbaren. Warum sollte die Software, die im Medizinstudium zur Vermittlung von Operationstechniken verwendet wurde, nicht auch im gleichen Umfang bei der tatsächlichen Operation am Patienten genutzt werden?
Zusätzliche spannende Themen ergeben sich aber auch im weiteren Entertainment-Bereich: Tourismus und Film werden ganz neue Herausforderungen – aber auch Chancen – haben, den Endverbraucher zu überraschen. Ein schönes Beispiel ist hier das Louvre, das heute schon Nintendo 3DS Geräte verteilt, über die kontextabhängig und je nach Aufenthaltsort des Besuchers zusätzliche Informationen bereitgestellt werden. Es wäre doch wirklich wunderbar, Antinio Canova virtuell dabei zuzuschauen, wie er Amor und Psyche vom Entwurf zum vollendeten Kunstwerk bringt.

CRN: Erwarten Sie einen positiven Effekt von VR-Brillen auf die Komponenten-, Peripherie- und Software-Verkäufe der ganzen Industrie?

Ruff: Neue Technologie bietet immer eine Vielzahl von Möglichkeiten – insbesondere wenn sie so weit von den bisher zugänglichen Möglichkeiten entfernt sind. Die VR- und AR-Industrie steht noch am Anfang und durch die Etablierung von zugänglichen Systemen erwarten wir für eine Vielzahl an Unternehmen und Partnern positive Effekte.
Ob die derzeitigen Player im Bereich VR dabei das Oberwasser behalten können, muss sich allerdings noch zeigen: Virtual Reality erfordert ein Um- und Neudenken vieler Konzepte. Und jene, die in Forschung und Entwicklung investieren, werden hier als Gewinner vom Platz gehen.

CRN: Wird es denn zu Beginn der Nutzung von VR-Brillen noch zu Übelkeit, Schwindel und Fixierungsproblemen kommen?

Ruff: Davon ist – bis zu einem gewissen Grad – auszugehen, allerdings immer stark vom genutzten Modell und von der individuellen Disposition des Nutzers abhängig. Die gesamte, sich im Aufbau befindende Industrie adressiert dies auf verschiedensten Wegen, es ist aber fraglich, ob dies bereits bei den ersten Konsumenten-Modellen vollständig behoben sein wird, da hier nicht nur die Head-Mounted Displays eine Rolle spielen, sondern auch die tatsächliche Rechenpower.

Den zugrundeliegenden Problem begegnen wir zum Beispiel mit dem OSVR Research Portal, welches wir Mitte Juli 2015 angekündigt haben und in dem wir Wissenschaft und Firmen zusammenbringen möchten. Unter diesem Banner vereinen wir nicht nur die über 150 Partnerfirmen, die gemeinsam an OSVR arbeiten, sondern auch weltweit 49 Universitäten, wie z.B. die Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg, die Universität von Bologna in Italien oder die University of Georgia.

CRN: Es gibt einige Stimmen im Markt, die VR-Brillen ausschließlich als Modeerscheinung betrachten. Messen Sie der Technologie hingegen einen längerfristigen Einfluss bei?

Ruff: Die derzeitig öffentliche Diskussion ist in Teilen sicherlich ein Hype und damit eine Modeerscheinung, jedoch ist die technische Stufe, die wir mit VR- und AR-Anwendungen betreten, etwas Fundamentales. Die Sensation in der Berichterstattung erscheint manchmal übertrieben, da grundlegendes für die Masse noch neu ist; dass dort vieles als noch unrealistisch erscheint, ist klar.
Ebenso sollte man sich vor Augen führen, dass die VR- und AR-Technologie bereits auf vielen verschiedenen Beinen steht, die ihr durchaus ein langfristiges Leben zusichern – insbesondere wenn man bedenkt, dass Firmen wie Facebook, Google, HTC, Microsoft, Samsung, Sony oder Razer involviert sind. Grundsätzlich sollte man also weiterhin das Buch nicht nach seinem Umschlag bewerten, wir schreiben die Geschichte ja gerade erst.


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