Amazon zieht sich bezüglich solcher Fälle, genau wie auch in anderen Bereichen, gerne auf seine Rolle als Plattformanbieter und Dienstleister zurück. Man versuche zwar selbst so viel Ware wie möglich zu retten, recyceln und spenden, von den selbst verkauften Produkten würden weniger als ein Prozent recycelt oder entsorgt. Gleichzeitig weist das Unternehmen darauf hin, dass mehr als die Hälfte der Verkäufe auf externe Händler entfalle, denen man nicht vorschreiben könne, was diese mit ihrem Eigentum machen, so das Credo. Dabei verdient Amazon nicht nur am Verkauf mit, sondern eben auch an der Lagerung und Vernichtung und hätte damit einige lange Hebel in der Hand, um kraftvoll auf Veränderungen hinzuwirken – wenn dies denn wirklich gewünscht wäre. Stattdessen jedoch ist die einzige erwähnenswerte Veränderung beim Umgang mit den Ladenhütern in den Logistikzentren eine sprachkosmetische Maßnahme: Statt wie bisher zur Vernichtung („Destroy“) werden sie nun zur Entfernung („Remove“) abgestellt, wie in der Sendung gezeigte Bilder dokumentieren.
Dass das schon seit Jahren immer so weiter geht, legt den Schluss nahe, dass nur noch die Politik dieses gigantische Schwungrad der Ressourcenverschwendung mit einem beherzten Eingreifen stoppen könnte. Theoretisch hat sie dafür zwar schon das Kreislaufwirtschaftsgesetz eingeführt, das jedoch ein zahnloser Tiger ist, wie die Vorgänge bei Amazon beweisen, die in ähnlicher Weise auch bei anderen zu finden sein sollen. Das die Wirkung des Gesetzes quasi vollständig verpufft, hat auch seinen guten Grund, und der liegt ausgerechnet beim zentralen Baustein der Obhutspflicht, die im Vertrieb die Erhaltung der Gebrauchstauglichkeit vorschreibt und damit eigentlich die verschwenderische Verschrottung verhindern soll. Da es jedoch an einer Rechtsverordnung zu ihrer Umsetzung fehlt, könnten aktuell keine Bußgelder für entsprechende Verstöße erhoben werden. Das könnte zugleich erklären, warum laut den Berichten der Insider erst gar keine ernsthaften Kontrollen bei Amazon stattfinden.
Um die Ziele des Gesetzes zu erreichen, muss hier also dringend nachgeschärft werden. Gleichzeitig hat die Politik allerdings noch ein anderes Hindernis wegzuräumen, wie auch Amazon zu Recht immer wieder anmerkt: Die Problematik der vollen Versteuerung auf gespendete Waren machen diesen Ausweg für viele Händler bisher unnötig unattraktiv.