Boliden und Klapperkisten
Die ersten warmen Tage des Jahres locken die Menschen aus ihren bislang geheizten Büros und Wohnzimmern ins Freie.

Bereits niedrige zweistellige Außentemperaturen genügen nach dem harten Winter, um Biergärten und Straßencafés zu bevölkern.Während ich zur Mittagspause den ersten Cappuccino auf der Terrasse genieße und mir die wohltuenden Sonnenstrahlen ins Gesicht scheinen, unterbricht ein unangenehmes Dröhnen jäh die keimenden Frühlingsfreuden.
Das gute Wetter hat die ersten Cabrio- und Motorradfahrer auf den Plan gerufen. Direkt vor meinem Tisch fährt unter lautem Blubbern ein dachloses und maßlos übermotorisiertes Vehikel vor. Der Fahrer steigt aus und gesellt sich zu seinen Kumpanen am Nebentisch. Das Hauptthema deren Diskussion steht von vornherein fest: Hubraum, Beschleunigung, Preis und Leistung. Von 300 PS ist die Rede, von null auf hundert in 5 Sekunden, 300 km/h und Ähnlichem. Zwischendrin erwähnt jemand auch weniger erfreuliche Werte wie 20 Liter Super oder 50 000 Euro Anschaffungskosten.
Da lobe ich mir doch meinen klapprigen Diesel, der gerade mal 6 Liter verbraucht und keine 5000 Euro gekostet hat. Der schafft zwar nur mit Mühe 160 km/h, aber das genügt ja auch, denn 300 kann man ohnehin auf kaum einer öffentlichen Straße fahren. Zurück im Labor stehe ich vor meinem Serverschrank, und bei näherem Betrachten der Maschinen fallen mir der Bolide und der Diesel wieder ein. Unten im Rack verrichtet ein Pentium-3-Server mit 800 MHz und 256 MByte RAM seinen Dienst, treu, zuverlässig, stromsparend und wahrscheinlich keine 200 Euro mehr wert. Darüber röhrt ein Quad-Opteron-Server mit 16 GByte RAM und einem Wert von knapp 10 000 Euro. Eigentlich reicht der P3 doch völlig aus, wozu dieses übermotorisierte Monstrum? Wann komme ich dazu, den Quad-Server mal voll auszufahren? Dafür gibt’s doch kaum eine Applikation – zumindest nicht im Büroalltag. Aber dann fällt mir ein, dass dieser Server sehr wohl seine volle Kraft ausspielen kann. Er läuft unter Vwmare-ESX, und in Wirklichkeit verrichten hier im Schnitt gleichzeitig 10 bis 20 virtuelle Server ihre Dienste. Das ist also die Zukunft der Serverboliden.
Wenn die Rechen- und I/O-Leistung der einzelnen Maschine jenseits des praktisch Nutzbaren liegen, können die Administratoren sie in kleine virtuelle Einheiten aufteilen und parallel nutzen. Wie das geht, und welche Technologien zur Virtualisierung auf dem Markt zur Verfügung stehen, erfahren Sie im Server- Schwerpunkt dieser Ausgabe ab Seite 30. Das wäre übrigens ein toller Anwendungsfall für die Automobilindustrie: ein übermotorisierter Sportwagen, der einerseits 300 km/h auf die Straße bringt, sich im Bedarfsfall aber in 20 virtuelle Kleinwagen zerteilen lässt.Wie sich das technisch umsetzen lässt, ist mir allerdings völlig schleierhaft.
Ihr Andreas Stolzenberger