Spätestens seitdem sich Apps wie „WhatsApp“, Viber oder Tango bei den Endnutzern als präferierte Kurznachrichtendienste etabliert haben, müssen Mobilfunkanbieter ernsthaft über nachhaltige Geschäftsmodelle nachdenken, die eine Zusammenarbeit mit OTT-Playern vorsieht. Für viele war Facebooks Kauf von Whatsapp für 19 Milliarden Dollar ein Weckruf, der gezeigt hat, dass eine tiefgreifende Veränderung in der Kommunikationsbranche stattfindet – weg von bezahlten Telekommunikationsdiensten hin zu kostenlosen Internetangeboten.
So genannte OTT-Anbieter (Over-the-Top) wie Facebook, Whatsapp und Co. haben heutzutage nicht nur großen Einfluss auf die Umsätze, die Mobilfunkbetreiber mit SMS generieren. Sie sind sogar bereit, ihre dominierende Position gegenüber bestehenden Carrier-Infrastrukturen durch innovative Anwendungen weiter auszubauen.
Ein wichtiger Faktor für die Erfolgsgeschichte der OTT-Nachrichtendienste liegt in der massiven Einführung von Smartphones. Laut Recherchen von Mobilesquared wird es 2017 3,1 Milliarden Smartphone-Nutzer weltweit geben, doppelt so viele wie 2013 (1,6 Milliarden). Bis 2017 soll der OTT-Kommunikationsmarkt 53,7 Milliarden Dollar wert sein, mit 2,1 Milliarden Smartphone-Nutzern, die über OTT-Diens-te kommunizieren. Beide Faktoren haben einen starken Einfluss auf die Telekommunikationsindustrie und kosten sie täglich Millionen an entgangenen Einnahmen. Allein die Nutzer von Whatsapp verschi-cken beispielweise derzeit bis zu 50 Milliarden Nachrichten pro Tag über die App.
Entwicklung neuer OTT-Dienste beschleunigt
Darüber hinaus kombinieren OTT-Apps wie Tango Messaging-Funktionen mit anderen Anwendungen, die wir bis dahin hauptsächlich von sozialen Netzwerken kannten. Im Zuge der 280 Millionen Dollar schweren Finanzierung von Alibaba verkündete Tango, die Plattform dahingegend weiterzuentwickeln, dass Nutzer künftig auch Fotos, Musik, Spiele, Sprach- und Videonachrichten über die App teilen können. Nach Analysten-Meinung von Forrester werden sich einige Messaging-Apps außerdem zu eigenständigen Plattformen entwickeln, auf denen wiederum Drittanbieter Apps kreieren können.
In den vergangenen Monaten investierten einige prominente Internet-Unternehmen Millionen in OTT-Technologien, um ihre mobilen Angebote auszubauen und ihren Nutzern neue Messaging-Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen. So machte nicht nur Facebook mit der Übernahme von Whatsapp Schlagzeilen. Auch Apple investierte in seinen Dienst „iMessage“. Instagram brachte „Instagram Direct“ auf den Markt und Tango sicherte sich neue Finanzmittel. Durch den Zufluss von Inves-titionskapital wuchs die Kapitalisierung des OTT-Marktes deutlich, mit dem Ergebnis, dass zahlreiche innovative Partnerschaften entstehen, die weit über das Messaging hinausgehen.
Auf dem diesjährigen Mobile World Congress gab Whatsapp-CEO Jan Koum bekannt, kostenlose Sprachanrufe für die mittlerweile 500 Millionen Nutzer zu ermöglichen, was den OTT-Player zum direkten Konkurrenten von Skype und Viber macht. Kurz darauf kündigte Whatsapp eine Zusammenarbeit mit E-Plus an, bei der Abonnementen einer speziellen Datenflat Whatsapp kostenlos nutzen können. Mit dem Ziel eine Milliarde Nutzer zu erreichen und somit eines der größten virtuellen Netzwerke weltweit zu werden, plant Whatsapp seine Attraktivität weiter zu steigern, indem es seine Kommunikationsmöglichkeiten ausbaut. Diese Entwicklung wirkt sich auch positiv für Facebook aus, zumal das soziale Netzwerk dadurch seinem Ziel, sich als die globale Kommunikationsplattform schlechthin zu etablieren, wieder einen Schritt näher gekommen ist.
Dank des Zugriffs auf 500 Millionen Whatsapp-Nutzer, kann Facebook Mobilfunkbetreiber komplett umgehen, was sich entsprechend auf das SMS- und Sprachgeschäft der Anbieter auswirkt. Da deren Wertschöpfung auf Transaktionsgebühren beruht, verstärkt dieser Deal die Notwendigkeit für die MNOs, ihren Marktanteil zurückzuerobern und OTT-Dienste zu Geld zu machen.