Wohlstand gefährdet

Deutschland lahmt bei digitaler Handlungsfähigkeit

15. Mai 2015, 10:49 Uhr | Elke von Rekowski
Deutschland hat großen Nachholbedarf bei der Digitalisierung. Andere Nationen haben längst die Nase vorn (Foto: ra2 studio - Fotolia.com).

Deutschland und Europa müssen dringend zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um bei der Digitalisierung nicht den Anschluss zu verlieren. Ansonsten droht der Rückfall im internationalen Wettbewerb und der Wohlstand künftiger Generationen ist in Gefahr, warnen jetzt Experten.

Deutschland und Europa drohen den Anschluss zu verlieren, wenn es um die Digitalisierung geht. Ohne rasche Maßnahmen zur Unterstützung der digitalen Transformation der Wirtschaft werden Deutschland und Europa im internationalen Wettbewerb zurückfallen und der Wohlstand künftiger Generationen ist gefährdet, warnt der Branchenverband Bitkom . »Wir müssen unsere digitale Handlungsfähigkeit wiederherstellen. Die digitale Revolution erfordert Digitale Souveränität für Deutschland und Europa. Wir müssen bei digitalen Schlüsseltechnologien, Diensten und Plattformen internationales Spitzenniveau erreichen und gleichzeitig in der Lage sein, selbstbestimmt und selbstbewusst zwischen Alternativen vertrauenswürdiger Partner zu entscheiden«, sagt Bitkom-Präsident Prof. Dieter Kempf. Er mahnt, dass die Politik, aber auch alle relevanten Akteure in Wirtschaft und Gesellschaft, dem Ziel der Digitalen Souveränität oberste Priorität einräumen müssten. »Derzeit spielen Deutschland und Europa im internationalen Vergleich der digitalen Leistungsfähigkeit nur im Mittelfeld«, so Kempf.

Laut dem aktuellen Positionspapier »Digitale Souveränität« des Verbandes ist Europa weiterhin in 28 Teilmärkte zersplittert und die Nachfrage nach IT und Telekommunikation wächst EU-weit gerade einmal 0,1 Prozent. Länder wie die USA oder China hätten heute bereits deutlich größere, einheitliche Heimatmärkte, gleichzeitig stiegen die entsprechenden Investitionen um ein Mehrfaches, heißt es. Von den hundert global führenden IT- und Telekommunikationsunternehmen haben gerade einmal neun ihren Sitz in Europa, davon nur lediglich zwei in Deutschland. »International führende Unternehmen sind der Kern eines funktionierenden digitalen Ökosystems«, gibt Kempf zu bedenken. Ohne ein solches Ökosystem hätten es auch innovative Start-ups schwer, denen in der digitalen Welt eine besondere Bedeutung zukomme. Leitbranchen wie Maschinenbau, Automobilindustrie, Logistik, Energie oder Medizintechnik und Pharma befinden sich derzeit in einem rasanten Prozess der digitalen Transformation. »In vielen Leitbranchen verfügt Deutschland über weltweit führende Unternehmen. Es muss alles dafür getan werden, dass diese Branchen und ihre Unternehmen gestärkt aus der digitalen Transformation hervorgehen«, ermahnt Kempf.

Lippenbekenntnisse reichen nicht

Zwar findet sich laut Bitkom der Begriff »Digitale Souveränität« überschriftenartig in Äußerungen von Politikern auf EU- und Bundesebene, auch im Koalitionsvertrag wird die Rückgewinnung technologischer Souveränität als Ziel genannt. Eine einheitliche Definition fehle allerdings bislang. Für den Verband bedeutet die Digitale Souveränität die Fähigkeit zu selbstbestimmtem Handeln und Entscheiden im digitalen Raum. Digital souveräne Länder oder Regionen verfügen demnach digitalen Schlüsseltechnologien und -kompetenzen, entsprechenden Diensten und Plattformen über eigene Fähigkeiten auf internationalem Spitzenniveau. Sie seien darüber hinaus in der Lage, selbstbestimmt und selbstbewusst zwischen Alternativen leistungsfähiger und vertrauenswürdiger Partner zu entscheiden, sie bewusst und verantwortungsvoll einzusetzen und sie im Bedarfsfall weiterzuentwickeln und zu veredeln. Außerdem seien digital souveräne Länder in der Lage, ihr Funktionieren im Innern zu sichern und ihre Integrität nach außen zu schützen.

»Damit grenzen wir Digitale Souveränität von den beiden Extrempolen Fremdbestimmung und Autarkie ab«, sagte Kempf. Seiner Ansicht nach darf Souveränität nicht mit Autarkie verwechselt werden. »Alles selbst machen zu wollen, mit eigenen Ressourcen und mit entsprechenden Wohlfahrtsverlusten, wäre in einer globalisierten Welt ein regelrechter Irrsinn und für eine exportorientierte Volkswirtschaft wie die deutsche verheerend«, so der Bitkom-Präsident. Es müsse vielmehr darum gehen, dass sich Deutschland und Europa aus Situationen der Fremdbestimmung zu lösen, um sich danach souverän in einem offenen, weltweiten Innovationssystem bewegen zu können.


  1. Deutschland lahmt bei digitaler Handlungsfähigkeit
  2. Acht Maßnahmen gegen den Niedergang

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