„Wähle alle Bilder mit Ampeln aus“ – jeder kennt solche Captcha-Authentifizierungen. Aber warum gibt es eigentlich die Tests, die herausfinden sollen, ob ein Mensch vor dem Computer sitzt oder ein Spam-Bot? Und sind sie überhaupt noch zeitgemäß? Kryptografie-Legende David Chaum über Alternativen.
Stellen wir uns einmal die folgende Situation vor: Timon wartet schon länger sehnsüchtig auf den Launch des neuen Sneaker seiner Lieblingssportmarke. Es ist eine limitierte Sonderedition in Kollaboration mit einem bekannten Künstler. Um den Drop nicht zu verpassen, setzt Timon sich eine Erinnerung in seinem Handy, denn er weiß, wie sehr die Sneaker-Szene den neuen Schuh erwartet. Der Alarmton geht an und prompt setzt er sich vor den Bildschirm und ruft die Webseite der Sportmarke auf. Enttäuscht stellt er fest, dass bereits alle Exemplare seines neuen Wunschtreters ausverkauft sind – restlos. Solche Geschichten passieren fast täglich im Netz und betreffen nicht nur den Sneaker-Markt. Und die Tatsache, dass viele Kunden leer ausgehen, liegt nicht unbedingt nur an menschlichen Kunden. Wie kann das sein?
Der Grund liegt tiefer im Netz: Mittlerweile gibt es unzählige Computerprogramme, sogenannte Bots, die darauf programmiert sind, in Sekunden seltene oder limitierte Produkte zu Beginn eines Drops zu kaufen, um sie dann im Nachgang auf Sekundärplattformen teurer weiterverkaufen zu können. Das perfide: Diese Bots sind unglaublich schnell und effizient, Menschen haben keine Chance. Oft sind neue Produkte daher bereits ausverkauft, bevor die Seite überhaupt bei einem Kunden geladen wurde. Aber es sind nicht nur Produkt-Launches, bei denen Bots Schaden anrichten. Auch Formulare von Kunden-Supports oder Online-Umfragen können Opfer von Bot-Attacken werden, weil zwischen den unzähligen Fake-Anfragen echte Nachrichten schwer identifizierbar werden und damit die Bearbeitungszeit beträchtlich steigt. Bei Webdiensten gehen aktuell bis zu 70 Prozent der versuchten Anmeldungen von SpamBots aus.
Als Gegenmittel dienen Webseiten und Online-Shops sogenannte Captchas. Captcha steht für „Completely Automated Public Turing Test“, der beweist, dass die Anfrage von einem Menschen kommt. Für die Authentifizierung gibt es verschiedene Möglichkeiten: Man erhält einige, zufällig ausgewählte Bilder und soll alle markieren, auf den etwas bestimmtes wie zum Beispiel eine Ampel oder ein Bus zu sehen ist. Außerdem gibt es auch kleine Rechenaufgaben, die es zu lösen gilt, eine weitere Möglichkeit sind zufällige Buchstabenfolgen, die verzerrt oder von Linien durchzogen sind. Diese muss der Nutzer dann entziffern und in ein Textfeld eintippen. Alle diese Aufgaben können Menschen ohne Probleme lösen, während sich Maschinen sehr schwer damit tun.
Die Herausforderung: Da das Bot-Problem mittlerweile in jeder Ecke des Internets angekommen ist, sind es die Captchas auch. Einer Hochrechnung der Carnegie Mellon University zufolge, werden weltweit etwa 150.000 Stunden täglich damit zugebracht, diese Captcha-Tests zu lösen, um zu beweisen, dass hier gerade ein menschliches Wesen hinter dem Gerät sitzt und etwas bestellt, eine Seite aufruft oder sich mit einem echten Anliegen an den Kundendienst wendet. Das ist eine unfassbare Menge an Zeit, die man in sinnvollere Dinge investieren könnte. Vor diesem Hintergedanken ist daher auch das „reCaptcha“-Projekt entstanden: Dabei handelt es sich um eine Entwicklung von Luis von Ahn, bei der das Captcha Screenshots von einzelnen Wörtern aus Büchern zeigt. Zur Lösung des Captchas muss dann das entsprechende Wort abgetippt werden. Der Clou: So können Bücher im Handumdrehen digitalisiert werden, und das ohne irgendwelche Kosten.