KI und Finanzwesen

Eine automatisierte, aber personalisierte Kundenberatung

9. September 2022, 10:30 Uhr | Autor: Gery Zollinger / Redaktion: Diana Künstler
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Die Digitalisierung macht vor der Finanzdienstleistungsbranche nicht halt. Dies verlangt den Einsatz intelligenter, automatisierter Systeme für die Kundenkommunikation, wovon nicht nur rein onlinebasierte Finanzinstitute profitieren können. KI-gestützte Beratung eröffnet völlig neue Möglichkeiten.

Der Artikel liefert Antworten auf folgende Fragen:

  • Welche Möglichkeiten eröffnet KI-gestützte Beratung für die Finanzdiensleistungsbranche?
  • Was ist Conversational Banking?
  • Was leistet Natural Language Processing?
  • Welche Kommunikationskanäle nutzen deutsche Anleger?
  • Wie lassen sich beim Conversational Banking Sicherheit und Vertraulichkeit umsetzen?
  • Welcher Mehrwert lässt sich durch die Auswertung von Kundendaten gewinnen?
  • Wie kann hier automatisierte Datenanalyse von Nutzen sein?
  • Welche Anforderungen gibt es heute an eine ethische KI?
  • Wie können Konzepte wie Fast Data und Smart Data die Datennutzung agiler gestalten?

Die Digitalisierung macht vor der Finanzdienstleistungsbranche nicht halt. Nicht nur die Zahl der möglichen Kommunikationswege zwischen dem Finanzinstitut und seinen Kunden vergrößert sich – auch erwarten immer mehr Kunden eine kontinuierliche Erreichbarkeit ihrer Bank, also die Option einer Beratung rund um die Uhr. All dies verlangt den Einsatz intelligenter, automatisierter Systeme für die Kundenkommunikation. Ein automatisierter Beratungsansatz muss auch nicht auf rein onlinebasierte Finanzinstitute beschränkt sein. Auch klassische Banken und Vermögensberater können durch automatisierte Services ihre Kundenbetreuung verbessern. Denn Künstliche Intelligenz (KI) ermöglicht es nicht nur, auf individuelle Anfragen angemessen zu reagieren. KI-Systeme gestatten heute auch eine Hyperpersonalisierung bei automatisierten Investmentempfehlungen für das Portfolio der Kunden. Von hybriden bis zu komplett automatisierten Ansätzen: Eine KI-gestützte Beratung eröffnet völlig neue Möglichkeiten.

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KI ermöglicht ein neues Niveau an Personalisierung: Jeder Kunde wird König.

Data Science ist aus der Branche nicht mehr wegzudenken. Immer häufiger setzen Finanzinstitute KI auch in ihren Beratungslösungen ein. Dies hat unter anderem damit zu tun, dass die Technologie inzwischen ein neues Niveau erreicht hat: Eine gestiegene Rechenleistung und Cloud-Computing sorgen dafür, dass die automatisierte Analyse einer großen Menge von Daten – seien sie strukturiert oder unstrukturiert – heute sehr wertvolle Resultate erbringen kann. Hybride Konzepte wenden heute Datenanalysen und KI an, um eine automatisierte und eine persönliche Kommunikation zu mischen. Auf diese Weise werden Berater und Beraterinnen zum einen spürbar entlastet und zum anderen werden sie bei einer gezielten, passgenauen Betreuung unterstützt, die ganz den persönlichen Vorlieben und Wünschen der Kunden entspricht. KI und Data Analytics sorgen dafür, dass die Vermögensberatung effizienter und bedarfsgerechter werden kann. Zudem fördert die KI-Unterstützung den demokratisierten Zugang zur Vermögensverwaltung. Indem KI die Vermögensberatung automatisiert, wird für Finanzinstitute auch die Betreuung von Kundensegmenten relevant, bei denen eine intensive persönliche Betreuung bislang wenig lukrativ schien: vom etwas vermögenderen Affluent-Segment, bei dem sich oft eine hybride Beratung anbietet, bis zur vollautomatischen Beratungslösung für das tendenziell margenschwache Retail-Geschäft. KI ermöglicht ein neues Niveau an Personalisierung: Jeder Kunde wird König.

Natural Language Processing erschließt neue Kommunikationskanäle

Ein aktuelles Paradebeispiel für den Nutzen von KI liefert das Conversational Banking. Nicht zuletzt eine neuere Kundengeneration erwartet, dass sie mit ihren Beratern jene digitalen Kommunikationskanäle nutzen kann, die einfach Bestandteil ihres Alltags sind: Social Messenger Apps wie Whatsapp oder Wechat. Möglich wird dieses Conversational Banking aber erst durch eine intelligente Automatisierung aufseiten des Finanzinstituts. Unentbehrlich sind dabei innovative KI-Lösungen für das Natural Language Processing (NLP), die natürliche Sprache verstehen. Dank NLP erfasst ein Beratungssystem den Sinn der Kundenanfrage, egal über welchen Kanal sie eintrifft. So kann es den Berater bei einer zeitnahen Antwort unterstützen – etwa, indem es ihm sofort den Status des Kundenportfolios zeigt oder auch konkrete Antworten auf die Anfrage des Kunden vorschlägt. Dank der digitalen Unterstützung sind Berater in der Lage, nahezu in Echtzeit zu reagieren. KI und NLP schaffen die Voraussetzungen dafür, zu einer kontinuierlichen und dennoch personalisierten Interaktion mit dem Kunden überzugehen, ohne dass die Berater dabei übermäßig beansprucht wären.

Conversational Banking muss sicher und vertraulich sein

Messenger-App
Finanzinstitute müssen ein Höchstmaß an Schutz und Service bieten können. Um dieser zentralen Herausforderung zu entsprechen, sollte der Endpunkt des Conversational Banking, den der Berater oder die Beraterin nutzt, in eine sichere Bankumgebung eingebettet sein.
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Laut einer Avaloq-Umfrage nutzen 38 Prozent der deutschen Anleger eine mobile App, wenn sie mit ihrer Bank oder ihrem Vermögensberater kommunizieren. Für 18 Prozent ist dies sogar ihre bevorzugte Kommunikationsmethode. Noch wird Social Media zur Kommunikation mit der Bank oder dem Vermögensverwalter deutlich weniger genutzt: Nur 13 Prozent der deutschen Anleger verwenden derzeit diesen Kanal. Diese beträchtliche Differenz ist scheint jedoch nicht Bedenken der Kunden gegenüber der Technologie geschuldet, sondern der Sorge um den Schutz der Privatsphäre. Wenn die Kunden davon ausgehen dürften, dass ihre Gespräche völlig privat und sicher sind, wären 31 Prozent der deutschen Befragten, die mit ihrer Bank oder ihrem Vermögensverwalter noch nicht über soziale Medien kommunizieren, daran interessiert, dies zu tun. Weitere 20 Prozent bekunden sogar sehr großes Interesse. Finanzinstitute müssen also ein Höchstmaß an Schutz und Service bieten können. Um dieser zentralen Herausforderung zu entsprechen, sollte der Endpunkt des Conversational Banking, den der Berater oder die Beraterin nutzt, in eine sichere Bankumgebung eingebettet sein. Erstens kann die Verbindung zwischen dem Endpunkt des Kunden und der sicheren Bankumgebung dann als geschützt betrachtet werden. Zweitens behält das Finanzinstitut so die volle Kontrolle über die Interaktion der Berater mit ihren Kunden: Sie bleibt immer transparent und überprüfbar.

Digitale Kommunikation als Datenlieferant

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Kunden segmentieren und Anlagevorschläge automatisch personalisieren zu können, ist der eine große Vorzug einer automatisierten Datenanalyse.
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Schon heute gilt: Die automatisierte Unterstützung der kommunikativen Kanalvielfalt ermöglicht für die Berater einen kontinuierlichen Austausch. Sie gestattet eine personalisierte Kundenkommunikation mit hoher Frequenz und Intensität bei zugleich moderatem Aufwand. Neben all den Daten, die einem Finanzinstitut zu seinem Kunden ohnehin vorliegen, liefert auch das Conversational Banking eine Fülle an relevanten Informationen. All diese Kundendaten sind eine wertvolle Datenquelle. Sie per NLP und KI auszuwerten, verhilft dem Finanzinstitut zu noch weiterreichenden Einsichten – was wiederum eine zielgenauere Personalisierung von Angeboten und Vorschlägen ermöglicht.

Kunden segmentieren und Anlagevorschläge automatisch personalisieren zu können, ist der eine große Vorzug einer automatisierten Datenanalyse. Der andere ist es, dass ein Finanzinstitut in seiner Beratungstätigkeit sehr zeitnah reagieren kann – ob diese Beratung nun hybrid mit einem virtuellen Assistenten oder völlig automatisiert stattfindet. Dies betrifft nicht nur Kundenanfragen, sondern ebenso attraktive Kontaktanlässe, die sich aufgrund äußerer Ereignisse ergeben – etwa aufgrund von Wirtschaftsdaten oder Unternehmensnachrichten. Darum ist es sinnvoll, verschiedenste externe Daten- und Informationsquellen in ein Beratungssystem einzubinden. Berater sehen dann beispielsweise im Dashboard ihres virtuellen Assistenten alle wichtigen Market-Alerts – und erhalten gleichzeitig die Information, für welche spezifischen Portfolios, Vermögenswerte oder Kundensegmente diese Nachrichten relevant sind.

Nur eine ethische KI ist zukunftsfähig

Ob durch Künstliche Intelligenz (KI) oder Maschinelles Lernen (ML) – indem Institute repetitive Abläufe automatisieren, erhöhen sie ihre Effizienz. Maschinelles Lernen gestattet es zudem, die Automatisierung stetig weiterzuentwickeln. Das Problem dabei: ML-Algorithmen werden an der Realität trainiert und können deswegen – oft ungewollt – menschliche Vorurteile reproduzieren. Bereits das Design des Algorithmus und die Auswahl der relevanten Parameter können unethischen und irrationalen Entscheidungen Vorschub leisten. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn die KI sich auf problematische Attribute wie das Geschlecht eines Kunden stützt oder auf den Wohnort. Darum gibt es heute Anforderungen an eine „ethische KI“. Auch der „Artificial Intelligence Act“ (AI Act), den die EU-Kommission schon 2021 vorgeschlagen hat1, will KI-Systeme im Sinne einer ethischen Unbedenklichkeit regulieren. Eine wichtige Forderung des AI Act ist die Transparenz der KI-Systeme und ihrer Resultate. Denn nur ein konsequentes und kontinuierliches Monitoring der Ergebnisse kann sicherstellen, dass eine KI dauerhaft vorurteilsfrei agiert.

Compliance- und Umsatzrisiken vermeiden

Eine vorurteilsbeladene KI setzt Banken nicht nur Reputations- und in Zukunft auch Compliancerisiken aus, sie kann ebenso dazu führen, dass dem Institut Umsatzchancen entgehen. Etwa wenn der virtuelle Assistent immer öfter die Intention von Kundenanfragen missversteht oder unpassende Investmentvorschläge für Kunden liefert. Bei KI-Anwendungen mit einem inhärent hohen Vorurteilsrisiko ist eine enge Überwachung ohnehin unverzichtbar: etwa bei Systemen für das Kreditrating von Neukunden. Einige moderne KI-Lösungen bieten den Datenwissenschaftlern darum bereits entsprechende Monitoring-Dashboards mit Alarmfunktionen an. So lässt sich beispielsweise zur Vorhersagegenauigkeit des KI-Modells eine Qualitätskennzahl erheben. Schon in der Entwicklungsphase legt man eine erwartbare Genauigkeit fest und definiert, welche Abweichung tolerierbar wäre. Werden Grenzwerte für diese KPIs überschritten, löst dies einen entsprechenden Alarm aus. Am Ende müssen es immer Menschen sein, die beurteilen, ob das KI-Modell moralischen Ansprüchen noch genügt und ethische Anforderungen in der gebotenen Weise erfüllt.

Fast Data und Smart Data sorgen für Agilität

Wichtige technologische Trends bei automatisierten Datenanalysen sind Transformationen zu Data-as-a-Service oder Data-as-a-Product. Diese Ansätze ermöglichen mithilfe der Datenvirtualisierung eine schlanke, businessgetriebene Sicht auf die Daten und vereinfachen den Zugriff für die verschiedenen Datenkonsumenten innerhalb eines Finanzinstituts deutlich. Auch Konzepte wie Fast Data und Smart Data sind angetreten, die Datennutzung agiler zu gestalten. Beides sind Weiterentwicklungen gegenüber herkömmlichen Big Data-Ansätzen, die stets mit sehr großen Datenmengen umgehen und eine geringere Beweglichkeit aufweisen. Vorrangiges Ziel von Fast Data ist es, Daten sehr schnell, oft auch in Echtzeit, an unterschiedlichsten Stellen in einer Organisation verfügbar zu machen. Die Live-Dashboard-Unterstützung für Investment Advisors wäre solch ein Fast Data-Anwendungsfall. Smart Data wiederum will Nachteile eines Big Data-Ansatzes überwinden, indem es aus der Gesamtheit der Daten anhand spezifischer Algorithmen Datenteilbereiche extrahiert.

Gery Zollinger, Avaloq
Gery Zollinger ist Head of Data Science & Analytics bei Avaloq, dem Schweizer Anbieter von digitalen Banking-Lösungen, Kernbankensoftware und Vermögensverwaltungstechnologie. Bevor er 2019 zu Avaloq stieß, arbeitete er bei Credit Suisse im globalen Credit Risk Analytics Team und war für die Kreditrisikomodellierung innerhalb der Sparten Private und Investment Banking verantwortlich. Zudem hat er dort ein globales Data Scientist Team im Bereich Compliance Analytics aufgebaut und geleitet.
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Auf diese Weise werden spezifische, nutzeradäquate Sichten auf die Daten möglich. So sind im Beispiel der Front-Office-Unterstützung etwa Daten zu Produktallokation und Produktpenetration relevant. Ob Fast oder Smart Data – beide Ansätze werden durch eine moderne Data Lake-Architektur unterstützt, die über ein flexibles Datenmodell mit verschiedenen Business-Domänen verfügt. Dieser Data Lake, der alte Silo-Strukturen in der Organisation ersetzt und Daten zentralisiert, kann strukturierte, halbstrukturierte und unstrukturierte Daten beinhalten, externe Nachrichten und Mitteilungen eingeschlossen.

Datenanalysen, Künstliche Intelligenz, NLP-Unterstützung – all diese Digitalisierungstechnologien werden die Zukunft des Bankings und der Vermögensberatung prägen. Finanzinstitute, die sich der datengetriebenen Zukunft stellen, werden dadurch Upselling-Potenziale bei Bestandskunden ausschöpfen, ihre Zielgruppen in Richtung Retail-Segment vergrößern und ihre Umsätze erhöhen. Automatisierung und Personalisierung müssen in der Kundenbetreuung keine Gegensätze mehr sein: Leistungsfähige KI-Systeme ermöglichen heute beides.

1 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:52021PC0206


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