Unframes Blueprint-Ansatz

In wenigen Tagen zur produktiven KI

3. Juni 2025, 12:00 Uhr | Diana Künstler
Larissa Schneider, Mitgründerin und COO von Unframe: „Wenn Mitarbeitende ihre Probleme mit einem Satz lösen können, haben wir unser Ziel erreicht.“
© Unframe

KI einführen, ohne monatelange Projekte oder externe Entwickler? Das Berliner Start-up Unframe zeigt, wie Unternehmen mit einem modularen Baukasten in wenigen Tagen produktive, datenschutzkonforme KI-Anwendungen realisieren können – passgenau, skalierbar und ganz ohne Hype.

Künstliche Intelligenz ist in den Unternehmen angekommen. Doch während große Sprachmodelle wie GPT-4 oder Claude3 im Rampenlicht stehen, stellen sich viele Unternehmen vor allem eine Frage: Wie lassen sich bestehende Tools und Prozesse mit KI überhaupt sinnvoll verknüpfen, ohne die IT-Infrastruktur zu sprengen oder Ressourcen zu überlasten? Die Antwort darauf hat das junge Unternehmen Unframe, das mit einem modularen Plattformansatz für Aufmerksamkeit sorgt. Dieser verspricht individualisierte KI-Lösungen in wenigen Tagen statt Monaten. Im Gespräch mit connect professional gibt Mitgründerin und COO Larissa Schneider Einblick in Strategie und Use Cases.

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Vom Stealth-Modus zum Blueprint-Prinzip

Gründer von Unframe
Die GründerInnen von Unframe (v.li.n.re.): Adi Azarya, Shay Levi und Larissa Schneider
© Unframe

Unframe wurde im März 2024 gegründet – von einem Team mit Wurzeln im Cybersecurity-Bereich, darunter Shay Levi, Ex-CTO von Noname Security. Der operative Hauptsitz liegt in Cupertino, das R&D-Zentrum in Tel Aviv, weitere Standorte gibt es in Berlin, Großbritannien und Spanien. Das multinationale Gründungsteam – israelisch, amerikanisch, deutsch – verfolgt einen klaren Fokus: Statt das nächste große KI-Modell zu bauen, will man Unternehmen befähigen, mit vorhandenen Technologien echte Produktivitätssprünge zu erzielen. Die Frühphase verlief bewusst im Verborgenen: „Wir wollten nicht früh mit leeren Händen PR machen, sondern erst sichtbar werden, wenn wir eine wirklich tragfähige Story, Referenzkunden und ein stabiles Produkt haben“, sagt Larissa Schneider. Mit dem offiziellen Markteintritt im April 2025 wurde dieser Meilenstein gesetzt – begleitet von mittlerweile über 50 Millionen US-Dollar eingesammeltem Kapital.

Kern des Angebots ist ein Blueprint-Ansatz, der es ermöglicht, KI-Lösungen auf Basis generischer Funktionsbausteine (etwa für Uploads, Dashboards, Karten- und Tabellensichten) in kürzester Zeit auf individuelle Use Cases zuzuschneiden. Diese Bausteine werden durch YAML-basierte Konfigurationsdateien (eine leicht lesbare, textbasierte Beschreibungssprache) orchestriert, die neben den UI-Elementen auch Integrationen, Nutzerrollen und Datenmodelle beschreiben. Schneider: „Damit können wir hochgradig spezifische Anwendungen bauen. Aber mit einer Architektur, die sich skalieren lässt.“

Praxisnahe Use Cases: vom SharePoint-Chaos zur Datenintelligenz

Die Plattform dockt an bestehende Systeme wie Jira, Confluence, SharePoint oder Salesforce an und transformiert sie zu einer einheitlichen, per Spracheingabe bedienbaren Oberfläche. Das reduziert Komplexität, ohne etablierte Prozesse zu unterbrechen. Ein typisches Szenario: Im IT-Operations-Bereich eines Konzerns mit heterogenen Tools lassen sich bis zu 80 Prozent der Standardprozesse per natürlicher Sprache automatisieren, ohne dass Nutzer durch mehrere Tabs und Systeme navigieren müssen. Besonders eindrücklich wird der Nutzen im Immobiliensektor. Ein globaler Konzern verwaltete zehntausende Mietverträge in Form von PDF-Scans in SharePoint. Bis dato wurden diese manuell von Offshore-Teams in Excel überführt. Heute erkennt Unframe automatisch relevante Informationen, extrahiert sie, visualisiert sie auf Karten oder Dashboards und erlaubt Ad-hoc-Analysen in Sekunden. Selbst komplexe Fragen wie „In welchen Gebäuden sind wir für die Fensterwartung zuständig?“ beantwortet das System sofort. Für den ersten Proof of Concept verging zwischen Erstgespräch und Testlauf gerade einmal eine Woche.

Larissa Schneider: „Unsere Kunden starten in wenigen Tagen mit einer einsatzbereiten KI-Anwendung – ohne etwas selbst bauen zu müssen.“

Ein weiteres Beispiel: Im Finanzbereich kann die Plattform erkennen, strukturieren und analysieren, welche Kundengruppen in welchem Quartal welche Umsätze generierten, je nach Setup auch ohne, dass dabei sensible Rohdaten direkt in die Modelle eingespeist werden müssen. Stattdessen arbeitet das LLM mit abstrahierten Abfragen und strukturbezogenen Prompts. Ein Konzept, das Datenschutzbedenken von Beginn an berücksichtigt.

Flexibilität, Datenschutz und Preismodell mit Augenmaß

Technisch ist Unframe vollständig modellagnostisch. Die Plattform kann sowohl mit großen KI-Modellen wie OpenAI und Anthropic als auch mit Open-Source- oder proprietären LLMs betrieben werden – je nachdem, was der Kunde bereits autorisiert hat. Auch bei der Datenhaltung ist maximale Flexibilität vorgesehen: Dank Integrationen mit Slack, Microsoft Teams oder E-Mail-Systemen werden unstrukturierte Daten wie PDFs automatisch erfasst. Alternativ lassen sich Dateien auch direkt per Drag & Drop in der Benutzeroberfläche hochladen.

Ein besonders differenzierender Aspekt ist das Geschäftsmodell: Statt pro User abzurechnen, arbeitet Unframe mit sogenannten „T-Shirt-Sizes“ (Pakete wie Small, Medium, Large oder Extra Large), je nach Integrationsaufwand, Nutzung und Infrastrukturbedarf. Einstiegspreise liegen bei rund 75.000 US-Dollar pro Jahr inklusive LLM-, Cloud- und Betriebskosten. „Wir wollten verhindern, dass Unternehmen bei jeder Lizenz fragen müssen: Lohnt sich das? Denn dann bleibt das Potenzial von KI unausgeschöpft“, betont Schneider.

Die Plattform ist als vollständig gemanagter Service gedacht – ohne dass Kundenteams Entwicklerressourcen abstellen müssen. Gleichzeitig werden neue Funktionen kontinuierlich aufgespielt, je nach Wunsch des Kunden. Aus einem Projekt werden so oft viele: „Unsere größte Freude ist, wenn wir ein zweites, drittes oder viertes Use Case-Modul beim Kunden umsetzen dürfen. Das zeigt uns, dass der Nutzen auch im Alltag ankommt.“

Gerade für regulierte Branchen wie das Gesundheitswesen, die Versicherungswirtschaft oder Finanzdienstleister ist Datenschutz nicht verhandelbar. Während viele Anbieter beim Thema DSGVO oder künftig AI Act mit komplexen Zusatzmodulen reagieren, profitiert Unframe von einem grundlegend datensparsamen Architekturprinzip. „Wir bauen keine eigenen Modelle. Wir nutzen nur, was der Kunde bereits genehmigt hat“, erklärt Schneider. Die Plattform dockt ausschließlich an KI-Modelle an, die das Unternehmen selbst freigegeben hat. Noch entscheidender: In vielen Fällen verlassen die sensiblen Unternehmensdaten nicht einmal die eigene Infrastruktur. Statt rohe Inhalte wie Kunden- oder Umsatzdaten an das KI-Modell zu schicken, überträgt Unframe lediglich die Struktur der Abfrage. Die eigentliche Berechnung erfolgt lokal. Das LLM liefert nur das „Wie“, nicht das „Was“. „Das Modell weiß, wie eine Antwort berechnet werden muss – aber nicht, wofür. Die eigentliche Auswertung passiert lokal, ohne dass sensible Inhalte übertragen werden“, so Schneider. Für besonders sensible Szenarien erlaubt Unframe zudem komplett abgeschottete On-Premise-Lösungen. Selbst Modelle ohne Internetverbindung lassen sich integrieren. Damit erfüllt die Plattform bereits heute viele der Anforderungen, die mit dem AI Act erst verbindlich werden – etwa in Bezug auf Transparenz, Datenminimierung und Rechenschaftspflicht.

Der entscheidende Vorteil: Diese Compliance ist keine Last, sondern von Beginn an Bestandteil des Designs. Und das verschaffe Unframe gegenüber Wettbewerbern, die nachträglich regulatorische Auflagen einbauen müssen, einen klaren Vorsprung.

Kundenfokus, Marktdynamik und der europäische Faktor

Larissa Schneider, Unframe
Die Plattform überzeugt, doch der europäische Markt tut sich laut Schneider noch schwer. Sie sagt: „Wer KI verbietet, öffnet die Tür zu Schatten-IT. Wer sie ermöglicht, behält die Kontrolle.“
© Unframe

Mit Kunden in Nordamerika, Europa, Asien und Afrika ist das Start-up heute bereits global aufgestellt, mit einem klaren Fokus auf Enterprise-Kunden. Der europäische Markt spielt dabei eine wichtige Rolle, ist aber laut Schneider „komplexer, fragmentierter und langsamer in der Entscheidungsfindung“. In vielen Fällen werde KI hier noch „als Risiko gesehen, das man begrenzen will, statt als Werkzeug, das man bereitstellen sollte“. In der Praxis bedeutet das: Viele europäische Kunden testen KI zuerst in US- oder Asien-Teams, aber nicht im Heimatmarkt. Unframe sieht in Deutschland dennoch großes Potenzial. Nicht zuletzt im gehobenen Mittelstand, etwa in Industrie oder Bauwesen. Dabei liegt der größte Hebel in der Nutzung: „Wer KI blockiert, provoziert Schatten-IT. Wer sie erlaubt, behält die Kontrolle.“

Die Nachfrage jedenfalls wächst: In vielen Fällen entwickelt sich die Plattform nach einem initialen Projekt zu einem Selbstläufer: Neue Fachbereiche melden sich, neue Anwendungsfälle entstehen. Die ersten Kundenprojekte laufen inzwischen ohne Beteiligung der Gründer. Für Larissa Schneider ein klares Zeichen: „Wir haben die richtigen Strukturen aufgebaut.“

Die Entwicklung von Unframe selbst ist rasant. Noch im Frühjahr 2025 lag das Team bei 15 Mitarbeitenden. Vier Monate später sind es über 35; Tendenz steigend. Bis Ende des Jahres sollen es über 80 sein.

Fazit: Weniger KI-Hype, mehr Wirkung im Alltag

Unframe zeigt, wie KI jenseits von Buzzwords konkrete Effizienzgewinne bringen kann und das nicht durch proprietäre Modelle, sondern durch durchdachte Integration. Die Plattformstrategie, die modulare Architektur und der konsequente Fokus auf reale Use Cases unterscheiden Unframe deutlich von vielen Wettbewerbern im überhitzten KI-Markt. Und statt großer Versprechen steht am Ende ein klarer Nutzen. Oder wie Larissa Schneider es formuliert: „KI muss kein Mammutprojekt sein. Wenn wir das Potenzial heben wollen, müssen wir es den Nutzern einfach machen.“


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