Das Zahlungsverhalten eines Kunden, richtig analysiert, ist ein Frühwarninstrument, das einen drohenden Forderungsausfall rechtzeitig anzeigen und Schaden im besten Fall verhindern kann. Kreditmanager wollen sich aber ein umfassendes Bild über ihre Klientel machen und greifen immer häufiger auf externe Datenpools zurück. Ein Restrisiko bleibt aber bestehen.
Alarmstimmung. Im Sommer dieses Jahres wurde die IT-Branche aufgeschreckt. Der Fertiger und Distributor Krystaltech Lynx aus Reutlingen meldete Insolvenz an, Adam Riesig und Lion Electronics stellten ihr Großhandelsgeschäft ein und Distributor Devil ließ sich von der niederländische Tulip übernehmen, was manche Beobachter vorschnell als Notverkauf interpretierten. Erinnerungen an die Insolvenzwelle im Sommer 2004 wurden wach, als nahezu wöchentlich ein Distributor beim Amtgericht vorstellig wurde. Wie immer in solchen Fällen beginnt für die Gläubiger das große Zittern. Oder auch nicht.
Branchenwechsel. Im Gegensatz zum Handelsriesen Rewe, der durch die spektakuläre Pleite des Geldtransportunternehmens Heros um 300 Millionen Euro geschädigt wurde, klopft sich Drogeriekönig Anton Schlecker und das Management des Lebensmitteldiscounters Lidl auf die Schultern. Rechtzeitig vor der Pleite des Dienstleisters kündigten beide Konzerne ihre Geschäftsbeziehungen zu Heros. Man habe, so war aus den Firmenzentralen zu hören, immer häufiger festgestellt, dass die Zahlungseingänge verspätet verbucht wurden. Vorausschauend handelte auch der Münchner Groß- und Einzelhandelsriese BayWa in einem anderen Fall. Die Insolvenz ihres Kunden Walter Bau sahen die Münchner ebenfalls lange voraus, strichen dessen Lieferantenkredit auf ein Minimum und schützten sich so vor Millionenverlusten. Systematisches Risikomanagement ist bei der BayWa nichts Neues. Der Handelsriese, Jahresumsatz zuletzt über 6,5 Milliarden Euro, kann es sich sogar leisten, auf eine teure und meist mit Selbstbehalt behaftete Warenkreditversicherung zu verzichten. Bei einem durchschnittlichen Forderungsausfall in Höhe von 0,1 Prozent vom Umsatz kommt der Konzern günstiger weg.
Nicht verzichten wollen und können Firmen, die ihre Buchhaltung so vorbildlich im Griff haben, auf eines: Valide Daten zur Früherkennung von Zahlungsschwierigkeiten ihrer Kunden. Werden harte Negativmerkmale wie beispielsweise eine Häufung von Inkassoverfahren oder gar eine Kündigung versicherter Lieferantenkredite offenkundig, kommt die Warnung für Lieferanten nämlich meist zu spät. Effektives Controlling setzt daher weit vorher an, und zwar beim Management der Debitoren. »Konkrete Zahlungserfahrungen – negative wie positive – sind ein wirkungsvoller Indikator für die Kundenbonität«, sagt Erhard Gorny. Der Handelfachwirt und Bilanzbuchhalter weiß wovon er spricht. 20 Jahre hat Gorny beim Broadliner Ingram Micro den Kreditbereich beleitet und dabei so machen Kunden besucht, »um zu retten, was zu retten ist«. Heute nimmt der Kaufmann, der sich vor vier Jahren selbständig machte, Kunden des Broadliners vom Büro aus ins Visier, damit sie erst gar nicht zu Problemfällen werden. Das sind immerhin über 30.000 aktive Debitoren, denen täglich mehr als 10.000 Rechnungen zugeteilt werden. Da nahezu alle Distributoren ihre Kunden mit Lieferantenkrediten an sich binden und so das Geschäft am Laufen halten wollen, steigt freilich auch ihr Risiko als Zwischenfinanzierer. Gornys Aufgabe ist es hierbei, Ingram Micro in Punkto kredit- und risikooptimale Beurteilung des Kundenlimits zu beraten.