Straffes Kreditmanagement setzt beim Zahlungsverhalten ein

Frühdiagnostik in der Buchhaltung

4. Oktober 2006, 11:03 Uhr | Martin Fryba

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Idealbild Röntgenblick

Erhard Gorny, ehemals Leiter der Kreditabteilung Ingram Mirco, heute selbstständig
Erhard Gorny, ehemals Leiter der Kreditabteilung Ingram Mirco, heute selbstständig

Dabei nutzt er die Zahlungserfahrungen der Ingram Mirco-Kundschaft. Schon relativ früh hat der Distributor begonnen, Daten wie Forderungslaufzeit oder Mahnstufe zu archivieren, um Veränderungen im Zahlungsverhalten erkennen und so die Bonität eines Kunden besser einschätzen zu können. Die interne Auswertung der Debitoren sei eminent wichtig, »ein unverzichtbares Instrument um Unternehmenskrisen im Vorfeld erkennen zu können«, meint Gorny. Was aber noch nicht ausreicht. Bezahlt ein Kunde seine Rechnungen bei einem Distributor pünktlich, ist das lediglich eine punktuelle Aussage. Was die Statistik nicht liefern kann, ist ein Gesamtbild über das Zahlungsverhalten eines Kunden.

Röntgenblick. Genau das aber wäre ein Idealbild, von dem Kreditmanager in Unternehmen träumen: Ein umfassender Zugriff auf konkrete Zahlungserfahrungen anderer Unternehmen mit meinem Kunden. Für Controller in Mobilfunkunternehmen ist dieser Traum schon längst in Erfüllung gegangen. Obwohl die Provider in einem gnadenlosen Wettbewerb stehen – bei der Bonitätsprüfung ziehen sie fast alle an einem Strang. In den Datenpool Fraud Prevention Pool (FPP) der Bürgel Wirtschaftsinformationen fließen alle zahlungsrelevanten Kundendaten von Mobilfunkkunden ein, aus dem sich die Telefongesellschaften vor Vertragsabschluss mit einem Neukunden bedienen können. Provider-Hopping oder betrügerische Vertragsabschlüsse können so im Vorfeld verhindert werden. Von einem Gesamtbild des Zahlungsverhaltens eines Kunden ist dieser bracheninterne Datenpool aber auch noch weit entfernt.

Bei der Auskunftei Creditreform ist man dagegen schon ein Schritt weiter. Im Zahlungserfahrungs-Pool, kurz ZaC genannt, fließen die Debitoreninformationen von Unternehmen aller Branchen ein. Teilnehmende Unternehmen übertragen ZaC monatlich ihre Zahlungserfahrungen und erhalten im Gegenzug kostenfreie Auswertungen, wie ihre Kunden im Durchschnitt ihre Rechnungen bei anderen Lieferanten begleichen. Bezahlt beispielsweise ein Fachhändler seine Distributoren stets pünktlich, was allein schon durch das Abbuchnungsverfahren gewährleistet ist, lässt sich aber etwa von Getränkelieferanten immer gerne anmahnen, fließt diese negative Tendenz in die Gesamtbewertung ein. Je mehr Unternehmen Daten in den Pool stellen, desto aussagekräftiger ist die Analyse des Zahlungsverhaltens. Seit der Einrichtung von ZaC Mitte Juli 2003 wächst die Datenmenge rasant. Waren im Juli 2004 bereits zwölf Millionen Belegdaten zu über einer halben Millionen Unternehmen im Pool versammelt sind es zwei Jahren später bereits 35 Millionen Zahlungserfahrungen von mehr als 1,3 Millionen Debitoren.

Einer der ersten Teilnehmer von ZaC ist der Elektrogroßhändler Emil Ratz GmbH aus Pforzheim. Bei der Entscheidung über die Höhe des Lieferantenkredits für einen Kunden orientieren sich die Schwaben in erster Linie an ihrem internen Klassifizierungssystem. Das Rating lässt sich zwar auf die angestammte Klientel anwenden, nicht aber auf Neukunden, die Geschäftsführer Hans Peter Kirschler gewinnen will. Das erhöhte Risiko aufgrund fehlender eigener Zahlungserfahrungen war dem Manager bewusst: »Wir wollten nicht den klassischen Fehler begehen und die schlechten Kunden unserer Mitbewerber als eigene Kunden übernehmen«. In der Expansionsphase sollten daher externe Daten ins eigene Debitorenmanagement einfließen, um so das Ausfallrisiko zu minimieren. Diese Strategie hat sich ausgezahlt: Das Gesamtrisikopotenzial, laut Kirschler 120.000 Euro, habe sich nahezu halbiert.

Ganz ausschließen kann man Forderungsausfälle freilich nicht, auch wenn man Frühdiagnostik am Patienten, sprich seines Zahlungsverhaltens, betreibt, wie es Broadliner Ingram Mirco tut. »Trotz eines ausgeprägten Risikomanagements lassen sich bisher Forderungsausfälle in Größenordnungen von einigen Millionen Euro pro Jahr nicht vermeiden«, räumt Erhard Gorny ein.

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