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Hauptsächlich sind IT-Dienstleister betroffen

Autor: Redaktion connect-professional • 10.8.2008 • ca. 2:40 Min

Inhalt
  1. IT-Fachkräftemangel ist sehr spezifisch
  2. Hauptsächlich sind IT-Dienstleister betroffen

Der Markt für IT-Fachkräfte funktioniert stets nach den gleichen Mechanismen: Zunächst haben es in der Regel große Anbieter leichter als kleine, geeignetes Personal zu finden und vor allem längerfristig zu binden. Sie verfügen oftmals über Anreizsysteme wie Inter­nationalität, Schulungsmodelle, Sozialleistungen, flexiblere Arbeitszeitmodelle und bessere Karriereperspektiven. Kleinere Anbieter können derartige Vorteile meist nicht bieten, zumindest nicht in dieser Form und in diesem Ausmaß. Zugleich ist der IT-Markt nach wie vor durch eine hohe Dynamik geprägt, speziell im Umfeld des Projektgeschäfts. Im Augenblick erlebt der SAP-Markt – aus Sicht der Dienstleister – durch die Upgrade-Thematik eine Sonderkonjunktur. Was nach dieser Sonderentwicklung kommt, ist unklar. Können die Experten dann auf dem lokalen Markt nach wie vor ausgelastet werden oder werden wir plötzlich mit einem Angebotsüberschuss an IT-Experten wie in den Jahren 2002/2003 konfrontiert, der einen dramatischen Preisverfall nach sich zieht? Wie bereits erörtert, scheint der Fachkräftemangel vor allem die IT-Anbieterseite zu treffen. Kann folglich auf der IT-Anwenderseite gar nicht von einem wirklichen Fachkräftemangel gesprochen werden? Und wie sollen dann genau die helfen, die ja vom Mangel am meisten betroffen sind? Dass der Mangel an Fachkräften vorwiegend die IT-Dienstleistungsbranche trifft, macht deutlich, wie stark man mittlerweile in Deutschland in der IT mit externen Dienstleistern zusammenarbeitet. Führt man diesen Gedanken konsequent zu Ende, liegt der Schluss nahe, dass externe Lieferanten hier also bereits Abhilfe geschaffen haben, bevor dieses Thema auch die IT-Anwender in größerem Umfang treffen konnte. Diejenigen unter den größeren IT-Anwendern, die hier ein spürbares Problem haben, sollten dies als Indikator wahrnehmen und sich überlegen, ob der eigene Anteil in der Leistungserbringung der IT nicht immer noch zu hoch ist. Ein Mangel an IT-Fachkräften besteht also aus struktureller Sicht eher auf der Seite der IT-Dienstleister. Eine eher hypothetische Frage ist dabei aber, inwiefern dieser Mangel das Wachstum der ITK-Branche be­schränkt, oder gar, wie etwa der Bitkom meint, »zu einem strukturellen Problem für den gesamten Wirtschaftsstandort wird«. Pierre Audoin Consultants geht in seinen aktuellen Prognosen davon aus, dass 2008 für den IT-Dienstleistungssektor das Jahr mit dem höchsten Wachstum sein wird und dass ab 2009 die Zunahme wieder rückläufig sein wird. Und das nicht, weil es nicht genügend Experten gibt, sondern einfach, weil die gesamtökonomischen Rahmendaten ungünstiger sind und bestimmte Themen, wie beispielsweise das SAP-Upgrade, ihren Zenith hinter sich haben werden. Aus der Sicht der IT-Anwender stellt sich eher nicht die Frage nach einem strukturellen Fachkräfte-Mangel als nach einem spezifischen Mangel. So fehlt es an Spezialwissen für bestimmte Bereiche, Prozesse oder neue Technologien. Wer unter den Anwendern in einer fairen, strategischen Partnerschaft mit einem externen IT-Dienstleister zusammenarbeitet, hat sicherlich keine Probleme, auch heute an das benötigte Fachwissen heran zu kommen. Wer allerdings in den vergangenen Jahren seine Einkaufsmacht zu stark ausgespielt und mit seinen Dienstleistern Konditionen ausgehandelt hat, die aktuell nun einfach überholt sind, läuft entsprechend Gefahr, nicht immer die wirklichen Experten für seine Projektvorhaben zu bekommen. Diese werden nämlich aufgrund der aktuellen Knappheit bei anderen Kunden zu besseren Bedingungen eingesetzt. So kann es in einer Zeit, in der Nachfrage und Angebot deutlich aus dem Gleichgewicht geraten, schon passieren, dass ganze Heerscharen von IT-Experten von einem großen Anwender in München zu einem anderen in der gleichen Branche tätigen Anwender nach Ingolstadt ziehen, weil dort bessere Konditionen ausgehandelt worden sind. Gerade bei einem komplexen Thema wie der IT darf der Preis nicht das vorherrschende Kriterium sein. Andernfalls kann eine solche Situation den IT-Anwender und seine laufenden Projektvorhaben tatsächlich in Schwierigkeiten bringen.

Tobias Ortwein ist Senior Vice President bei Pierre Audoin Consultants in München.