Die Sorge vor einem Burnout ihrer engagiertesten Mitarbeiter und sinkender Produktivität ist so groß, dass die Gefahren ständiger Arbeitsbereitschaft mittlerweile in den Vorstandsetagen diskutiert werden. Ausgerechnet die nicht gerade mit einem glänzenden Image behaftete Kaste der Topmanager zieht nun die Notbremse. Man müsse das Handy auch ausmachen können, sagt SAP-Vorstand Jim Hagemann Snabe. Ähnliche Diskussionen finden beim Automobilkonzern Daimler statt. Aus Stuttgart ist zu hören, dass sich Mitarbeiter im Urlaub nicht mehr verpflichtet fühlen müssten, geschäftliche Mails zu lesen oder gar zu beantworten. Im nächsten Jahr soll es sogar möglich sein, Mails zu löschen, die während des Urlaubs eingehen. In Wolfsburg ist man da schon einen Schritt weiter: VW hat seine IT-Systeme so eingestellt, dass Mails nur noch zu den üblichen Büroarbeitszeiten zwischen 7 Uhr und 18:15 Uhr zugestellt werden.
Die Flut an E-Mails, die sich in Verbindung mit dem mobilen Internet zu jeder Zeit und an jedem Ort über Angestellte ergießt, würde Thierry Breton am liebsten dem Straftatbestand der Umweltverschmutzung gleichsetzen. Der Chef des IT-Dienstleisters Atos Origin hat daher schon vor Jahren die Losung »Zero Mail« ausgegeben und will nichts weniger als die elektronische Post abschaffen. Gefruchtet hat die Initiative bislang nicht. Der Einsatz alternativer Kommunikation über Collaboration-Plattformen hat das E-Mailaufkommen nur unwesentlich senken können.
Von freiwilligen Selbstbeschränkungen dieser Art hält der DGB freilich nichts. Der Gewerkschaftsbund fordert eine gesetzlich geregelte Anti-Stress-Verordnung, um den Dauereisatz von Mitarbeitern an Wochenenden und den Druck, ständig erreichbar zu sein, per Gesetz zu stoppen. Von solchen Auflagen halten Vorstände freilich genauso wenig wie manche Arbeitsforscher. Es mache Menschen nicht zwangsläufig krank, auf eine Nachricht zu warten, die sie als besonders wichtig einschätzen, meint Sascha Stowasser, Direktor des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft.
Diese Diagnose dürfte SAP-Manager Snabe freuen. Denn wie viel Zeit ein Angestellter am arbeitsfreien Wochenende seiner Familie vorenthalten und SAP widmen möchte, sollte seiner Meinung nach am Ende eine persönliche Entscheidung sein und nicht die eines Gesetzgebers.