Mit dem Startschuss für den Souveränen Arbeitsplatz für die Öffentliche Verwaltung stellt die Bundesregierung wichtige Weichen zur digitalen Unabhängigkeit. Eine bewährte Open-Source-Suite beendet die Abhängigkeit von einzelnen US-Anbietern und bietet mehr Transparenz und Sicherheit.
Bereits im Oktober 2020 wurde das Bundesministerium des Innern mit der Erarbeitung eines Open-Source-basierten IT-Arbeitsplatzes für die Öffentliche Verwaltung beauftragt. Der „Souveräne Arbeitsplatz“1 wird eine moderne und sichere Alternative zu proprietären Softwarelösungen darstellen und kritische Abhängigkeiten in der Informationstechnik der Öffentliche Verwaltung auflösen. Dies geschieht vor allem vor dem Hintergrund, dass im öffentlichen Sektor in einigen Bereichen weiterhin hohe und mitunter kritische Abhängigkeiten von einzelnen Technologieanbietern bestehen. Dies führt teils zu eingeschränkter Informationssicherheit, begrenzter Flexibilität oder sogar fremdgesteuerten Innovationen. Letztlich besteht durch die Abhängigkeiten die äußerst reale Gefahr, die Kontrolle über die eigene IT und damit letztendlich auch die Fähigkeit zum souveränen Handeln zu verlieren.
Um nicht länger von den großen IT-Riesen aus den USA und anderen Teilen der Welt abhängig zu sein, haben Bund, Länder und Kommunen sich auf eine gemeinsame Strategie zur Stärkung der Digitalen Souveränität geeinigt. Dabei steht der verstärkte Einsatz von Open-Source-basierten IT-Lösungen im Mittelpunkt. Im Gegensatz zu Produkten etwa von Microsoft basieren Open-Source-Lösungen auf quelloffenem Code, sodass Nutzer wie Behörden nicht auf die Angebote einzelner Unternehmen angewiesen sind. Vielmehr ist Open Source ein Lizenzmodell, das Nutzern unter anderem das Recht der Einsehbarkeit, der Weiterverbreitung und der Modifikation der jeweiligen Komponenten einräumt. Letzteres ist nicht zuletzt bei Sicherheitsupdates wichtig. So können potentielle Schwachstellen umgehend selbst geschlossen werden, anstatt auf Updates der großen Anwender warten zu müssen. Denn das kann lange dauern – oder gar nicht erfolgen.
Nun ist in Berlin der Startschuss zur operativen Umsetzung des Souveränen Arbeitsplatzes in der Öffentlichen Verwaltung gefallen2. Bis Ende 2023 soll eine Basisvariante der Arbeitsplatzumgebung bereitstehen. Die Anwendungen werden auf bestehenden und bewährten Open-Source-Produkten aufbauen. Das Fundament bildet dabei die „dPhoenixSuite“ des deutschen Open-Source-Spezialisten Dataport, die bereits seit März 2021 beim Bund erprobt wird. Im Gegensatz zu proprietären Lösungen ist der Souveräne Arbeitsplatz allerdings keineswegs als Produkt eines einzelnen Herstellers konzipiert. Die einzelnen Module stammen vielmehr von bewährten Open-Source-Spezialisten. Die Komponenten für den Bereich E-Mail und Groupware werden beispielsweise vom deutschen Unternehmen Open-Xchange entwickelt und beigesteuert, das unter anderem große Kunden wie den Internetanbieter 1&1 zu seinen Kunden zählt. Die Plattform für das Teilen und den Zugriff auf Daten kommt von Nextcloud, die Komponenten zur Integration von Univention, für die Echtzeit-Kommunikation wird Matrix zuständig sein und für den Bereich Videokonferenzen Jitsi. Zusätzlich wird der Souveräne Arbeitsplatz mit weiteren Open-Source-Komponenten ausgestattet.
Da es sich beim Souveränen Arbeitsplatz um eine modulare Open-Source-Lösung handelt, können die einzelnen Behörden jeweils selbst entscheiden, ob sie bereits vorhandene Lösungen in den neuen Arbeitsplatz integrieren und ob sie auf ausgesuchte Module verzichten wollen. Bei Bedarf können einzelne Produkte flexibel ausgetauscht werden. Unter anderem durch die Anbindung an bestehende Anwendungen durch Schnittstellen und APIs ist der Souveräne Arbeitsplatz zudem in einer heterogenen Softwarelandschaft einsetzbar.
„Dank des Best-of-Breed-Ansatzes können die einzelnen Behörden ihre unterschiedlichen Anforderungen perfekt abdecken“, sagt Frank Hoberg, Mitgründer von Open-Xchange. „Von Videokonferenzen über E-Mails und die gemeinsame Nutzung von Dokumenten bis hin zur einfachen Verwaltung von Zugriffsrechten läuft alles über ein zentrales Portal, das von europäischen Open-Source-Spezialisten entwickelt wurde“, so Hoberg. „Dadurch ist eine Unabhängigkeit sichergestellt, die mit Lösungen einzelner Unternehmen per se nicht erzielt werden kann. Gleichzeitig wird mit dem Souveränen Arbeitsplatz Europa als Entwicklungsstandort gestärkt, was angesichts der monopolartigen Stellung mancher US-Anbieter zwingend erforderlich ist, will man nicht dauerhaft von einigen wenigen Unternehmen abhängig sein“, betont Frank Hoberg.
Damit bietet die Open-Source-Lösung allen öffentlichen Einrichtungen genau das, was proprietäre Lösungen von einzelnen IT-Konzernen – trotz teils gegenteiliger Behauptungen – nicht ermöglichen: die Kontrolle über das eigene Handeln und alle Daten. Bedenkt man, wie wichtig viele Informationen sind, die in öffentlichen Institutionen liegen, ist diese Souveränität letztlich sogar deutlich wichtiger als Abhängigkeiten bei der Energieversorgung.
Tillmann Braun, freier Journalist
1 https://www.cio.bund.de/Webs/CIO/DE/digitale-loesungen/digitale-souveraenitaet/souveraener-arbeitsplatz/souverarner-arbeitsplatz-node.html
2 https://www.cio.bund.de/SharedDocs/kurzmeldungen/Webs/CIO/DE/startseite/souveraener_arbeitsplatz.html