Parallel zur Entwicklung von Quantenalgorithmen wird zurzeit ein weiteres Anwendungsfeld erschlossen, das an die Ansätze von Quantencomputern angelehnt ist, aber auf klassischen Computern umgesetzt wird: die sogenannten quanteninspirierten Algorithmen. Prinzipiell kann jeder Quantenalgorithmus auch auf einem klassischen Computer simuliert werden; allerdings steigt der Speicherbedarf exponentiell mit der Anzahl der Qubits, sodass entsprechende Simulationen schnell an ihre Grenzen stoßen. Berechnungen mit mehr als 40 simulierten Qubits sind selbst unter Berücksichtigung der technischen Weiterentwicklung aktueller Prozessoren nicht realistisch machbar.
Einen Sonderfall stellen die sogenannten Digital Annealer Units (DAU) dar. Dabei handelt es sich um Prozessoren, die eine spezielle Hardwarearchitektur aufweisen, die sich von derer klassischer Central Processing Units (CPU) unterscheidet. Mit diesen wird es möglich, Quantenalgorithmen mit geringer Anzahl simulierter Qubits in gewissem Rahmen effizient zu nutzen. Der Vorteil ist hierbei insbesondere, dass die darauf entwickelten Quantenalgorithmen mit geringem Aufwand auf echte Quantenhardware übertragen werden können. Somit bieten sich DAUs als Entwicklungsumgebungen für Quantenalgorithmen auf klassischer Hardware an. Anwendungsgebiete können hier ebenfalls Optimierungen beispielsweise mit Hilfe evolutionärer Algorithmen sein, um kombinatorische Probleme zu lösen. Auch bei Verfahren des maschinellen Lernens wie der Hauptkomponentenanalyse oder neuronalen Netzen erhofft man sich eine verbesserte Effizienz. Um hochkomplexe Prozesse zu verstehen, bedient man sich häufig der sogenannten Monte-Carlo-Simulation, die versucht analytisch nicht zu lösende Probleme auf Basis von Zufallsexperimenten besser zu verstehen. Auch diese kann durch quanteninspirierte Algorithmen unterstützt werden.
Die Hürden für eine erfolgreiche technische Umsetzung von Quantencomputern sind sehr hoch. Zwar gibt es ein großes Spektrum an Möglichkeiten, um Qubits zu erzeugen. Allen technologischen Ansätzen ist jedoch gemein, dass Qubits sehr stark von ihrer Umgebung isoliert werden müssen, um ihre Quanteneigenschaften nicht zu verlieren. Gleichzeitig möchte man jedoch die Anzahl der Qubits erhöhen und diese möglichst gut untereinander verknüpfen, um aufwendigere Algorithmen zu erlauben. Eine vollständige Isolation der Qubits von der Umgebung ist nicht möglich, da man zur Durchführung von Operationen auf den Qubits eine Wechselwirkung mit externen Feldern wie beispielsweise Lasern oder Mikrowellenpulsen benötigt. Eine gewisse Fehlerrate bei Berechnungen mit Qubits wird demnach unausweichlich bleiben, weswegen aktuell auch sogenannte fehlerkorrigierte Algorithmen erforscht werden (siehe Kasten unten).
Auch wenn die Entwicklung der Quantenalgorithmen noch am Anfang steht und die Möglichkeiten sehr eingeschränkt sind, so ist das Forschungsgebiet perspektivisch doch weiterhin überaus vielversprechend. Zum einen wird die technologische Entwicklung der Quantentechnologien im Allgemeinen vorangetrieben, zum anderen kann auch für die Weiterentwicklung klassischer Algorithmen Inspiration aus der Quantentechnologie gezogen werden. Wo auch immer jedoch die Reise mit den Quantencomputer hinführt, die Forschung benötigt weiterhin einen langen Atem.
Christoph Grzeschik ist wissenschaftlicher Berater am Institut für Innovation und Technik (iit) bei VDI/VDE Innovation + Technik
Fehlerkorrigierte Algorithmen |
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Bei „Fehlerkorrigierten Algorithmen“ sollen eventuell auftretende Fehler bei der Berechnung mit Qubits erkannt und korrigiert werden. Die Herausforderung: Die physikalische Natur der Qubits erlaubt es nicht, den Zustand einzelner Qubits während einer Berechnung einfach auszulesen und zu prüfen. Um trotzdem eine Korrektur zu erlauben, wird eine Vielzahl zusätzlicher Qubits benötigt – laut aktueller Ansätze fehlerkorrigierter Quantenalgorithmen etwa 1000-mal so viele, was nach derzeitigem technischem Stand noch lange nicht möglich ist. Deshalb werden Anwendungsmöglichkeiten gesucht, die auch mit den momentan nur wenigen und noch fehlerbehafteten „verrauschten“ Qubits funktionieren. Man spricht in diesem Zusammenhang von der sogenannten Noisy intermediate scale quantum-Ära (NISQ), in der wir uns aktuell befinden. |