Fünf Herausforderungen für Unternehmen

Woran es beim Metaverse hapert

6. November 2023, 9:00 Uhr | Autor: Fabian van Gelder / Redaktion: Diana Künstler
© Богдан Маліцький/AdobeStock

Das Metaverse bietet enorme Potenziale für Unternehmen, neue Geschäftsmodelle zu erschließen oder bestehende zu optimieren. Dennoch gibt es derzeit Schwierigkeiten, erfolgreiche Anwendungsfälle umzusetzen und langfristig zu etablieren. Fünf Herausforderungen für Unternehmen im Metaverse.

Der Artikel beantwortet unter anderem folgende Fragen:

  • Konnte das Metaverse den bisherigen Erwartungen gerecht werden?
  • Warum leiden viele virtuelle Welten unter zu geringen Nutzerzahlen?
  • Was sind die fünf größten Herausforderungen, denen Unternehmen im Zusammenhang mit dem Metaverse gegenüberstehen?

Insbesondere seit der Umbenennung von Facebook in Meta im Oktober 2021 hat das Metaverse gewaltig an medialer Aufmerksamkeit gewonnen und ist seitdem eines der prägendsten Buzzwords der letzten Jahre. Zahlreiche Technologiekonzerne wie Meta oder Apple investieren Milliardenbeträge, verbunden mit der Hoffnung neue Einnahmequellen zu erschließen. Auch in Deutschland gibt es bereits heute eine Reihe spannender Projekte und Lösungen, die einen Eindruck von den zukünftigen Potenzialen vermitteln.

Die ganz großen Erwartungen konnte das Metaverse bisher jedoch noch nicht erfüllen. Viele Anwendungs-fälle befinden sich noch in der Entwicklung und sind nicht mehr als eine Idee von dem, was das Metaverse einmal werden kann. Laut Wall Street Journal1 leiden viele virtuelle Welten unter mangelndem Interesse der Nutzer. Weniger als zehn Prozent der existierenden Welten erreichen zeitweise mehr als 50 Besucher. Viele Nutzer schauen sich die virtuellen Welten einmal an und kehren nie wieder zurück.
Grund dafür sind die zahlreichen Herausforderungen und Hürden, die Unternehmen bei der Entwicklung von Anwendungsfällen überwinden müssen. Im Folgenden die fünf größten Herausforderungen, denen Unternehmen gegenüberstehen.

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❶ Unklarer Nutzen für die Anwender

Sven Aschwege, Deutsche Telekom
Sven von Aschwege, VP Global Strategic Partners, Deutsche Telekom: „Das Metaverse ist als Vision super, aber die konkreten Mehrwerte müssen bei den Menschen ankommen.“ 
© Deutsche Telekom

Eine der größten Herausforderungen, denen Unternehmen im Metaverse gegenüberstehen, ist der oft unklare oder nicht explizit nachvollziehbare Mehrwert für die Endnutzer. Neue Technologien, insbesondere so revolutionäre und komplexe wie das Metaverse, sind für viele Nutzer zunächst schwer greifbar. Der wahrgenommene Mangel an unmittelbarem oder erkennbarem Nutzen kann zu einer zögerlichen Akzeptanz oder gar Ablehnung des Metaversums führen. Unternehmen fällt es schwer, den Wert ihrer Anwendungsfälle sichtbar zu machen und die vielfältigen Möglichkeiten des Meta-verses praktisch zu veranschaulichen. Darüber hinaus kann auch die generelle Einstellung und Wahrnehmung der Menschen gegenüber neuen Technologien einen Einfluss auf die Akzeptanz des Metaverse haben. Während jüngere Generationen generell aufgeschlossener gegenüber neuen technologischen Errungenschaften sind, besteht in breiten Bevölkerungsschichten eine inhärente Skepsis und ein gewisses Misstrauen gegenüber dem Unbekannten. Dies führt zu einer „Fear of the Unknown“ im Zusammenhang mit dem Metaverse.

❷ Mangelhafte User-Experience

Eine weitere zentrale Herausforderung ist die Sicherstellung einer hohen Qualität der User Experience (UX) innerhalb des Metaversums. Nur wenn die Usability stimmt, werden Nutzer die digitale Welt der Realität vorziehen und ihre wertvolle Zeit dort verbringen. Aktuelle Metaverse-Lösungen bieten jedoch noch nicht die UX-Qualität, die von den Anwendern erwartet wird. Roblox oder The Sandbox erinnern eher an Computerspiele aus den frühen 2000er Jahren und vermitteln nicht das Gefühl des vollständigen Eintauchens in eine virtuelle Welt. Bestehende dreidimensionale Welten wie Horizon World bilden bisher lediglich den Oberkörper der Avatare ab, da es noch keine Möglichkeit gibt, die Bewegungen der Beine zu verfolgen und in die virtuelle Realität umzusetzen. Eine schlecht konzipierte oder umgesetzte UX kann zu Frustration, Verwirrung oder sogar zum Abbruch der Nutzung führen.

Nicht zuletzt spielt auch das körperliche Wohlbefinden eine Rolle. Wird die VR-Brille bereits nach kurzer Tragezeit als unangenehm empfunden, kommt es zur sogenannten Motion Sickness in Form von Kopfschmerzen und Übelkeit. Eine Umfrage unter 4.500 deutschen VR-Nutzern aus dem Jahr 20212 zeigt, dass Motion Sickness als größtes Hindernis bei der Nutzung von VR-Brillen angesehen wird. Demnach haben zwei Drittel der Befragten bereits Erfahrungen mit diesem Phänomen gemacht. Ein Drittel hat gelegentlich, häufig oder immer damit zu kämpfen. Weitgehend ungeklärt sind auch die Auswirkungen auf das Gehirn, die bei längerer Nutzung von VR-Brillen über einen längeren Zeitraum auftreten können. Gerade bei sensiblen Gruppen wie Kindern bedarf es langwieriger Gewöhnungsprozesse, ähnlich wie bei der Entstehung des Internets.   

❸ Richtlinien und Governance-Strukturen

Marika Arvelid, E.ON
Marika Arvelid, Head of Digital Empowerment Strategy & Engagement, E.ON Digital Technology: „Die Governance und die Politik im Zusammenhang mit dem Metaverse stellen eine große Herausforderung für seine Umsetzung dar. Entscheidungsträger stehen vor der Herausforderung, Regeln und Vorschriften einzuführen, ohne die Technologie vollständig zu verstehen.“
© E.ON

Im Hinblick auf Richtlinien, wie das Metaverse genutzt werden kann und welche Inhalte beispielsweise unter welchen Bedingungen online gestellt werden dürfen, ist heute vor allem das Fehlen von Standards zu kritisieren. Ebenso fehlen einheitliche Governance-Strukturen, die für die Vielzahl der zur Verfügung stehenden Plattformen und Anwendungen gelten. Dies bedeutet einerseits ein hohes Maß an Freiheit, andererseits aber auch ein hohes Maß an Unsicherheit, die Gefahr von Fehlverhalten sowie die Ausnutzung dieser Freiräume mit negativen Folgen für Nutzer und Unternehmen, die sich dessen nicht bewusst sind. Eng damit verbunden ist das Risiko eines mangelnden Datenschutzes, das sich auch aus dem Fehlen weltweit einheitlicher Regelungen ergibt. Ähnlich wie im Internet gibt es auch im Metaverse keine nationalen Grenzen, sodass es schwierig ist, Gesetze mit globaler Gültigkeit zu etablieren. In diesem Zusammenhang ist auch der Schutz von Eigentumsrechten zu nennen, der gerade bei den vielfältigen Inhalten, die im Metaverse von teilweise anonymen Nutzern verbreitet werden können, eine große Herausforderung darstellt. Hinzu kommen zunehmend KI-generierte Inhalte, deren Eigentumszuordnung sich wiederum als komplex erweist.

Darüber hinaus sind an dieser Stelle ethische Aspekte zu nennen, die im Zusammenhang mit der Neuartigkeit des Metaversums zu berücksichtigen sind. Zum einen spielen hier allgemeine Aspekte wie Inklusion und Diversität eine Rolle, was bedeutet, dass der Zugang zum Metaverse uneingeschränkt und prinzipiell für jeden möglich sein muss. Andererseits muss auch die Frage gestellt werden, inwieweit es vertretbar ist, Menschen aus der realen Welt in die digitale Sphäre zu locken und dies – aus rein ökonomischer Sicht – möglichst lange am Tag. Zudem kann derzeit nicht gewährleistet werden, dass minderjährige Nutzer vor nicht jugendfreien Inhalten geschützt werden und Fehlverhalten wie Cybermobbing oder sexuelle Belästigung, wie es beispielsweise in Second Life der Fall war, verhindert oder geahndet werden können.

❹ Verfügbarkeit der Zugangsgeräte

Eng verknüpft mit den Zugangsmöglichkeiten sind auch der Nutzen und die Akzeptanz des Metaverse. Nur wenn Endnutzer schnell und günstig Zugang zu den Anwendungen erhalten, kann das Potenzial des Metaverse vollständig ausgeschöpft werden. Eine signifikante Hürde stellt derzeit die begrenzte Verfügbarkeit und Verbreitung von XR-Brillen dar. Insbesondere auf dem deutschen Markt gab es lange Zeit nur wenige Anbieter qualitativ hochwertiger Brillen. Die Oculus Quest 2 ist erst seit Ende 2022 auf dem deutschen Markt erhältlich, und die von Apple angekündigte Vision Pro wird voraussichtlich erst 2025 auf dem deutschen Markt verfügbar sein. Die hohen Kosten (die Vision Pro wurde für 3.499 US-Dollar angekündigt) machen eine Anschaffung für die breite Masse derzeit nicht lohnend.

Neben dem Kostenaspekt sind auch Komforteinschränkungen ein Hindernis für eine breitere Nutzung von VR-Brillen. Die derzeit auf dem Markt erhältlichen Geräte, insbesondere die unhandlichen VR-Brillenmodelle, bieten nicht den Tragekomfort, der erforderlich wäre, um die Benutzerakzeptanz und eine längere Nutzungsdauer zu fördern. Die begrenzte Akkulaufzeit – in der Regel maximal zwei Stunden – schränkt ebenfalls die Möglichkeit einer längeren Nutzung ein.

❺ Unzureichende technologische Reife

Die Realisierung der vollen Kapazität des Metaverse hängt stark von der technologischen Entwicklung ab. Die Schaffung einer nahtlosen und immersiven Nutzererfahrung erfordert erhebliche Rechenleistung und enorme Speicherkapazitäten. Solche Anforderungen können nur durch moderne Cloud-Infrastrukturen realisiert werden, die skalierbare, flexible und kosteneffiziente Lösungen für die Speicherung und Verarbeitung großer Datenmengen bieten. Hinzu kommt der Bedarf an hohen Bandbreiten und geringen Latenzzeiten bei der Datenübertragung. Studien zeigen3, dass begeisterte Gamer bereits Latenzen von über 20 ms als störend und über 50 ms als frustrierend empfinden.

Im deutschen 4G-Netz liegt die durchschnittliche Latenz bei etwa 50 Millisekunden. Der neue Mobilfunkstandard 5G wird die Latenzzeiten und Datenraten zwar deutlich auf unter drei Millisekunden verbessern, jedoch wird es noch Jahre dauern, bis dieser Standard flächendeckend und ausfallfrei zur Verfügung steht4. Darüber hinaus spielt hier das Kriterium der Interoperabilität eine wichtige Rolle. Für Unternehmen wird sich eine spürbare Profitabilität erst dann einstellen, wenn Anwendungsfälle über verschiedene Metaverse-Welten hinweg realisiert werden können und unterschiedliche Plattformen miteinander kommunizieren können. Insbesondere diese Aspekte zeigen, dass das Metaverse zwar bereits im Entstehen ist, bis zu einer reifen Version jedoch noch viel Zeit vergehen wird.                                

Fabian van Gelder ist Senior Consultant bei mm1 Consulting (a valantic company).

1 https://www.wsj.com/articles/meta-metaverse-horizon-worlds-zuckerberg-facebook-internal-documents-11665778961
2 https://www.th-koeln.de/hochschule/grosse-studie-zur-nutzung-von-vr-games-in-deutschland_85444.php

3 https://cogsci.yale.edu/sites/default/files/files/Thesis2017Banatt.pdf
4 https://www.telekom.com/de/konzern/details/5g-geschwindigkeit-ist-datenkommunikation-in-echtzeit-544496


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