Nach der vollständigen Übernahme des Joint Ventures Huawei-3Com durch 3Com im März dieses Jahres und der kürzlich erfolgten Umbenennung in "H3C Technologies" erläuterte 3Coms Zentraleuropachef Jörg Kracke im LANline-Interview die Auswirkungen auf die Vermarktungsstrategie des Netzwerkausrüsters.
Aus 3Com-Sicht ist H3C zunächst ein Tochterunternehmen, das für die Entwicklung und Herstellung
von Netzwerkgeräten zuständig ist – allerdings eine sehr große, mächtige Tochter: Laut Jörg Kracke
stammen rund 85 Prozent des 3Com-Portfolios aus H3C-Herstellung. Dies umfasst praktisch alle
Infrastrukturgeräte wie Router und Switches. Aus traditioneller US-Produktion kommen bei 3Com laut
Kracke noch die Officeconnect-Switches für das KMU-Segment, WLAN- und Voice-Produkte sowie die
Intrusion-Protection-Systeme (IPS) aus der Tippingpoint-Übernahme.
Mit H3C-Unterstützung will 3Com seine Position als weltweit tätiger Netzwerkausrüster – laut
Analysten die Nummer 2 bei stapelbaren Switches und Routern, die Nummer 3 bei modularen Switches,
jeweils mit großem Abstand hinter Marktführer Cisco – weiter stärken. Der Markenauftritt ist dabei
allerdings nicht einheitlich: Im Großteil der Welt firmiert das Unternehmen als 3Com, in Asien,
insbesondere in China, aber als H3C. "Der Name Huawei hat in China eben einen sehr guten Klang,"
begründet Kracke diese Inkonsistenz im Markenauftritt aus der Historie des Joint Ventures.
Im Gegensatz zum vormaligen JV-Partner Huawei, der stark auf Carrier und Service-Provider
abzielt, liegt der 3Com-Fokus laut Kracke klar auf Unternehmen, vom KMU bis zum global tätigen
Konzern. Neben den Netzwerk- und WLAN-Geräten setzt 3Com dabei auf sein Security-Portfolio, das
neben dem erwähntes IPS auch die X506 für die Sicherheit von Zweigstellen umfasst, sowie auf
VoIP-Lösungen wie den VCX-Softswitch für Unternehmen. Die europäische Vermarktungsstrategie für
einige "China-fokussierte Lösungen" ist aber erst noch zu klären, was laut Kracke noch ein paar
Monate dauern wird: In China bietet H3C nämlich außerdem Lösungen für IP-Storage, IP-basierte
Videoüberwachung, IPTV und Metro Ethernet. An den beiden letztgenannten Lösungskategorien besteht
derzeit großes Interesse im Carrier-Umfeld, Kracke sieht aber auch die Möglichkeit einer
Vermarktung, die auf Großunternehmen zielt.
Bei den Netzwerkgeräten setzt 3Com laut Kracke klar auf standardbasierte Geräte, die sich aber
gegenüber den Cisco-Produkten nicht allein über die Preisgestaltung abheben sollen: "Wir setzen
auch auf technische Innovation und auf unsere OSN-Lösung." Mit dem erst dieses Jahr eingeführten
OSN (Open Services Networking) will 3Com einen Linux-Kernel auf allen Switches und Routern für
zusätzliche Anwendungen bereitstellen. Zum Konzept gehört laut Kracke auch ein offengelegtes API
(Programierschnittstelle), um den Linux-Kernel für Partnerlösungen zu öffnen.
3Com nutzt OSN derzeit vorrangig für Monitoring-Anwendungen. "Im Sinne der Performance haben wir
aber noch viel vor", verspricht Kracke. So habe man kürzlich mit Version 2 der Lösung bereits
mittels Asterisk eine VoIP-Applikation auf die Switches gebracht, künftig sollen auch
hochperformante Sicherheitsanwendungen auf den Geräten ausführbar sein. Während dann auf RZ-Seite
dediziertes Equipment die Anwender mit VoIP und Security versorgt, könne diese Funktionalität auf
Filialseite als Dienst auf dem Switch oder Router laufen. Die Geräte sind, so Kracke, dank OSN
flexibel nachrüstbar: Power over Ethernet lasse sich nachträglich anbauen, bald ebenso
WLAN-Funktionalität.
Eine ähnliche Strategie, möglichst viel Intelligenz und zahlreiche Applikationen auf
Netzwerkgeräten anzusiedeln, verfolgt auch Platzhirsch Cisco – in einem Maße, dass
Gartner-Analysten schon mäkelten, Cisco sei auf dem Weg zum vertikal integ-rierten Anbieter
(LANline berichtete). Dem will 3Com also eine Konkurrenzplattform entgegenstellen. Kracke betont
dabei die hauseigenen Vorzüge aufgrund der 2700 Entwickler aus dem H3C-Geschäftsbereich: "Durch
unsere weltweite Entwicklung können wir smart und flexibel agieren."
Wie der übermächtige Konkurrent setzt also 3Com vorrangig auf eigene Entwicklungs-Power. Dabei
böte ein OSN-API, wenn man es denn wirklich Geschäftspartnern offen zur Verfügung stellt, die Basis
für eine flexible und dynamische netzwerkbasierte Anwendungsplattform, deren Anbieter-Community
konzeptionell eine interessante Alternative zur herstellergebundenen vertikalen Integration bieten
könnte.
Es bleibt also abzuwarten, in welchem Maß 3Com das Potenzial dieser OSN-API tatsächlich über
Kooperationen nutzt, um Anwendern die Auswahl zwischen mehreren Applikationsoptionen zu geben.