Mit 802.11ac steht ein neuer WLAN-Standard vor der Tür, der Datenraten im Gigabit-Bereich verspricht. Professionelle Einsatzperspektiven ergeben sich vor allem in Umgebungen mit vielen Clients wie etwa bei Messen oder Konferenzen. Da 802.11ac ausschließlich im bislang wenig genutzten 5-GHz-Band arbeitet, ergeben sich daraus positive Aspekte - aber auch Probleme für die Übergangszeit: Die meisten aktuellen WLAN-Clients unterstützen oft nur das 2,4-GHz-Band - keine leichte Aufgabe für die Migrationsplanung. Bereits heute ist das 2,4-GHz-WLAN-Frequenzband nicht nur im Privatbereich, sondern auch in Messe- und Konferenzszenarien hoffnungslos überbucht. Oft belagern dutzende Access Points die drei für 802.11n verfügbaren Kanäle, und der Durchsatz bricht durch die zahlreichen Störquellen ein. Nicht selten quittiert der gesamte 2,4-GHz-Bereich seinen Dienst.
Dabei bietet der seit drei Jahren etablierte 802.11n-Standard durchaus eine Alternative - nämlich den Betrieb im weitgehend ungenutzten und mit deutlich mehr Kanälen ausgestatteten 5-GHz-Band. Allerdings setzten die meisten Hardwarehersteller diesen funktechnischen Ansatz nur halbherzig um: 5-GHz-Chipsätze sind heute nur in einigen Tablet-PCs und Business Notebooks zu finden, die meisten Consumer Laptops und Smartphones begnügen sich mit reiner 2,4-GHz-Auslegung und können dennoch stolz den 802.11n-Aufkleber tragen.
Silberstreif am Horizont
Mit IEEE 802.11ac und 802.11ad stehen allerdings gleich zwei neue WLAN-Standards ("Very High Throughput") in den Startlöchern, die das übervölkerte 2,4-GHz-Frequenzband meiden und damit zukunftsträchtige Alternativen bieten. Dabei ist 802.11ad im 60-GHz-Frequenzband angesiedelt und eignet sich somit eher für Kurzstreckenverbindungen mit hoher Kapazität - beispielsweise als so genannte Flyways zwischen einzelnen Racks in großen Rechenzentren, um den "Top of the Rack"-Switch zu ergänzen. Die hohe Frequenz und damit geringe Reichweite von wenigen Metern disqualifiziert den 802.11ad-Standard allerdings für flächendeckende Ausbringung.
Für übliche Mobilgeräte interessant ist hingegen der 802.11ac-Standard - oder "5G Wifi", wie es manche Hersteller griffiger formulieren. Dieser nutzt wie 802.11n das 5-GHz-Frequenzband, verzichtet aber von vornherein auf den von Babyphones, Bluetooth und anderen Diensten strapazierten 2,4-GHz-Bereich, was mittelfristig eine einheitlichere Struktur der WLAN-Client-Geräte verheißt: Wenn in zwei bis drei Jahren eine gute Marktdurchdringung mit 802.11ac erreicht ist, können IT-Verantwortliche endlich WLANs planen, die den aktuellen Anforderungen gewachsen sind.
Vergleich mit 802.11n
Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal von 802.11ac gegenüber 802.11n stellt aber die Performance dar: Datenraten von (zunächst) bis zu 1,3 GBit/s entsprechen einer Verdreifachung der aktuell möglichen 450 MBit/s mit 802.11n. Da der neue Standard im 5-GHz-Bereich arbeitet, sind in Deutschland 19 überlappungsfreie Kanäle nutzbar, weitere fünf Kanäle lassen sich nur nach Genehmigung benutzen. Diese Vielzahl von Kanälen steht allerdings nur dann zur Verfügung, wenn ein System die Standardkanalbreite von 20 MHz verwendet.
Durch das mit 802.11n eingeführte "Channel Bonding" erhöhte sich bereits dort die mögliche Kanalbreite auf 40 MHz. 802.11ac erlaubt sogar bis zu 80 MHz breite Kanäle, um die volle Datenrate von 1,3 GBit/s pro Funkzelle zu erreichen. In späteren Ausbaustufen werden auch 160 MHz breite Kanäle verwendbar sein - so erhöht sich zwar der maximal mögliche Durchsatz innerhalb einer Funkzelle, allerdings verringert sich auch die Anzahl der parallel betreibbaren Zellen. Planer sollten also frühzeitig abwägen, welche Strategie für den jeweiligen Anwendungsfall besser geeignet ist. In Umgebungen mit hoher Nutzerdichte wird die Verwendung von 160-MHz-Kanälen vermutlich keinen Vorteil bieten.
Ein weiterer Grund für die höhere Performance von 802.11ac ist die im Vergleich zu 802.11n deutlich komplexere Amplitudenmodulation. Quadraturamplitudenmodulation (QAM) erlaubt es, aus der Überlagerung mehrerer Wellen verschiedene Zustände (zum Beispiel "0" oder "1") zu beschreiben. Der 802.11n-Standard nutzt 64-QAM, während bei 802.11ac sogar 256-QAM realisierbar ist. Dadurch lassen sich in den verschiedenen Überlagerungsbildern gleichzeitig acht statt bisher sechs Bit ausdrücken. Zunächst kommen dabei - wie bisher - maximal drei "Spatial Streams" zum Einsatz, in zukünftigen Ausbaustufen ist jedoch eine Steigerung auf bis zu acht Spatial Streams zu erwarten. Wie linear jedoch die reale Performance mit der Zunahme von Spatial Streams skalieren wird, bleibt abzuwarten: Je komplexer ein Übertragungsmechanismus ist, desto mehr steigt in der Praxis die Wahrscheinlichkeit von Übertragungs-fehlern.
Beamforming zur Reichweitenerhöhung
Den größter Nachteil einer reinen 5-GHz-Umgebung stellt die frequenzbedingt geringere Reichweite im Vergleich zu 2,4 GHz dar: In der Praxis lassen sich nur etwa die Hälfte bis zwei Drittel der Entfernung erzielen. 802.11ac gleicht diesen Nachteil zumindest teilweise durch eine neue Technik aus: So genanntes Beamforming erlaubt es, die Interferenzen, die sich durch die Verwendung der bereits seit 802.11n bekannten MIMO-Technik (Multiple Input Multiple Output) ergeben, gezielt zu nutzen, um in eine bestimmte Richtung höhere Reichweiten zu erzielen. Für jeden Client lässt sich also abhängig von dessen Standort dynamisch die Verzögerung, mit der die einzelnen Antennen ein Signal senden, anpassen. Wie sich Beamforming künftig mit 802.11ac beispielsweise in großen Messe- und Konferenzsituationen schlägt, muss die Praxis erst noch zeigen.
WLAN Arrays
Einen eleganteren Weg, den Reichweitennachteil im 5-GHz-Bereich abzufedern, eröffnet die Verwendung so genannter WLAN Arrays: Diese bündeln mehrere Access Points in einem Gehäuse. Die gleiche Technik nutzen schon seit Jahren Mobilfunkmasten, wo mehrere Sektorantennen mit unterschiedlicher Frequenz funken und so einzelne "Tortenstücke" ausleuchten. Statt rundstrahlender Dipole kommen in diesem Fall spezielle Richtantennen zum Einsatz, die physikalisch eine feste Bündelung aufweisen und so in der Praxis mit der gleichen Sendeleistung die doppelte Reichweite erreichen.
Die Reichweitenthematik ist beispielsweise auch dann von Relevanz, wenn ein reines 802.11ac-Netz ein existierendes 2,4-GHz-WLAN ablösen soll. Aufgrund der höheren Zahl benötigter APs reichen unter Umständen die verlegten Kabel und installierten Switch Ports nicht mehr aus. Bei Verwendung von WLAN Arrays hingegen erzielt der Betreiber im 5-GHz-Bereich in etwa die gleiche Reichweite wie mit konventionellen Access Points im 2,4-GHz-Bereich.
802.11ac ist voll abwärtskompatibel zu den Standards 802.11a und 802.11n (5-GHz-Betrieb). Nicht unterstützt werden die 2,4-GHz-Standards 802.11b, 802.11g und 802.11n (2,4-GHz-Betrieb). Gerade für die Übergangsphase ist also zu beachten, dass entweder parallel eine vorhandene 2,4-GHz-Infrastruktur weiterhin in Betrieb bleibt, oder dass die neuen 802.11ac-Access-Points mit zusätzlichen 2,4-GHz-Funkmodulen für den Parallelbetrieb in beiden Bändern ausgestattet sind. Letzteres dürfte zumindest bei den ersten Geräten am Markt nicht zu erwarten sein. Unter Umständen muss der Anwender bei einer Migration also weitere Kabel verlegen, wenn an jeder Stelle zwei unterschiedliche Access Points zu betreiben sind.
Allerdings gibt es auch WLAN-Hersteller wie beispielsweise Xirrus, die bereits heute Equipment bieten, das "802.11ac-ready" ist. Dies ermöglicht ein modularer Geräteaufbau, bei dem die Funkmodule austauschbar sind.