Konfusion über Oracles Virtualisierungsankündigung

Analyse: Heiße Luft überhitzt den Markt für Virtualisierung

14. November 2007, 0:01 Uhr |

Oracle hat mit seiner Ankündigung der Servervirtualisierung mindestens ebenso viel Wirbel ausgelöst wie vor einem Jahr, als es Redhat Linux zum halben Support-Preis ankündigte. Doch inzwischen glätten sich die Wogen wieder. Und genauso wie Oracles Einstieg in die Welt des Linux-Business keine Bedrohung für Redhat wurde, so wird auch Oracle VM keinen anhaltenden Erdrutsch in der Virtualisierungswelt bewirken.

Ankündigungen zur Virtualisierung gibt es inzwischen fast im Stundentakt. Parallel zu Oracles Mitteilung kam am Montag von Microsoft die Meldung, dass deren geplanter Hypervisor – neuerdings Hyper-V genannt (vormals Viridian) – nicht mehr an Windows Server 2008 gebunden ist und somit auch andere darüber liegende Betriebssysteme wie beispielsweise Linux unterstützen wird. Auch Vmware verkündete jüngst eine neue Version seiner kostenlosen Serversoftware, die jetzt bereits über 30 verschiedene Serverbetriebssysteme unterstützt. Laut Vmware wurde die Software bereits über drei Millionen Mal heruntergeladen.

Das Stakkato der Virtualisierungs-News beweist, dass es ein sehr heißes Thema ist. Das meinte auch Oracle-Präsident Charles Philips in seiner Keynote auf der Oracle World. Doch Virtualisierung ist vor allem deshalb ein heißes Thema, weil viel heiße Luft damit produziert wird.

Da ist zunächst die Verwirrung über den Unterschied zwischen dem Hypervisor und einer Virtualisierungsplattform. Der Hypervisor ist nur das unterste Modul, das auf der einen Seite mit der Hardware kommuniziert und auf der anderen Seite vom Betriebssystem aufgerufen wird. Im Markt verfügbar sind praktisch nur zwei Versionen: der kostenlose Opensource Xen Hypervisor und Vmwares ESX. Technisch unterscheiden sich beide darin, dass Xen weniger Platz benötigt, dafür aber Modifikationen an den darauf laufenden Betriebssystemen erforderlich sind. Vmwares ESX Server basiert auf einem Mini-Kernel und belegt zwei GByte Speicher, die aber zum größten Teil in der Virtualisierungskonsole anfallen und damit kein Server-Overhead sind. Der eigentliche Hypervisor benötigt laut Vmware nur 32 MByte. Für ESX sind auch keine OS-Anpassungen erforderlich.

Das Wichtigste ist jedoch, dass mit einem Hypervisor nur die logische Partitionierung eines physischen Servers möglich ist – das aber ist bei Weitem noch nicht das, was die erheblichen Einsparungen durch Virtualisierung ausmachen. Erst das damit einhergehende Managen der Server, die zugehörigen Backup- und Restart-Prozeduren und letztlich das Verschieben einer Anwendungen von einem logischen Server auf einen anderen – ohne dass dessen Betrieb unterbrochen werden muss – machen in Verbindung mit Storage- und Netzvirtualisierung diese Technik so besonders attraktiv. Doch dazu bedarf es eines umfangreichen Softwarepakets, das weit über den Hypervisor hinausgeht. Vmware nennt dies alles zusammen Vmware Infrastructure, und deren Version 3 ist gegenwärtig der Leistungsstandard auf diesem Gebiet.

Citrix hat auf seiner jüngsten Kundenveranstaltung Iforum ebenfalls klargestellt, dass seine Servervirtualisierungslösung Xenserver weitaus mehr ist als nur ein Hypervisor. "Es ist uns völlig egal, ob jemand den Xen-Hypervisor oder den kommenden Microsoft-Hypervisor einsetzt", so Peter Levine, jetzt der Virtualisierungsverantwortliche bei Citrix und zuvor CEO von Xensource.

Oracle kann eine solches Virtualisierungsumfeld aber nicht bieten. Das einzige Tool ist eine grafische Konsole zur logischen Partitionierung eines physischen Servers – also ein User Interface zum Xen-Hypervisor. Darüber hinaus verspricht Oracle, dass ein Teil seiner Applikationen auf die Virtualisierung mit dem Xen-Hypervisor abgestimmt sind – dann aber sind sie automatisch auch auf alle anderen Xen-Implementationen abgestimmt, beispielsweise jene von Redhat, IBM, Novell oder Citrix. So gesehen ist auch Oracles Ankündigung, dass es den Xen-Hypervisor kostenlos zum Download bereitstellen will, keine Kampfansage, denn den kann sich jeder schon lange kostenlos bei Xen.org herunterladen.

Doch eine Marktdrohung in einer Keynote von Oracle bleibt nicht ungehört – schon gar nicht an der Wall Street, wo Oracles prall gefüllte Kriegskasse schon lange mit Argwohn beäugt wird. Als Charles Philips am Vormittag der Eröffnung der Oracle Openworld den Einstieg in die Welt der Virtualisierung bekanntgab, stand die Vmware-Aktie bei rund 92,50 Dollar. Als um 12:30 Uhr die Reuters-Meldung über Oracles Ankündigung über den Ticker ging, fiel die Aktie innerhalb von Minuten um neun Prozent auf 84,40 Dollar. Bis kurz vor Börsenschluss war sie dann auf 76,70 Dollar abgestürzt – ein Minus von 17 Prozent. Erst als am Folgetag die ersten kritischen Stimmen an Oracles Virtualisierungsangebot aufkamen, erholte sich der Wert wieder.

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Harald Weiss/wg


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