Vorerst kein WLAN in Hamburger Klassenzimmern

Angst vor »gefährlicher Strahlung« bringt IT-Projekt ins Straucheln

1. Dezember 2014, 14:57 Uhr | Stefan Adelmann
Vorerst keine Tablets und Notebooks für Hamburger Schüler
© Fotolia / contrastwerkstatt

Rund 1.300 Hamburger Schüler sollten innerhalb von zwei Jahren mit Notebooks und Tablets ausgestattet werden. Aufgrund gesundheitlicher sowie datenrechtlicher Bedenken liegt das Projekt vorerst auf Eis.

Bestrebungen, sechs Hamburger Schulen mit moderner Technik auszustatten, sind vorerst gestoppt. Noch im vergangenen Mai kündigte die zuständige Schulbehörde laut shz.de an, im Rahmen eines zweijährigen Projektes 30 Prozent der Schüler – rund 1.300 Schülerinnen und Schüler – mit Tablets sowie Notebooks auszustatten und eine WLAN-Infrastruktur für den Internetzzugang zu errichten. Allerdings wurden Stimmen laut, die an der Rechtmäßigkeit und der gefahrlosen Nutzung des Funknetzes zweifeln. Laut einem Behördensprecher prüft das Amt jetzt, ob »datenschutzrechtliche oder andere juristische Probleme« vorliegen.

Das groß angelegte IT-Projekt geriet besonders aufgrund des parteilosen Bürgerschaftsabgeordneten Walter Scheuerl in den Fokus der Öffentlichkeit. Laut von ihm vorgelegten Gutachten soll es innerhalb der Funknetze zu extrem hoher Strahlung kommen. Rückendeckung bekommt Scheuerl zumindest inhaltlich vom Ärztearbeitskreis Digitale Medien Stuttgart. Der Bund aus 20 Medizinern kritisiert in einem offenen Brief den Einsatz von digitalen Lernmitteln als »eine unkritische Übernahme eines Fortschritts-Hypes«. »Die Korrelation des Anstiegs von Überforderung, Kopfschmerzen, ADHS und psychischen Erkrankungen mit der wachsenden Nutzung der digitalen Medien ist besorgniserregend«, so der Ulmer Psychiater und Gehirnforscher Prof. Manfred Spitzer. »Spitzer weist nach, dass die digitalen Medien - zu früh und unkritisch eingesetzt - das Lernen behindern und zur >digitalen Demenz< führen können«, erklären die Mediziner weiterhin.

Ob Funknetzwerke tatsächlich schädliche Auswirkungen haben, ist seit Jahren umstritten. Es gibt zahlreiche Vertreter beider Seiten. Gegenüber shz.de sagte Dirk Petersen, Umweltexperte der Verbraucherzentrale Hamburg: »Es gibt aus unser Sicht keine verlässlichen Informationen, dass es schädlich ist.« Die Strahlung sei dafür viel zu gering.

Scheuerl soll es aber nicht nur um den vermeintlichen Elektrosmog gehen. Ebenso hinterfragt er, ob es Datenschutzerklärungen gibt und was passiert, wenn Sorgeberechtigte, volljährige Schüler und Lehrer diese nicht unterzeichnen. Diesen Punkt soll wiederum die Schulbehörde aktuell klären. »Die Behörde hatte das zuvor überhaupt nicht sorgfältig vorbereitet«, so Scheuerl. »Der Schuleinsatz für die Internetrecherche ist wichtig, es geht aber auch um Informationskompetenz.«

Der Education-Markt gilt in der ITK-Branche als enorm verheißungsvoll und als Chance für umfangreiche Projekte, die für Hersteller wie Partner sehr rentabel sein können. Allerdings ist gerade das deutsche Schulsystem so dezentralisiert strukturiert, dass Entscheidungen oft auf verschiedenen und vielen Schultern lasten. Auf welche Hürden Industrie und Channel treffen können, zeigt nicht zuletzt der Fall in Hamburg.


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