Einführung einer Virtual Desktop Infrastructure

Auch virtuelle Desktops kosten reales Geld

1. März 2009, 23:00 Uhr | André Dannbacher/wg

Eine wichtige Aufgabe des IT-Verantwortlichen im Rahmen einer Desktop-Virtualisierung ist neben der technischen die betriebswirtschaftliche Bewertung. Denn eine VDI-Lösung (Virtual Desktop Infrastructure) hat zwar durch die flexiblere Nutzung klare Vorteile, doch zunächst gilt es, die anfallenden Kosten zu ermitteln.

VDI-Lösungen stehen als zentrale Desktop-Lösung im Vergleich zu lokalen Desktop-Systemen und SBC-Modellen (Server-based Computing). Ein wesentlicher Diskussionspunkt bei den unterschiedlichen Desktop-Konzepten sind die Anschaffungskosten. Da die PC-Preise in den vergangenen Jahren gesunken sind, verlagert sich die Auseinandersetzung auf die Folgekosten. Denn jeder PC-Arbeitsplatz erfordert eine individuelle Administration.

Die kostenoptimale zentrale Bereitstellung von Anwendungen erfolgt heute nach wie vor mit einem Windows-basierten Multi-User-System (Terminal-Services/SBC). Dieses stellt auf der Basis eines gemeinsam genutzten Betriebssystems neben Softwareprogrammen auch die grafische Benutzeroberfläche zur Verfügung. Einschränkungen ergeben sich meist in der Interoperabilität und Performance von Anwendungen. Aber auch die Möglichkeiten der individuellen Softwarenutzung auf einem Terminal-Server unterliegen Beschränkungen. Die klaren Vorteile sind in jedem Fall die einfache und die skalierbare Nutzung von Standardanwendungen mit einheitlichen Anforderungen.

Als Alternative dazu lassen sich auf Hypervisor-Basis komplette Betriebssysteme und damit Desktops virtualisiert und zentral bereitstellen. Der Host versorgt alle Gastsysteme anteilig mit Ressourcen. Durch Virtualisierung verbessert sich die Server-Auslastung und Speichernutzung, die durch die Funktion eines Ressourcen-Pools optimiert wird. Dennoch entstehen in einer VDI-Lösung an unterschiedlichen Stellen neue Kosten.

Denn die Bereitstellung und das Management von Desktop-Systemen erfordert verschiedene Komponenten: als Mindestforderung einen Virtualisierungs-Server mit Management-System und Arbeitsplätze mit entsprechender Client-Software. Und je nach Anzahl von Benutzern oder Höhe der Anforderungen sind weitere Systeme angebracht, etwa ein Connection Broker und ein zentrales Storage-System. Weitere Module wie Profil-Management, Application Streaming und Provisioning-Tools für Betriebssysteme unterstützen eine flexible Verwaltung (Bild).

Bei Virtualisierungs-Servern versucht man wie bei SBC-Lösungen das Verhältnis von Anwenderanzahl pro Server als Berechnungsgrundlage heranzuziehen. Folgende Fragen stellen sich für die Dimensionierung: Wie viele virtuelle Maschinen (VMs) unterstützt der Prozessor? Wie viel Arbeitsspeicher und Speicherplatz benötigt die VMs? Je nach System liegen die Kosten pro virtuellem Desktop zwischen 450 und 700 Euro (siehe Tabelle). Die Lizenzierung erfolgt meist pro CPU-Sockel oder System, unabhängig von der Anzahl der Cores.

Lizenzkosten

Die Lizenzkosten umfassen aber noch weitere Komponenten. Zusätzlich können Kosten für eine Management-Software sowie für die Softwarewartung anfallen. Die Lizenzen für Gastbetriebssysteme und Anwendungsprogramme sind häufig für jeden Anwender schon vorhanden und übertragbar, gegebenenfalls aber nur durch zusätzliche Softwarewartungsverträge unterstützt. Eine Nachfrage beim Softwarehersteller gibt eine lizenzrechtliche Sicherheit. Antiviren- und Backup-Software lassen sich auf dem virtualisierten System über Agenten weiter verwenden. Als Alternative sind über das Storage-System ohne Unterbrechungen für den Nutzer Snapshots und Cloning verfügbar.

Zur Anbindung an virtuelle Desktops ist eine Remote-Client-Software notwendig, die auf den verschiedenen Clients wie PCs, Notebooks oder Thin Clients (TCs) zur Verfügung stehen muss. Meist sind bestehende Clients so weiter nutzbar. Jedoch unterstützen nicht alle TCs die aktuellen VDI-Lösungen und somit deren vollen Funktionsumfang uneingeschränkt. Gerade die Nutzung von Peripheriegeräten und die optimierte Bildschirmdarstellung erfordern eine entsprechende Client-Software. Die Anforderungen steigen somit beim Einsatz neuer VDI-Technik auch auf dieser Seite. Meist ist dafür eine Neuanschaffung unumgänglich. Auch wenn die Gerätepreise für TCs mit zirka 350 bis 450 Euro bei erhöhtem Leistungsumfang niedrig bleiben, ist dies ein zusätzlicher Kostenfaktor.

Abhängig von der Anzahl der zu verwaltenden Verbindungen kommt ein Connection Broker (Verbindungsvermittler) hinzu. Denn eine hohe Anwenderdichte ist nicht mehr manuell zu verwalten. Mit einem Connection Broker werden die Anwenderzugriffe auf zentrale Desktops autorisiert und das Management von VDI-Umgebungen vereinfacht. Hier entstehen ebenfalls Kosten: für die Anschaffung ebenso wie für Betrieb und Administration. Die Broker-Funktionalität kann entweder in einer VDI-Lösung integriert oder als Einzelprodukt zu lizenzieren sein.

Virtuelle Desktops benötigen Speicherplatz. Bei der Festlegung weisen Administratoren meist, wie auf physischen Client-Geräten, reichlich Festplattenplatz zu. Doch der interne Storage der Server ist begrenzt und nicht immer ausreichend skalierbar. Der Einsatz zentraler Speichersysteme hat hier mehrere Vorteile: bessere Effizienz, Datensicherheit und Verfügbarkeit. So wird mit Thin Provisioning physischer Speicher erst dann zugeteilt, wenn die Anwendung auch tatsächlich Daten schreibt. Deduplizierungstechniken identifizieren und eliminieren redundante Daten. So sind mehr Daten auf gleicher Speichergröße zu speichern. Tiered-Storage-Systeme verhelfen zu Speicherarchitekuren mit differenzierenden Rangordnungen von VMs, Daten und Anwendungen. Für Datensicherheitslösungen hat dies den Vorteil eines effektiveren (und zeitlich machbaren) Backups und Restores. Weitere Vorteile von Shared-Disk-Systemen sind Snapshot, Cloning und das Verschieben virtueller Maschinen von einem physischen Server auf ein anderes System - im laufenden Betrieb ohne Auswirkungen auf die Anwender. Der Einsatz zentraler Speichernetze führt auch hier zu Einsparungen bei Energie, Platzbedarf und Kühlung.

Für die anwenderbezogene Kostenbetrachtung ist die Netto-Speicherkapazität ausschlaggebend. Die Leistungsmerkmale hinsichtlich Performance und der Funktionsumfang für das Datenmanagement schlagen sich in den Kosten für Anschaffung und Wartung nieder. Bei einem angenommenen Speicherbedarf von 20 GByte für eine VM liegt der anteilige Beschaffungswert in einer Enterprise-Einstiegslösung je nach Ausstattung zwischen 150 und 230 Euro.

Ein Lifecycle-Management für virtuelle Maschinen hilft, die vorhandenen Ressourcen der Server- und Speichersysteme optimal zu nutzen und Wildwuchs zu vermeiden. Denn ein neues virtuelles System ist mit wenigen Mausklicks in kurzer Zeit betriebsbereit. Es ist damit deutlich einfacher verfügbar als eine physische Maschine mit aufwändiger Beschaffung und Installation. Zudem ist die Erfassung und Verwaltung von Inventar- und Nutzungsdaten von Bedeutung, um den Überblick über die echten Workloads zu erhalten. Diese Daten erlauben Auslastungsprognosen und Szenariomodellierungen.

Eine weitere Chance für eine Optimierung liegt in der Trennung einzelner Funktionen, so zum Beispiel: das Provisioning von Betriebsystemen, das Streaming von Anwendungen und das Management von Profilen. Dies hat den Vorteil, jegliche Kombination für die Anwender individuell und bedarfsgerecht (on Demand) aus Templates für den Nutzungszeitraum bereitzustellen. Was jedoch weniger Speicherplatzbedarf benötigt, geht auf Kosten einer schlanken Architektur, denn weitere, meist kostenpflichtige Komponenten sind notwendig, idealerweise durchgängig von einem Hersteller. Aber auch oft vernachlässigte Gesichtspunkte wie das Drucken und die Anbindung von Niederlassungen oder mobile Benutzer mit niedriger Bandbreite gehören in die Betrachtung einer Gesamtlösung.

Bei der Betrachtung der Gesamtaufwendungen über den kompletten Gerätelebenszyklus sind virtuelle Desktops im Vergleich zu lokalen Systemen günstig. Denn moderne Virtualisierungsplattformen bieten eine hohe Skalierbarkeit und Verfügbarkeit für Host- und Gastsysteme. Durch den Einsatz virtueller Desktops lässt sich nicht nur die gesamte benötigte Hardware reduzieren, sondern auch der Auslastungsgrad durch Zentralisierung verbessern. Für die effektive Nutzung ist eine detaillierte Ressourcensteuerung für Prozessor, Netzwerk und Speicher möglich. Der Zeitaufwand für die klassische Desktop-Administration lässt sich mit der Virtualisierung von Desktop-Systemen reduzieren. Dafür entstehen aber an anderer Stelle neue Aufgaben, die den Aufbau von Know-how erfordern.

Weitere Informationen: Fraunhofer-Studie "PC vs. Thin Client" (jedoch mit Fokus ausschließlich auf SBC-Szenarien): cc-asp.fraunhofer.de/docs/PCvsTC-de.pdf


Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Lampertz GmbH & Co. KG

Matchmaker+