Die Ethernet-Standards, darunter der neue 10GBase-T, spielen eine zentrale Rolle beim Zusammenwachsen der Netzwerke aus den Bereichen WAN, LAN und Automation. Allerdings stellen die immer höheren Übertragungsraten die Hersteller, Planer, Installateure und Anwender auch vor wachsende Herausforderungen.
Bei Neuinstallationen im LAN-Bereich setzen die meisten Unternehmen im deutschsprachigen Raum, die zwischen Zukunftssicherheit und Kosten abwägen müssen, nach wie vor auf strukturierte Verkabelungssysteme mit geschirmten Twisted-Pair-Kupferkabeln. Diese Datenkabel verlangen ein Schirmungskonzept und sind daher sehr robust gegenüber externen Störquellen wie zum Beispiel Mobiltelefonen oder Radio- und Funkstrahlung. Außerdem verursachen sie selbst weniger Störleistung gegenüber der gegenüber Elektrosmog immer anfälligeren Elektronik. Ungeschirmte Lösungen mit UTP-Kabeln (Unshielded Twisted Pair) werden hier zu Lande dagegen nur selten eingesetzt.
Zurzeit arbeiten insgesamt über 400 Unternehmen am IEEE-802.3an-Standard, der die Übertragung von 10 GBit/s über Kupferkabelnetze definieren wird und der im Sommer 2006 zu erwarten ist. Triebfeder des neuen Standards sind vor allem amerikanische Unternehmen, die traditionell nur ungeschirmte Verkabelungen einsetzen. Anders als im deutschsprachigen Raum werden weltweit derzeit noch etwa 85 Prozent der strukturierten Kupferverkabelungen als ungeschirmte Lösungen installiert.
Im Verlauf der Diskussionen über 10GBase-T sind die technischen Hürden immer offensichtlicher geworden. Dazu gehören in erster Linie die Probleme mit dem Alien Crosstalk (ANEXT, siehe auch Beitrag auf Seite 28).
Alien Crosstalk, das bei 10 Gigabit Ethernet als Phänomen zum ersten Mal auftaucht, gibt an, wie stark die Signale eines Adernpaares von einem oder mehreren benachbarter Kanälen beeinflusst werden. Leider lässt sich Alien Crosstalk, das bei 10GBase-T der dominante Faktor ist, nur schwer in den Griff bekommen, da es sich statistisch gesehen überaus chaotisch und unregelmäßig verhält. Deshalb kann man es auch nicht in Formeln und Regeln abbilden. Dazu kommt, dass es sich nicht einmal mit fortschrittlichen Signalisierungsalgorithmen abfangen lässt. Es gibt aber letztlich den Ausschlag, ob sich die von der IEEE-Task-Force angestrebten 100 Meter bei 10GBase-T verwirklichen lassen oder nicht.
Beim letzten Treffen Ende Februar hat die IEEE-Arbeitsgruppe weiter am Draft-Entwurf 1.4, insbesondere an der Formulierung des Physical Layers, gearbeitet. Dabei wurde auch den schwer zu handhabenden externen Einflüssen Rechung getragen, und zwar durch die Einsicht, dass über bereits bestehende ungeschirmte Verkabelungssysteme mit Kategorie-6-Komponenten nicht mehr als 55 Meter zu schaffen seien.
Für 10-GBit/s-Übertragungen sieht IEEE aktuell vier typische Einsatzszenarien vor. Aufgrund des störenden Alien Crosstalks bei ungeschirmten Kabelsystemen werden die Vorteile geschirmter Lösungen immer deutlicher, so dass inzwischen auch Länder, die bislang auf ungeschirmte Lösungen gesetzt haben, den Einsatz von geschirmten Systemen in ihre zukünftigen Planungen einbeziehen.
Während die IEEE zurzeit damit beschäftigt ist, die 10-GBit/s-Applikationen für die Anwenderseite zu definieren, arbeiten die anderen internationalen Standardisierungsgremien - ISO/IEC, Cenelec und TIA/EIA - daran, die Anforderungen an die dafür geeigneten Übertragungsmedien (Permanent Link und Channel) festzulegen. Sie definieren auch die Anforderungen an die einzelnen Komponenten: Datenkabel, Patch-Kabel, Dosen und Stecker.
Im Gespräch sind dabei unter anderem eine neue Klasse E bis 500 Megahertz, die man von der aktuellen Klasse E extrapolieren will, und eine neue Klasse F bis 1000 Megahertz. Die aktuell wichtigsten Fragen in der Normungsarbeit beziehen sich auf die Festlegung der elektrischen Grenzwerte für die Komponenten, besonders die Anschlusskomponenten. Diese müssen für die neue Kategorie 6 bis 500 MHz - also über die normierten 250 MHz hinaus - spezifiziert werden. Dazu kommen in den Gremien Überlegungen zu einer gemeinsamen Umgebung für 1 GBit/s und 10 GBit/s sowie geeignete Test- und Messmethoden.
Viele der in den Arbeitsgruppen zur Standardisierung von 10 GBit/s Beteiligten geben Permanent-Link-Messungen gegenüber Channel-Messungen den Vorzug. Voraussetzung dafür ist, dass normgerechte Produkte verschiedener Hersteller miteinander kompatibel einsetzbar sind (Mix and Match). Diese Messmethode wird jedoch vor allem von der UTP-Lobby in Frage gestellt, nicht zuletzt auch, weil der Systemgedanke gerade bei ungeschirmten Lösungen wieder in den Vordergrund tritt.
10-GBit/s-Übertragungen über UTP-Kabel stellen auch insofern eine große Herausforderung für die Messtechnik dar, als der kritische Parameter Alien Crosstalk zumindest mit den heutigen Lösungsansätzen nur mit sehr hohem Aufwand ermittelt werden kann. Der erste Konzeptvorschlag der Arbeitsgruppen sieht noch ein paarweises Testen aller Links und Kombinationen vor. Dieser Vorschlag wird jedoch schon allein aus Kostengründen keine realistische Perspektive haben.
Kabelspezialisten gehen heute davon aus, dass paargeschirmte Kategorie-7-Kabel (S/FTP oder PiMF) auf alle Fälle genügend Reserven für 10-GBit/s-Übertragungen haben. Bei einfach geschirmten Kategorie-6-Kabeln (F/UTP) können ihrer Meinung nach Probleme auftreten, da sich die Kabelpaare eventuell untereinander durch NEXT (Nahnebensprechen) beeinflussen. Dies wird jedoch als ein lösbares Problem angesehen. Da bei den heutigen ungeschirmten Kategorie-6-Kabeln (U/UPT) sowohl ANEXT als auch NEXT-Probleme zu erwarten sind, ist man sich weitest gehend einig, dass diese nur durch Längenbeschränkungen oder durch aufwändige und teure Neukonstruktionen in den Griff zu bekommen sind. Durchgeführte Messungen bestätigen dies: Von den aktuell verfügbaren Produkten bieten demnach nur Kupferdatenkabel nach heutigem Kategorie-7-Standard genügend Reserven. Der bisherige Stand der Diskussion zeigt bereits, dass bei Investitionen in zukunftssichere passive Netzwerke wieder vermehrt auf eine hohe Qualität und hohe Sicherheitsreserven geachtet werden muss. Die 10GBase-T-Datensignale sind äußerst empfindlich gegen störende Beeinflussungen von außen. Zusätzlich kommen andere elektromagnetische Störungen von außen hinzu, deren messtechnische Ermittlung nicht einfach ist.
Besonders für ungeschirmte Datenkabel (U/UTP) stellen diese elektromagnetischen Beeinflussungen eine große Herausforderung dar. Als wenig praxistauglich erscheinen die ersten Lösungsansätze für U/UTP Kabel. Sie bestehen darin, dass diese Kabel räumlich getrennt installiert oder neue, für 10GBase-T optimierte ungeschirmte Datenkabel entwickelt werden müssten.
Bei S/FTP-Kabeln schützt die Schirmung vor störender elektromagnetischer Beeinflussung von außen. Bereits heute verfügbare geschirmte Kategorie-7-Datenkabel können ohne Einschränkung für die zukünftige 10GBase-T-Übertragung über die volle Link-Länge von 100 Metern genutzt werden.