Wenn das Flaggschiff des Messaging- und Groupware-Markts in einer neuen Hauptversion präsentiert wird, sind die Erwartungen entsprechend groß. Im LANline-Lab mussten der neue Domino-Server und Notes-Client der Version 7 zeigen, ob sie wirklich das "Zeug" zur großen Nummer besitzen.
IBM legt die Schwerpunkte der Neuerungen in Version 7 primär auf den Serverteil Domino. Nachdem
mit Einführung von Notes 6 vor allem der Client eine Runderneuerung erfahren hatte, verbergen sich
die Neuheiten von Notes 7 eher im Detail.
IBM will mit Domino 7 durch eine konsequente Performance-Steigerung gegenüber den Vorversionen
bei gleicher Hardwarebasis mehr Benutzer bedienen können (basierend auf standardisierten
Notesbench-Messungen). Diese positive Entwicklung entgegen dem allgemeinen Trend steigenden
Ressourcenhungers, wie er sich beispielsweise auch im Umfeld von IBM Websphere beobachten lässt,
ist sicherlich sehr begrüßenswert. Allerdings bleibt der tatsächliche Geschwindigkeitsgewinn für
das jeweilige Anwendungsszenario zu prüfen. Nach den Testergebnissen von IBM ist die größte
Leistungssteigerung unter Linux, dem jüngsten Mitglied der unterstützen Serverbetriebssysteme
erzielt worden, das nun mit Domino 7 zu den übrigen Serverplattformen aufschließt.
Domino-Server lassen sich nicht nur auf den Schultern von Linux betreiben, sondern können jetzt
auch endlich vollständig von Linux aus administriert werden. Möglich macht dies die zusätzliche
Unterstützung von Mozilla Firefox bei der Webadministration. Auch "Domino Web Access" läuft nun mit
Firefox unter Windows und Linux. Das gelungene Browser-Interface des alternativen Clients für
Notes-Mail- und Kalenderfunktionen setzt mit seiner erweiterten Unterstützung für Drag and Drop
sowie Kontextmenüs über die rechte Maustaste den Maßstab, an dem sich aktuelle Webanwendungen
messen müssen. Aber auch weiterhin existiert keine Linux-Version von Notes 7. Mit der Unterstützung
von Linux als vollwertiger Client-Plattform ist erst zu rechnen, wenn IBM die geplante Integration
der Notes-Client-Funktionalität in der Eclipse-basierenden Workplace-Client-Technik komplett
vollzogen hat. Eine erste Technologievorschau dazu wurde bereits im Juni 2005 auf dem "DNUG/IBM
Lotus Technical Forum" unter dem Entwicklungs-Code "Hannover" präsentiert. MacOS-Anwender müssen
sich nicht ganz so lange gedulden: Der Hersteller will sie bereits im zweiten Quartal 2006 ab
Version 7.1 mit einem nativen Client bedienen.
In den Betaversionen von Domino 7 zeichnete sich als größte Neuerung ab, dass erstmals IBMs
relationale Datenbank DB2 als Alternative zur dokumentenorientierten "Notes Storage Facility" (NSF)
eingesetzt werden kann. Die daraus resultierenden Erwartungen der Notes-Entwickler fielen
keineswegs klein aus – ist doch die Vorstellung, das Beste beider Datenbankwelten auf einer
Plattform zu kombinieren durchaus reizvoll. Mit Erscheinen von Domino 7 erteilt IBM der
Begeisterung aber erst einmal eine Abkühlung. Die DB2-Integration für Domino-"NSFDB2" unter Windows
und AIX ist nur eingeschränkt verfügbar: Bestehende DB2-Kunden können für ein "Limited Availability
Program" nominiert werden, der so genannte "Feature Trial" für den Rest der Anwender und ohne jeden
technischen Support erweckt mehr den Anschein eines schlechten Betatestprogramms. NSFDB2 soll es
erlauben, einzelne Notes-Datenbanken auf DB2 ab Version 8.2.2 zu migrieren, ohne dass die
Anwendungen einen Unterschied zum traditionellen NSF-Format erkennen können. Notes-Ansichten lassen
sich auf der Basis von SQL-Abfragen gegen DB2 aufbauen und bestimmte Notes-Felder in
DB2-Zugriffsansichten (DAV) übertragen. Die komplexere Serverbetriebsumgebung wird allerdings auch
mit tatsächlicher Verfügbarkeit dafür sorgen, dass DB2 nicht für jede Domino-Umgebung interessant
wird. Zumindest die DB2-Betriebslizenz soll laut IBM bei exklusiver Nutzung durch einen
Domino-Server im Domino-Lizenzumfang enthalten sein.
Zu den tatsächlich greifbaren Neuerungen zählt dagegen der Domino Domänenmonitor (DDM). Mit DDM
erhält der Administrator eine zentrale Datenbank über Statusinformationen und Unregelmäßigkeiten
auf allen Servern seiner Domino-Domäne. Grundlage der verzeichneten Meldungen sind Ergebnisse der
DDM-Tests (Probes), die sich individuell an die jeweilige Serverbetriebsumgebung anpassen lassen.
DDM-Tests überwachen zum Beispiel die Auslastung des realen Serverarbeitsspeichers oder die
Einhaltung vordefinierter Zuweisungsrichtlinien in den Zugriffskontrolllisten (ACLs) von
Datenbanken. Generierte Ereignismeldungen in der DDM-Datenbank enthalten auch Erläuterungen über
die mögliche Ursache der Auffälligkeit und empfohlene Lösungsmaßnahmen. Um die Arbeit im
Administrationsteam zu koordinieren, lassen sich Kommentare und der Maßnahmenstatus zu jedem
Ereignis hinterlegen. So kommen die Workflow-Fähigkeiten von Notes endlich auch der Administration
des eigenen Produkts zugute.
Wer als Administrator die Konfiguration seiner Notes-Clients im Griff behalten will, weiß die
Vorteile der zentralen Client-Konfiguration über Richtlinien zu schätzen. Konfigurationsrichtlinien
können gezielt einzelnen Benutzern oder auch ganzen Organisationseinheiten zugeordnet werden. Mit
dem neuen Notes-Domino-Gespann lassen sich über gezielte Client-Richtliniensperren
Einstellungsbereiche vor dem Benutzerzugriff schützen. Der Anwender bekommt dies durch ein
Schlosssymbol vor den entsprechenden Einstellungen signalisiert. Bisher konnten Einstellungen mit
der Serveranmeldung zwar immer wieder durch zentrale Vorgaben überschrieben aber dennoch vom
Anwender verändert werden. Begrüßenswert ist auch die neue Möglichkeit, Einträge in der Datei
Notes.ini über eine entsprechende Desktop-Richtlinie vornehmen zu können.
Die nach Aussagen von IBM rund 120 Millionen Notes-Anwender weltweit werden – zumindest wenn sie
zuvor bereits mit Notes 6.5 gearbeitet haben – die Neuerungen von Notes 7 wohl kaum auf den ersten
Blick erkennen. Diese finden sich eher im Detail beziehungsweise hinter der pastellfarbenen
Fassade, wenn es zum Beispiel um Themen wie die Integration in den "IBM Workplace Client" geht.
Angesichts der moderaten Weiterentwicklung verwundert es nicht, dass sich Notes 7 ohne Probleme
über die Vorgängerversion installieren lässt, ohne dass Einstellungen verloren gehen. Anwender von
Notes 6 benötigen keinerlei Training, um sich unter Notes 7 gleich zurechtzufinden. Alles ist da,
wo es auch zuvor war.
Zu den nützlichen Detailverbesserungen zählt, dass sich jetzt wichtige Aktionen, wie das
Beantworten oder Weiterleiten von Mails direkt über das Kontextmenü mittels rechter Maustaste
ausführen lassen. Entwickler erhalten damit auch erstmals die Möglichkeit, Aktionen gezielt in das
Kontextmenü zu legen. Der Verlauf einer Mail-Konversation war bislang ausschließlich über die
Ansicht "Mail-Verlauf" zu überblicken. Auf Wunsch lässt sich nun der jeweilige Mail-Verlauf direkt
in das geöffnete Dokument einblenden. Wer wissen will, mit welchen Ablageordnern ein Mail-Dokument
verknüpft ist, findet die Antwort mit der neuen Funktion "Ordner suchen" und kann die
Ordnerverknüpfungen auch an gleicher Stelle verwalten. Kalendereinträge lassen sich erstmals nach "
Leitung", "Eintragstyp" (ganztägige Veranstaltung, Erinnerung etc.), "Status" und "privat"
herausfiltern. Leider steht diese nützliche Funktion ausgerechnet in der Listendarstellung aller
Kalendereinträge nicht zur Verfügung.
Das erste Öffnen umfangreicher Ansichten blockierte bislang den gesamten Notes-Client, da
zunächst der interne Ansichtsindex neu aufgebaut werden musste. Diese lästige Wartezeit entfällt
mit Notes 7 endlich, da der Update-Prozess nun unabhängig von anderen Aktivitäten abläuft.
Anwender, die ihre Notes-Arbeitsumgebung in mehreren geöffneten Fenstern zum schnellen Zugriff
organisieren, werden es begrüßen, dieses Arrangement mit "Fensterstatus speichern" für künftige
Notes-Start als Vorgabe definieren zu können.
Lotus Notes und Domino sind Bestandteil der großen IBM-Workplace-Familie. In jeder guten Familie
müssen sich die Familienmitglieder gegeneinander behaupten, auch wenn sie eigentlich
zusammengehören. Dies scheint hier nicht anders zu sein. Mit der Vorstellung des
IBM-Workplace-Clients, der "Workplace Collaboration Services" sowie des "Workplace Designers" zur
Anwendungsentwicklung läuteten viele bereits das Ende der Notes-Ära ein. Auf der einen Seite steht
der historisch und an vielen Schlüsselpunkten proprietär gewachsene Block Notes/Domino, und auf der
anderen Seite stehen die auf offenen Standards und auf dem Fundament von Websphere und J2EE
aufgebauten neuen Workplace-Produkte. Unabhängig von den technologischen Unterschieden existiert
auf beiden Seiten ein vergleichbares Funktionsangebot – wenn sich Funktionsumfang und
Ausgereiftheit im Detail auch unterscheiden. Domino 7 sieht sich mit seinen ausgewachsenen Mail-,
Kalender- und Verzeichnisfunktionen sowie in Verbindung mit den ebenfalls neu vorgestellten
Produktversionen Sametime 7, Quickplace 7, Domino Document Manager 7, Domino Workflow 7, Lotus
Enterprise Integrator 7 und IBM Workplace Web Content Management (Domino-Basis) mit Konkurrenz
innerhalb der eigenen Produktfamilie konfrontiert: die Websphere-basierenden "Workplace
Collaboration Services 2.51" mit ihren Einzelkomponenten "Messaging", "Team Collaboration", "
Document", "Web Content Management" und "Learning".
Da bislang die dominante Marktdurchdringung ohne Zweifel für die Notes-/Domino-Welt spricht, ist
zunächst Integration in Workplace gefragt. Deren interessantesten Aspekt hat IBM mit Notes 7 auf
der Client-Seite in Angriff genommen. Das Notes-Äquivalent ist hier der "IBM Workplace Client".
Dieser auf dem Eclipse-Framework basierende Client für derzeit Win-dows- und Linux-Plattformen
lässt sich zentral über einen Server verteilen und von dort aus verwalten ("Managed Client"). Damit
landen auch die "IBM-Produktivitätswerkzeuge" auf dem Rechner, die nichts Geringeres als
modifizierte Varianten der Openoffice-Komponenten "Writer", "Calc" und "Impress" (Code-Basis
derzeit Openoffice 1.1x) darstellen. Notes integriert sich optisch in den Workplace-Client über ein
Icon in der "Anwendungsumschaltleiste". Vorausgesetzt, dass Notes 7 unabhängig vom Workplace-Client
auf dem Windows-Arbeitsplatz installiert wurde, fließen durch ein automatisch installiertes Plug-in
die Notes-Fenster und -Anwendungsmenüs sowie der Inhalt der Lesezeichenleiste nahtlos in die
Workplace-Oberfläche ein.
Trotz dieser "oberflächlichen" Integration handelt es sich aber weiterhin um zwei unabhängige
Clients. Ein Single Sign-on zwischen Workplace Managed Client und Notes 7 ist nur indirekt über
eine synchronisierte Anmeldung beider Clients mit der Windows-Anmeldung realisiert. Für den
Offline-Betrieb sind zwei voneinander unabhängige Datenabgleichungsvorgänge erforderlich: Notes
repliziert über seinen Replikator gegen Domino, und der Work- place-Client synchronisiert sich
davon getrennt mit dem Workplace-Server.
Erste zarte funktionelle Verknüpfungspunkte sind allerdings bereits vorhanden: Dateianhänge in
Mails oder anderen Notes-Dokumenten lassen sich jetzt nicht nur aus dem Dateisystem, sondern
(einzeln) auch direkt aus Dokumentenbibliotheken des "IBM Workplace Document Repository" auswählen.
Ebenso kann der Anwender Dateianhänge aus Notes ohne Umweg über das Dateisystem im Document
Repository speichern. Leider besitzt Notes 7 keine Dateiformatfilter, um die "Openoffice"-Dokumente
des Workplace-Clients in der Vorschau anzeigen zu lassen. Auch eine gemeinsame Nutzung des
persönlichen Adressbuchs von Notes bleibt künftigen Versionen vorbehalten. "IBM Workplace Instant
Messaging" lässt sich bei der Client-Integration anstelle der standardmäßigen Unterstützung von
Sametime in Notes 7 aktivieren. Damit verwendet das integrierte Notes dann statt der proprietären "
IBM Lotus Virtual Places" (VP) den offenen Standard SIP (Session Initiation Protocol).
Betrachtet man die Liste der Neuerungen in Version 7 von Lotus Notes und Domino, so ist nicht
sofort ersichtlich, wodurch der große Versionssprung gerechtfertigt ist. Daran trägt sowohl die
nicht rechtzeitig fertig gestellte DB2-Integration Schuld, als auch eine Workplace-Integration, die
zwar technologisch interessant ist, in der Unternehmenspraxis derzeit aber nur in wenigen Fällen
eine Rolle spielt.
Dennoch werden Unternehmen, die Domino unter Linux bereits einsetzen oder dies planen, sowohl
die Performance-Steigerung, als auch die Unterstützung von Mozilla Firefox für das in
Bedienungskomfort und Funktion verbesserte Domino Web Access sowie den Domino Web Administrator als
gewichtige Argumente zugunsten von Domino 7 bewerten. Da bei der Migration von 6er-Versionen auf
7er-Client und -Server mit wenig "Bauchschmerzen" zu rechnen ist, können aber auch die kleinen
Verbesserungen in der Administration und Notes-Benutzeroberfläche den einen oder anderen zum
Upgrade bewegen. Abgesehen davon hat IBM noch einige Versprechen einzulösen. Spannend bleiben auf
jeden Fall die weiteren Entwicklungen innerhalb der Workplace-Familie.
Die Preise für den "Domino 7 Enterprise Server" beginnen bei 3758 Euro pro CPU und 142 Euro für
den "Notes 7 Collabora-tion Client". Unternehmen bis maximal tausend Mitarbeiter fahren günstiger
mit "Domino 7 Collaboration Express" für 135 Euro (pro Benutzer und einschließlich
Domino-Serverlizenzen).